Maul- und Klauenseuche Eine der gefährlichsten Tierseuchen ist zurück in Deutschland

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Deutschland galt seit dem Jahr 1988 als frei von der Maul- und Klauenseuche (MKS). Doch diese Zeiten sind seit Freitag vorbei: In Hönow im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland wurde MKS nachgewiesen. Die Agrar- und Ernährungsbranche ist in Unruhe.

Montag, 13. Januar 2025, 12:48 Uhr
Thomas Klaus (mit dpa)
Maul- und Klauenseuche: Rinder, dich nebeneinander, auf einer Weide.t
Von der Maul- und Klauenseuche sind Klauentiere wie zum Beispiel Rinder bedroht. Bildquelle: Getty Images

Bei Wasserbüffeln auf einem Hof in Hönow im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg wurden am Freitag Fälle der Maul- und Klauenseuche aufgedeckt. Zum ersten Mal seit 1988 ist diese Seuche also wieder nach Deutschland zurück gekehrt. In Europa wurde der letzte Ausbruch in 2011 aus Bulgarien gemeldet. Die Politik ist ebenso wie die Agrar- und Ernährungswirtschaft alarmiert.

Tiere erleiden erhebliche Schmerzen

Die Maul- und Klauenseuche ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung bei Klauentieren. Vor allem Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine sind betroffen. Aber auch zahlreiche Zoo- und Wildtierarten können erkranken. Deshalb wurden der Zoologische Garten und der Tierpark Berlin vorsorglich zumindest bis heute im Laufe des Tages geschlossen. Denn Hönow liegt direkt an der nordöstlichen Stadtgrenze von Berlin.

Tiere mit MKS bekommen hohes Fieber, das zwischen sechs Stunden und drei Tagen dauert. Sie speicheln stark, und die Schleimhäute im Mund röten sich. Es bilden sich Bläschen an Lippen, Zahnfleisch, Klauen und Zitzen. Diese Blasen platzen nach ein bis drei Tagen und heilen ab. Die Tiere trippeln und heben ihre Klauen, um den erheblichen Schmerz zu lindern.

Robert-Koch-Institut verweist auf Verwechslungsgefahr mit HFMK

Nicht nur das Aufstehen und Laufen kann zur Qual werden, sondern die Tiere vermeiden wegen Schmerzen im Maulbereich auch das Fressen. Die geringe beziehungsweise fehlende Futteraufnahme schwächt die Tiere zunehmend. So geht bei Milchkühen beispielsweise die Milchproduktion drastisch zurück.

Das Robert Koch-Institut (RKI) weist darauf hin, dass die MKS aufgrund der ähnlichen Symptome häufig mit der Hand-Fuß-Mund-Krankheit (HFMK) verwechselt wird, die vor allem bei Kleinkindern nicht selten ist. Die Krankheiten stehen jedoch nach Auskunft des RKI in keinerlei Bezug zueinander: „Der HFMK-Erreger kommt ausschließlich beim Menschen vor.“

Bundesinstitut gibt bezogen auf Menschen Entwarnung

Verursacht wird die MKS-Erkrankung durch das Virus, das vor allem in verschiedenen Ländern Afrikas und Asiens verbreitet ist. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium weiß: „Durch illegalen Handel mit Produkten tierischer Herkunft, ihre Mitnahme im Reiseverkehr, durch Futtermittel und Einstreumaterialien aus Ländern mit MKS-Ausbrüchen besteht die Gefahr der Einschleppung des MKS-Virus.“

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt bezogen auf Menschen Entwarnung: Infektionen des Menschen mit dem MKS-Virus seien sehr selten und zeigten milde Verläufe; sie seien das Ergebnis unmittelbaren und intensiven Kontakts mit erkrankten Tieren gewesen. Insgesamt wurden nach Behördenangaben zwischen den Jahren 1921 und 2007 weltweit lediglich etwa 40 solcher Fälle humaner Infektionen mit dem MKS-Virus bekannt.

Auch bei einem großen MKS-Ausbruch 2001 in Großbritannien mit mehr als 2.000 Ausbrüchen in Tierbeständen seien Menschen nicht infiziert worden. 

