Auf breite Kritik stößt der Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel von 7 auf 5 Prozent zu senken. Die Verbraucherzentralen wiesen darauf hin, dass die vorgeschlagene Senkung durch die Gesamtinflation von derzeit mehr als zwei Prozent direkt wieder zunichtegemacht werde. Der Handelsverband Deutschland bezeichnete den Vorschlag als „Entlastungen mit der Gießkanne“, die nicht zielgenau seien.
Kritik aus der Opposition
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg nannte den Vorstoß einen „billigen Wahlkampfköder“. Sinnvoller wäre nach seiner Ansicht „eine zielgenaue Entlastung von Geringverdienern bei Steuern und auch bei Sozialabgaben, die verlässlich ankommt und das Arbeiten im Verhältnis zum Bürgergeldbezug lohnender macht“. Auch Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) kommentierte kritisch: „Es ist halt ein Vorschlag im Wahlkampf. Schön wäre es gewesen die letzten drei Jahre.“
Özdemir regte bereits eine leichte Anhebung des ermäßigten Satzes von 7 Prozent auf Fleisch an, um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. Ein vom Bundestag eingesetzter Bürgerrat schlug unter anderem null Prozent Steuer für Obst und Gemüse aus der EU in Bio-Qualität vor. Konkret umgesetzt wurde in der Ampel-Koalition von Scholz aber nichts davon.
Entlastung um einstelligen Euro-Betrag im Monat
Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, hält eine Mehrwertsteuersenkung nicht für sinnvoll. Menschen mit höheren Einkommen würden absolut gesehen sogar stärker profitieren.
Der Haushaltsexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, Tobias Hentze, erläuterte, eine Mehrwertsteuersenkung um zwei Prozentpunkte würde jeden Steuerzahler rechnerisch im Monat um einen einstelligen Euro-Betrag entlasten – je höher das Einkommen, desto mehr.
Forderung nach null Prozent Steuer
Dem Sozialverband VdK geht die Idee in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. „Durch die nach wie vor hohe Inflationsrate, vor allem bei Lebensmitteln, kommen immer mehr Menschen an ihre finanziellen Grenzen“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Der Verband forderte, die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel auf null Prozent zu senken.
Die Preise für Nahrungsmittel sind zwischen 2020 und 2023 um mehr als 30 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im November schwächte sich der Preisauftrieb allerdings ab. Die Preise für Nahrungsmittel lagen noch um 1,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor – bei einer Teuerung von insgesamt 2,2 Prozent. Besonders stark verteuerten sich Butter mit einem Plus von 38,9 Prozent und Olivenöl mit einem Plus von 13,3 Prozent.
Eine Senkung des ermäßigten Steuersatzes um zwei Prozentpunkte würde den Bundeshaushalt nach einer Faustformel etwa sieben Milliarden Euro kosten, teilte das Finanzministerium mit. Der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gilt für viele Grundnahrungsmittel wie Zucker, Mehl, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Tee, Kaffee, Nüsse, Milch, Milchprodukte, Fleisch, Fisch, rohe Eier und Honig. Für verarbeitete Produkte und Getränke gilt der reguläre Satz von 19 Prozent.