Fleischindustrie 500.000 Schweine warten in den Ställen

Nach wie vor macht der „Schweinestau“ in den Ställen den Landwirten Sorge. Wegen Corona sind die Schlachtkapazitäten verringert, Infektionsfälle in den Schlachthöfen machen die Situation schlimmer.

Dienstag, 27. Oktober 2020, 06:30 Uhr
Lebensmittel Praxis
Artikelbild 500.000 Schweine warten in den Ställen
Bildquelle: Danish Agriculture & Food Council F.m.b.A.

Nach wie vor beklagen Landwirte, dass Hunderttausende Schweine auf ihre Schlachtung warten – der Überhang beträgt laut Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) in Damme rund eine halbe Million Tiere. Corona-bedingt sind die Kapazitäten in den Schlachtereien derzeit begrenzt, drei Schlachthöfe wegen Infektionen unter der Mitarbeiterschaft noch mehr eingeschränkt.

Mit Sonntagsgenehmigungen wollen sie in Niedersachsen einen Teil des „Schweinestaus“ in den Ställen abbauen. Beim Sozialministerium in Hannover gingen bisher zwei Anträge für Sonntagsarbeit ein. Danach dürfen die beiden Schlachthöfe bis Ende November sonntags arbeiten – ausgenommen ist allerdings der Reformationstag.

Eine Ausweitung des Schlachtbetriebs ist nicht so einfach möglich. Derzeit sei der Arbeitsmarkt für Mitarbeiter der Fleischunternehmen so gut wie leer gefegt, erklärt dazu die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft, Heike Harstick. Einerseits stellen die Schlachtbetriebe von Werkvertragsarbeit auf Arbeitsplätze mit festangestellten Mitarbeitern um. Teilweise seien zudem wegen der bestehenden Quarantänebestimmungen ausländische Arbeitnehmer nicht aus ihrem Heimaturlaub zurückgekommen oder seien aufgrund der ansteigenden Corona-Infektionen hierzulande in ihre Heimatländer abgereist, sagte Harstick. Daher würde die Erlaubnis von Schlachtungen an Sonn- und Feiertagen kaum etwas bewirken.

Helfen würde es, wenn der Betrieb bei drei großen Schlachthöfen, die derzeit coronabedingt nur eingeschränkt tätig sind, wieder vollumfänglich möglich wäre. Das gilt für den Stammsitz des Branchenführers Tönnies im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück, für den ebenfalls zur Tönnies-Gruppe gehörenden Schlachthof Weidemark im emsländischen Sögel und für Vion in Emstek (Kreis Cloppenburg). Wenn all diese Betriebe wieder komplett am Netz wären, könnten pro Woche 100.000 bis 120.000 Tiere mehr geschlachtet werden, heißt es bei der ISN.

Bei Weidemark in Sögel liegt die Auslastung inzwischen eigenen Angaben zufolge wieder bei etwas mehr als 50 Prozent. Für Weidemark seien Ausnahmegenehmigungen für Sonn- und den Reformationstag am 31. Oktober beantragt. „Das Land Niedersachsen hat der Zerlegung, nicht aber der Schlachtung an Sonntagen auch zugestimmt“, sagte der Sprecher. Die Entwicklung der Corona-Infektionsfälle in diesem Schlachthof sei gut, daher sei das Unternehmen zuversichtlich, die Kapazitäten in Sögel in Absprache mit den Behörden Schritt für Schritt weiter steigern zu können.

Die Arbeit an Feiertagen wie jetzt am 31. Oktober sei in Niedersachsen aber nicht gestattet worden, hieß es von Tönnies. Das stößt auf Kritik der ISN als Lobby-Organisation der Schweinehalter. Das Beharren der niedersächsischen Landesregierung auf Beschränkungen beim Arbeitszeitrecht und beim Immissionschutz – wenn es etwa um Lkw-Fahrten zu und von den Schlachthöfen gehe – sei „scheinheilig“ und sehe so aus, als ob die Behörden die Ausnahmen gar nicht wollten.

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