Neue Plastik-Regeln Kleinbetriebe vor dem Aus?

Die LP sprach mit dem AVU-Vorsitzenden Dr. Carl Dominik Klepper über die jetzt beschlossene EU-Verpackungsverordnung und deren Auswirkungen auf die Branchen in der Wertschöpfungskette des Lebensmitteleinzelhandels.

Donnerstag, 23. Mai 2024, 08:53 Uhr
Matthias Mahr

Die Allianz Verpackung und Umwelt engagiert sich seit 30 Jahren für Ressourceneffizienz und Produktverantwortung bei Verpackungen. Der Verband repräsentiert durch seine Mitglieder die gesamte Wertschöpfungskette: von der Verpackungsindustrie über die Konsumgüterwirtschaft und den Handel bis hin zu den dualen Systemen, Entsorgern und Verwertern.

Herr Klepper, die kommende Verpackungsverordnung der EU stellt sicherlich eine Herausforderung für Hersteller von Food-Verpackungen dar. Wie sehen Sie die praktische Umsetzbarkeit des geforderten Mindest-Rezyklatanteils von 10 Prozent für Kunststoffverpackungen? Gibt es bereits konkrete Maßnahmen, die Hersteller ergreifen können, um diese Anforderung zu erfüllen? Ist das nicht eine wettbewerbsverzerrende Vorgabe, die besonders kleine Unternehmen benachteiligt
Dr. Carl Dominik Klepper: Der Einsatz von Post-Consumer Rezyklaten stellt bei Lebensmittelverpackungen zweifellos eine besondere Herausforderung dar. Viele Rezyklate dürfen aufgrund fehlender Zulassungen nicht verwendet werden. Zwar greift die Pflicht erst ab 2030, Unternehmen sollten sich aber so früh wie möglich über Beschaffungsmöglichkeiten informieren, und testen, wie Rezyklate am besten in die einzelnen Verpackungsformate integriert werden können. Wenn sich die Verfügbarkeit geeigneter Rezyklate aus mechanischem oder chemischem Recycling in den kommenden Jahren nicht verbessert, ist zudem eine Absenkung des Ziels durch die EU-Kommission möglich.

Wie beurteilen Sie die Vorgabe, ab 2030 nur noch recyclingfähige Verpackungen in Verkehr zu bringen? Gibt es bereits Maßnahmen oder Initiativen, die darauf abzielen, diese Herausforderungen anzugehen?
Dass alle Verpackungen recyclingfähig sein sollten, ist ein richtiges und wichtiges Ziel. Was dies in der Praxis genau bedeutet, soll jedoch erst 2028 in sogenannten delegierter Rechtsakten festgelegt werden. Unternehmen können sich auf die kommenden Vorgaben vorbereiten, indem sie bereits jetzt den deutschen Mindeststandard Recyclingfähigkeit der ZSVR umsetzen, denn bereits existierende Standards werden in die Erarbeitung der neuen Regeln einfließen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das chemische Recycling. Sie haben erwähnt, dass dieses Verfahren energieintensiv ist. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft des chemischen Recyclings aus und welche Rolle könnte es im Vergleich zum mechanischen Recycling spielen?
Chemisches Recycling macht wegen seiner Umweltbilanz nur als Ergänzung zum mechanischen Recycling Sinn und darf letzteres nicht negativ beeinträchtigen. Es gibt jedoch Materialströme, die bisher der Verbrennung zugeführt werden, und die durch chemisches Recycling im Kreislauf gehalten werden können. Damit chemisches Recycling einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft der Zukunft leisten kann, sind allerdings klare rechtliche Rahmenbedingungen und eine transparente Rückverfolgbarkeit der Rezyklate notwendig.

Warum wird das Material Kunststoff im Vergleich zu faserbasierten Verbundverpackungen so rigoros behandelt? Fachleute sagen, dass das im Sinne der Nachhaltigkeit zu völlig falschen Effekten führt, weil faserbasierte Verbundverpackungen äußerst mangelhaft zu recyceln sind.
Verbundverpackungen ist ein Sammelbegriff für eine breite Produktpalette, von denen einige besser, andere schlechter recycelbar sind. Auch Verbundverpackungen werden in Zukunft den strengen Anforderungen an die Recyclingfähigkeit entsprechen müssen. Die Weiterentwicklung von Recyclingmethoden kann dazu führen, dass dies für bestimmte Verbundverpackungen gelingt, andere werden möglicherweise vom Markt verschwinden.

Wie sieht es mit der nationalen Umsetzung der PPWR aus? Droht hier über Ausnahmeregelungen nicht doch ein weiterer Flickenteppich?
Aufgrund zahlreicher Abweichungsmöglichkeiten für die EU-Mitgliedstaaten sehen wir in der Tat die Gefahr, dass der Flickenteppich nationaler Regelungen in einigen Bereichen bestehen bleibt. Zum Beispiel bei Mehrwegvorgaben und Maßnahmen zur Abfallvermeidung hätten wir uns weniger Ausnahmen gewünscht. Dennoch überwiegen aus Sicht der Wertschöpfungskette Verpackung eindeutig die Vorteile neuer harmonisierter Regeln für nachhaltige Verpackungen.

Dr. Carl Dominik Klepper

Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der AVU seit 2016. Zuvor Stiftung Marktwirtschaft (2005-2009) und Markenverband (2009 bis 2016). Studium der Volkswirtschaftslehre in Münster, Aix-en-Provence und an der Humboldt-Universität Berlin (2002 Diplom-Volkswirt), Promotionsstudium an der Uni Hamburg und der UC Berkeley, USA (2005 Dr. rer. pol.), Lehrbeauftragter der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (seit 2018)

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