Herr Mauerhan, nach langem Gezerre hat das Europaparlament die Lieferkettenrichtlinie verabschiedet, in abgeschwächter Form. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Benno Mauerhan: Grundsätzlich unterstützen wir die Intention vollumfänglich. Es ist aus meiner Sicht auch gut, dass eine europäische Regelung erreicht worden ist, weil wir damit Voraussetzungsgleichheit von Marktteilnehmern in ganz Europa haben. Es gibt natürlich – wie immer bei solchen Gesetzesvorhaben – die eine oder andere Unsicherheit. Beim Thema Haftungsmaßstäbe und Berichtsformen besteht noch Definitions- und Ausführungsbedarf. Das Berichts- und Nachweiswesen stellt uns als Mittelständler vor andere Herausforderungen als Großunternehmen. Aber insgesamt können wir mit der Lösung leben und werden sie nun in unsere Prozesse integrieren.
Ritter engagiert sich seit Längerem für saubere Lieferketten. Wie weit sind Sie gekommen und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Dieses Thema haben wir seit Langem auf der Agenda. Was sich aktuell durch die Gesetzgebung deutlich verbessert hat, ist die digitale Nachweisführung. Da haben wir ein bisschen nachgearbeitet, die Daten sind aber grundsätzlich da. Zum Stichtag werden wir so weit sein, dass wir alle Anforderungen erfüllen. Wir glauben, nachvollziehbare Lieferketten werden immer wichtiger, in Zeiten begrenzter Rohstoffverfügbarkeiten wächst aber auch die Herausforderung der Umsetzung. Ritter ist aus einer sehr guten Ausgangsposition gestartet, und die zusätzlichen gesetzlichen Herausforderungen werden uns nicht überfordern.
In Umfragen wünschen sich Verbraucher oft nachhaltigere Lebensmittel. Doch sind sie bereit, dafür mehr zu bezahlen?
In engen Grenzen: ja. Wir stellen ein Genussprodukt her. Der wesentliche Faktor für die Zahlungsbereitschaft in unserer Kategorie sind die Qualität der Produkte und die Einhaltung des Genussversprechens. Nachhaltigkeit ist wichtig. Heute sind selbst Handelsmarken zu weiten Teilen Fairtrade-zertifiziert. Sämtliche Marktteilnehmer unternehmen Anstrengungen, ihre Lieferketten nachhaltiger zu machen, und kommunizieren das auch. Das sorgt beim Endverbraucher für einen bewussteren Konsum im Sinne einer bewussteren Produktauswahl, die Nachhaltigkeitskriterien einschließt.
Welche Rolle spielt der Handel beim Thema Nachhaltigkeit?
Der Handel pocht auf die Einhaltung von Standards. Unsere Handelspartner wissen, wie gut und umfänglich unsere Nachhaltigkeitsagenda ist. Auf Einkäuferseite herrschen sicherlich noch deutlich mehr Transparenz und Wissen als auf Verbraucherseite. Insofern ist der Druck der Händler bezüglich Nachhaltigkeitsthemen auf uns gar nicht so groß.
Nachhaltige Zutaten sind das eine, umweltfreundliche Verpackungen sind das andere. Welche Pläne hat Ritter hier?
Die spannende Frage ist: Was ist eine nachhaltige Verpackung? Es fängt damit an, dass eine Verpackung recycelbar sein muss. Wir nutzen für die Mehrzahl unserer Produkte eine Einstoffverpackung, die über den Grünen Punkt vollständig recycelbar ist, ob nun stofflich oder thermisch, können wir leider nicht beeinflussen. Wir versuchen, von der erdölbasierten zur papierbasierten Verpackung zu kommen. Das ist aber kein triviales Unterfangen, weil wir beim Qualitätsversprechen und bei der Produktsicherheit keine Abstriche machen. Da gibt es noch Hürden zu überwinden.
Es gibt bereits papierbasierte Verpackungen. Überzeugt Sie das nicht?
Wir arbeiten seit Langem an dem Thema. Je nach Fettgehalt und Salzgehalt des Produkts gibt es allerdings verschiedene Herausforderungen, für die wir bisher keine zufriedenstellende Lösung gefunden haben. Wann es eine Lösung auch für uns gibt, die unseren Qualitätsanforderungen genügt, ist noch nicht absehbar.
Sie leiten seit etwa einem Jahr die Geschäfte von Ritter im DACH-Raum. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Grundsätzlich mag ich das Wort Zufriedenheit nicht, denn es impliziert ein Niveau, auf dem man sich ausruhen kann. Das ist nicht das Gebot der Stunde. Wir haben unter den gegebenen Umständen ein sehr solides Jahr hinter uns. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es weniger von äußeren Einflüssen geprägt gewesen wäre und wir uns noch mehr auf die Zufriedenheit der Konsumenten hätten konzentrieren können. Aber die Gegebenheiten sind, wie sie sind. Ich richte meinen Blick nach vorn und auf das langfristige Wachstum. Da sind wir, denke ich, gut aufgestellt.