MKS-Virus hat hohe Widerstandsfähigkeit

Das BfR versichert: „Infektionen und Erkrankungen des Menschen über den Verzehr von Lebensmitteln sowie eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung sind nicht bekannt. Durch den Verzehr von Lebensmitteln, die von infizierten Tieren stammen – etwa in Form von pasteurisierter Milch und daraus hergestellten Produkten wie Joghurt oder Eis oder durchgegartem Fleisch – ist eine MKS-Infektion nicht zu erwarten.“ Betont wird: „Wer Lebensmittel von an Maul- und Klauenseuche erkrankten Tieren verzehrt, muss keine Erkrankung befürchten.“ 

Dramatisch am MKS-Virus ist unter anderem dessen hohe Widerstandsfähigkeit gegen Austrocknung, Kälte und hohe Salzkonzentrationen. In Rohmilch, ungenügend erhitzter Milch, Gefrier- und Pökelfleisch vom Schwein kann das Virus laut BfR unter geeigneten Bedingungen monatelang infektiös bleiben. „Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand ist auch eine indirekte Übertragung von MKS an Tiere über Futtermittel nicht auszuschließen“, so das BfR.

BfR: Rohmilch kann kontaminiert sein

Im Hinblick auf Milch und Milchprodukte stellt das BfR klar: „Bisher sind keine MKS-Erkrankungen des Menschen durch den Verzehr von pasteurisierter Milch oder Milchprodukten bekannt geworden. Generell kann Rohmilch aber mit krankmachenden Keimen kontaminiert sein.“

Besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Schwangere oder ältere und kranke Personen sollten daher grundsätzlich auf den Verzehr von nicht abgekochter Rohmilch verzichten. Das BfR: „Auch für gesunde Erwachsene besteht beim Verzehr von nicht abgekochter Rohmilch ein erhöhtes Risiko einer Infektion mit verschiedenen Erregern.“

Bestimmte Agrarexporte zurzeit nicht möglich

Keine Entwarnung gibt es hingegen im Hinblick auf die deutschen Agrarexporte. Diese werden nach Einschätzung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft durch den Auftritt des Virus jetzt ausgebremst. Ausfuhren von Milch, Milchprodukten, Fleisch und Fleischprodukten in Länder außerhalb der Europäischen Union seien kaum mehr möglich. Das begründet das Ministerium damit, dass zahlreiche notwendige Zertifikate zur MKS-Freiheit nicht mehr ausgestellt werden könnten. Das gelte ebenfalls für Exporte von Häuten, Fellen, gesalzenen Naturdärmen sowie Samen und Blutprodukte. Allerdings: Innerhalb der Europäischen Union seien Transporte außerhalb der Sperrzonen weiter möglich, hebt das Ministerium hervor.

Die Folgen für den deutschen Schweinemarkt dürften daher nach Experteneinschätzung auch beherrschbar bleiben. „Natürlich ist der MKS-Fall in Brandenburg keine gute Nachricht“, sagte der Marktexperte der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) mit Sitz im niedersächsischen Damme, Klaus Kessing, laut einer Mitteilung. „Gerade jetzt zu einer Zeit, in welcher am Schweinemarkt saisontypisch ohnehin ein gewisser Druck auf die Schweinepreise vorhanden ist.“ Allerdings dürften sich die faktischen Auswirkungen auf den Schweinefleischhandel in Grenzen halten, sagte Kessing weiter. Denn: Der überwiegende Teil des Exports von Schweinefleisch aus Deutschland erfolge innerhalb der EU und dürfe auch nach dem MKS-Fund aufgrund der Regionalisierungsvereinbarung ohne größere Einschränkungen weiterlaufen.

Niederlande und Südkorea greifen bereits durch

Konkrete Auswirkungen auf den Export lassen sich seit dem Wochenende schon beobachten. So hat das niederländische Landwirtschaftsministerium ein landesweites Transportverbot für Kälber verhängt. Grund: Seit Anfang Dezember seien rund 3.600 Kälber aus Brandenburg über Sammelstellen in Deutschland in die Niederlande gelangt. Diese befänden sich nun in 125 Mastbetrieben, die über die Niederlande verteilt seien. Das Verbot sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, teilt das Ministerium mit.

Schwerwiegender dürfte das Verbot sämtlicher deutscher Schweinefleischimporte sein, das Südkorea erlassen hat. Dieses Land gilt traditionell als wesentlicher Absatzmarkt für deutsches Schweinefleisch. Die Behörden in Südkorea haben eine Quarantäneuntersuchung für 360 Tonnen deutsches Schweinefleisch angeordnet und wollen MKS-Virustests an sämtlichen deutschen Schweinefleischprodukten starten, die seit dem 27. Dezember nach Südkorea gelangt sind. 

