Der Lebensmittelkonzern Nestlé hat sich während seines Kapitalmarkttages am Firmensitz im schweizerischen Vevey im Hinblick auf seine näheren Zukunftspläne und die weitere strategische Ausrichtung in die Karten schauen lassen.
Erhebliche Verluste beim Börsenwert
Handlungsbedarf für einen Kurswechsel besteht anscheinend. So hat Nestlé seit dem Jahresbeginn 23 Prozent seines Börsenwertes eingebüßt. Und seit dem Allzeithoch im Herbst 2022 gingen rund 40 Prozent des Börsenwertes verloren. Vor kurzem gaben die Großbanken Morgan Stanley und BNP Paribas sogar Verkaufsempfehlungen für Aktien ab.
Nach dem Kapitalmarkttag hielt die US-Bank JPMorgan an ihrer Einstufung für Nestlé auf Neutral fest. Sie erwartet eine nur langsame Erholung bei dem Schweizer Riesen, obwohl der nun eingeschlagene Weg positiv zu bewerten sei.
Fokus liegt nun auf den Stars im Portfolio
Der größte Nahrungsmittelhersteller der Welt will nach eigenen Angaben bis Ende 2027 Kosten in Höhe von mindestens 2,5 Milliarden Schweizer Franken einsparen. Wo genau der Rotstift angesetzt werden soll, wurde noch nicht verraten. Personalabbau wurde bisher aber nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Details dürften bekannt werden, wenn voraussichtlich am 13. Februar die Gewinn- und Umsatzzahlen für das vierte Quartal 2024 vorgelegt werden.
Die eingesparten Mittel sollen in Werbung und Marketing fließen und deren Anteil am Umsatz von 7,7 Prozent im vergangenen Jahr auf neun Prozent Ende 2025 steigen. Im Rahmen der vorgesehenen Werbeoffensive stehen die 31 Produkte des Konzerns im Mittelpunkt, die jährlich mehr als eine Milliarde Franken Umsatz eintragen.
Nicht nur bei Werbung und Marketing liegt der Fokus auf den Stars im Portfolio. Insgesamt will sich Nestlé auf weniger Produkte konzentrieren, die dafür besonders viel Aufmerksamkeit erhalten. Das gilt ebenfalls für den Bereich Forschung und Entwicklung.
Nestlé gliedert sein Wasser-Geschäft aus
Einschneidend ist auch die Entscheidung in Sachen Wasser-Geschäft. Der Konzern will die entsprechenden Aktivitäten ab Januar 2025 als eigenständige globale Einheit führen. Die neue Chefin Muriel Lienau, zurzeit noch Leiterin von Nestlé Waters Europa, hat den Auftrag für eine neue Strategie für diesen Bereich erhalten. Dabei soll sie in erster Linie mögliche Partnerschaften prüfen.
Vorbild könnte das Eiscremé-Geschäft sein, das Nestlé im Herbst 2016 in das Joint Venture Froneri ausgegliedert hatte. Unter dem Froneri-Dach wurden seinerzeit die Unternehmen Nestlé Schöller, R&R Ice Cream und Erlenbacher gebündelt.
Organisches Umsatzwachstum von zwei Prozent erwartet
Mit dem abgefüllten Mineralwasser und Marken wie San Pellegrino, Perrier, Aqua Panna und Vittel war der Konzern insgesamt nicht glücklich geworden. Zum Konzernumsatz hatte die Sparte lediglich vier Prozent beigesteuert und mit einer operativen Umsatzrendite von 10,6 Prozent den Konzerndurchschnitt von 17,3 Prozent deutlich unterboten.
Dem Image waren mehrere Skandale abträglich, so unlängst in Frankreich: Dort soll verunreinigtes Wasser mit nicht zugelassenen Methoden gefiltert und als natürliches Mineralwasser verkauft worden sein.
Im ersten Halbjahr 2024 lag das organische Wachstum von Nestlé bei einer operativen Marge von 17,4 Prozent bei lediglich 2,1 Prozent. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet Nestlé ein organisches Umsatzwachstum von etwa zwei Prozent. Die operative Gewinnmarge soll bei etwa 17 Prozent liegen. Für 2025 rechnet der Konzern mit einer Verbesserung des organischen Umsatzwachstums im Vergleich zu 2024. Die operative Gewinnmarge werde dann voraussichtlich moderat unter der Prognose für 2024 liegen, so das Unternehmen.
Digitale Transformation soll beschleunigt werden
Mittelfristig strebt Nestlé unter den Bedingungen eines normalen Geschäftsumfeldes ein organisches Umsatzwachstum von mindestens vier Prozent an. Die operative Gewinnmarge soll dann über 17 Prozent liegen. Zuvor betrugen die Wachstumsprognosen zwischen vier und sechs Prozent; die Marge wurde zwischen 17,5 und 18,5 Prozent angesiedelt.
„Nestlé ist ein starkes Unternehmen mit globaler Reichweite und außergewöhnlichen Fähigkeiten in der Nachfragegenerierung und Marktbearbeitung“, so Konzernchef Laurent Freixe. Er bleibt zuversichtlich. Zusätzlich zu den Prioritätensetzungen wolle der Konzern seine digitale Transformation beschleunigen und künftig verstärkt auf Daten und künstliche Intelligenz setzen.
2024 war schon ein Jahr großer Veränderungen
Im Oktober hatte Nestlé umfangreiche Änderungen in der Unternehmensstruktur und der Konzernleitung angekündigt. Ab Januar 2025 fasst das Unternehmen die Zonen Lateinamerika und Nordamerika zur Zone Americas zusammen. Die Zone Greater China Region wird in die Zone Asien, Ozeanien und Afrika integriert. Die Zone Europa bleibt unverändert. Diese Neuorganisation geht mit mehreren Wechseln in der Konzernleitung einher.
Laurent Freixe hatte zum 1. September die Führung des Konzerns übernommen. Er folgte auf den deutschen Wirtschaftsmanager Mark Schneider, der nach rund acht Jahren als CEO zurücktreten musste und das Unternehmen verlassen hat.
Freixe arbeitet seit 1986 für Nestlé und war zuletzt für die Region Lateinamerika zuständig. Von 2008 bis 2014 lenkte er bereits das Europa-Geschäft des Konzerns.