Ritter hat 2023 schwarze Zahlen geschrieben. Was erwarten Sie für dieses Jahr?
Ich bin grundsätzlich Optimist. Was am Ende im Ergebnis steht, ist von vielen Faktoren abhängig, die heute sehr schwer zu bewerten sind. Der Kakaopreis ist ein Thema. Schwer vorherzusehen ist, was die bereits am Regal wahrzunehmenden Preissprünge in der Kategorie mit der Nachfrage machen werden. Und ja: Wir haben die Lücke adressiert zwischen unseren gestiegenen Kosten und dem, was der Handel uns bezahlt. Unser Ziel ist es, die erfolgreiche Zusammenarbeit fortzusetzen.
Die Verbraucher haben zuletzt insgesamt weniger Schokolade gekauft. Bekommt Ritter das auch zu spüren?
Das letzte Jahr war durchaus disruptiv. Es hat längere Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Herstellern und Handelspartnern gegeben. In einer Impulskategorie wie der Schokolade hat es auch einen Nachfrageeffekt, wenn einzelne Marktteilnehmer zeitweise aus der Vermarktung aussteigen. Langfristig gesehen ist die Schokolade eine relativ konsumstabile Kategorie mit einer leicht rückläufigen Tendenz.
Der Kakaopreis ist durch die Decke geschossen. Wie gehen Sie damit um?
Die Preisrallye stellt auch uns vor eine große Herausforderung, was Kosten wie auch Verfügbarkeit betrifft. Aufgrund schlechter Ernten wurde weniger Kakao produziert. Hier spielt auch die Klimakrise mit rein. Zusätzlich sind über Jahre hinweg die verfügbaren Kakao-Lagerbestände gesunken, was bei einer zugleich erhöhten globalen Nachfrage zu Marktanpassungen führt. Zusammengenommen ergibt das kein kurzfristiges, sondern ein strukturelles Problem. Wir werden uns auf der Beschaffungsseite also auch für die Zukunft auf eine höhere Volatilität einstellen müssen.
Kakao ist nicht nur teuer, sondern auch knapp. Erhalten Sie aktuell überhaupt noch die Mengen, die Sie benötigen?
Es zahlt sich aus, dass wir seit Jahrzehnten in langfristige Partnerschaften in den kakaoanbauenden Ländern investieren. Wir kennen die Erzeugerorganisationen, die Kakaobauern und arbeiten seit Langem mit ihnen zusammen. In solchen Zeiten sorgt das für Verlässlichkeit. An der Verfügbarkeitsfront haben wir daher wenig Sorge. Allerdings hat auch Versorgungssicherheit ihren Preis. Einen Abnehmer sichern langfristige Partnerschaften in diesen Zeiten nur dann ab, wenn er auch einen angemessenen Preis bezahlt.
Hilft Ihnen Ihre Plantage in Nicaragua bei der Versorgungssicherheit?
Sicher wird die Plantage El Cacao mittelfristig für eine höhere Versorgungssicherheit sorgen. Wir streben an, zwischen 20 und 25 Prozent unseres Bedarfs zu decken. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt. In einer anderen Hinsicht nützt uns die Plantage bereits heute viel mehr: Seitdem wir als Unternehmen Landwirte sind, ist das Verständnis für die Lieferkette und für das, was am Ursprung geschieht, enorm gewachsen. Das ist ein sehr großer Nutzen, den man nicht gering schätzen darf.
Wie schnell schwappen solche extremen Börsenpreise durch die Lieferkette?
Die Frage ist pauschal nicht zu beantworten. Wie stark die Preise steigen und wann, ergibt sich aus den vielschichtigen Marktdynamiken, die nicht komplett transparent sind. Für den Endverbraucher gilt: Der Handel legt die Preise am Regal fest.
Ob der Verbraucher bald 2 Euro pro 100-Gramm-Tafel bezahlen wird, lässt sich also nicht seriös vorhersagen?
Nein. Der Spot-Börsenpreis für Kakao ist natürlich bekannt. Wie stark das auf das Endprodukt durchschlägt, hängt aber von vielen Faktoren ab, etwa vom Verhältnis von Kakaomasse und Kakaobutter. Letztere erlebt eine deutlich höhere Inflation. Dann stellt sich außerdem die Frage, ob Grammatur oder Rezeptur geändert werden. Das muss jeder Hersteller selbst entscheiden.
Benno Mauerhan, DACH-Chef Ritter Sport
Seit etwa einem Jahr leitet Benno Mauerhan die Geschäfte von Ritter im deutschsprachigen Raum. Der 52-Jährige war zuvor als Vertriebsleiter für den Waldenbucher Schokoladenhersteller tätig. Der gebürtige Dresdner hat in seinem Lebenslauf unter anderem Stationen bei Arla, Unilever und Intersnack vorzuweisen. Er lebt in Pinneberg bei Hamburg.