Morgen tagt der Zentrale Krisenstab Tierseuchen

In Deutschland ist die MKS eine anzeigepflichtige Tierseuche, deren Auftreten auf gesetzlicher Grundlage bekämpft wird. Zuständig sind die Bundesländer, die dabei vom Bund Rückendeckung erhalten.

Für Dienstag wurde im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) der Zentrale Krisenstab Tierseuchen einberufen. Der Zentrale Krisenstab ist beim Ausbruch einer Tierseuche das übergeordnete politische Entscheidungsgremium. Teilnehmer des Krisenstabs sind die Amtschefs der zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder, die für die Tierseuchenbekämpfung zuständig sind. Sie beraten Maßnahmen von überregionaler und politischer Bedeutung und beschließen bei Bedarf ein bundeseinheitliches Vorgehen.

Noch am Montag traf sich Bundesagrarminister Cem Özdemir mit Branchenvertretern aus der Ernährungswirtschaft. Bereits am Freitag hatte es erste Gespräche mit dem Minister und seinen Amtskollegen aus den Ländern gegeben.

Friedrich-Löffler-Institut bietet Impfstoff an

Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) hat als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit den derzeitigen MKS-Virustyp identifiziert und bietet auch einen Impfstoff an. Es unterstützt die Bundesländer bei der Tierseuchenbekämpfung durch epidemiologische Untersuchungen. Wie das FLI konkretisiert, stellte das Nationale Referenzlabor am FLI einen MKS-Virus vom Serotyp O fest. Für diese Viren geeignete Impfstoffe seien in der MKS-Antigenbank Deutschland vorhanden. Diese MKS-Antigenbank wurde eigens für Fälle wie den aktuellen Ausbruch eingerichtet. Die MKS-Antigenbank könne nach Aktivierung durch die Bundesländer benötigte Impfstoffe innerhalb weniger Tage herstellen, versichert das FLI.

Bei der MKS sei ein genau abgestimmter Impfstoff wichtig, weil Impfstoffe gegen andere Serotypen die Tiere nicht schützten. Bisher sind nach Behördendarstellung die sieben Serotypen O, A, C, Asia 1, SAT1, SAT2 und SAT3 bekannt, die in zahlreiche Untertypen und Stämme unterteilt werden.

FLI: MKS eine der bedeutsamsten Tierseuchen

„Nah verwandte MKS-Viren“, informiert die Behörde, „kommen im Nahen Osten und Asien vor. Der genaue Ursprung und der Eintragsweg in den Tierbestand sind aber auch jetzt nach Kenntnis des Serotyps weiter unbekannt.“

Das Institut warnt: „Die MKS gehört wegen ihrer potenziell katastrophalen Auswirkungen zu den weltweit wirtschaftlich bedeutsamsten Tierseuchen.“ Und weiter: „Durch die Zunahme des globalen Handels- und Reiseverkehrs besteht ständig die Gefahr einer Wiedereinschleppung und explosiven Ausbreitung der MKS in Europa.“

72-Stunden-Frist um zwei Tage verlängert

In Brandenburg hat sich die MKS nach bisherigen Erkenntnissen des zuständigen Landwirtschaftsministeriums nicht weiter ausgebreitet – so weit der Stand vom heutigen Mittag. Nach Einschätzung von Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt dürfte dazu nicht zuletzt das 72-stündige Transportverbot beigetragen haben, das zunächst bis Montag galt und dann vom Land um 48 Stunden bis zum 15. Januar verlängert wurde. Das Land hatte es für Schweine, Schafe, Rinder und Ziegen erlassen.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) bezeichnete diesen Schritt als richtige Maßnahme. „Je entschlossener wir jetzt am Anfang dieser Seuche vorgehen, umso schneller können wir hoffentlich wieder zur Normalität zurückkehren“, sagte der Minister nach einem Treffen mit Landwirten in Stuttgart. 

Grüne Messe in Berlin kann stattfinden

Der Landkreis Märkisch-Oderland hatte zusätzlich die Tötung des Bestandes angeordnet und eine Schutzzone im Radius von mindestens drei Kilometern sowie eine Überwachungszone im Radius von mindestens zehn Kilometern eingerichtet.

Am Freitag beginnt in Berlin die Grüne Messe. Ministerin Mittelstädt sagt dazu: „Die Grüne Woche kann stattfinden. Jeder Landwirt ist allerdings angehalten, die Seuchenschutzmaßnahmen hochzufahren.“

Auf der Grünen Woche dürfen keine Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen gezeigt werden. Das hat das Land Berlin angeordnet.

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