Obwohl es erfreulich sei, dass bisher keine weiteren MKS-Fälle aufgetreten seien, hält Hauptgeschäftsführer Steffen Reiter vom Verband der Fleischwirtschaft (VDF) im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis eine Entwarnung noch nicht für sinnvoll. Er sagt: „Die ökonomischen Schäden, direkte und indirekte, sind schon jetzt immens. Sie könnten sich innerhalb eines Jahres auf mehr als 700 Millionen Euro belaufen.“ Dabei wirke sich insbesondere der fehlende Export nach Großbritannien aus, erläutert Reiter.
Offizielle Einfuhrverbote bisher in fünf Ländern
Steffen Reiter nennt Zahlen: Den Dezember nicht mitgerechnet, wurden 2024 Rind- und Schweinefleisch sowie Erzeugnisse und Nebenprodukte im Wert von 1,1 Milliarden Euro exportiert. Davon gingen allein in das Vereinigte Königreich Waren für 501 Millionen Euro. Schweinefleisch spielt hier eine dominierende Rolle: Großbritannien war bisher der größte Abnehmer außerhalb der Europäischen Union, also unter den Drittländern.
Doch Großbritannien ist bekanntlich nicht das einzige Land, das auf die MKS in der Bundesrepublik mit Einfuhrverboten für Fleisch reagiert hat. Die bundeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest bestätigt auf LP-Anfrage, dass neben Großbritannien Bosnien-Herzegowina, Peru, Südkorea und Uruguay entsprechende Verbote per Verordnung rechtssicher gemacht haben. Vietnam, Mexiko, Singapur und Kanada haben Exportverbote angekündigt.
Auch Milchwirtschaft rechnet mit weitreichenden Auswirkungen
Während die peruanische Behörden von Anfang an eine Aufhebung des Verbotes zum 15. April verfügt haben, halten sich andere Länder außerhalb der EU zum Zeitraum des Endpunktes bedeckter. Folgerichtig sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV): „Im realistischen Szenario eher sechs Monate“ werde es dauern, bis die Einfuhrsperren kein Thema mehr seien.
Nicht nur die Fleischbranche ist leidtragend. Detlef Latka, Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes (MIV), kalkuliert im Zusammenhang mit der Maul- und Klauenseuche mit „durchaus weitreichenden Auswirkungen auf den Export von Milchprodukten aus Deutschland“. Die positiven Aussichten für die hiesige Milchwirtschaft mit Blick auf 2025 hätten einen „kräftigen Dämpfer“ erhalten. Grund nach Verbandsangaben: Deutschland exportiere rund 50 Prozent seiner Milch und Milchprodukte. Von diesen 50 Prozent gingen etwa 18 Prozent in den direkten Export mit Drittländern außerhalb der EU.
Transportverbot in Berlin bis Montag verlängert
Unterdessen hat eine Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz mitgeteilt, dass zum Schutz vor der Maul- und Klauenseuche der Transport von gefährdeten Tierarten in Berlin verboten bleibt. Die entsprechenden Allgemeinverfügungen der Bezirke werden bis einschließlich 27. Januar verlängert.
Damit ist in Berlin weiterhin unter anderem der Transport von Rindern, Schafen, Ziegen und anderen Klauentieren, deren Körpern oder Körperteilen sowie Gülle von einem Betrieb in den anderen verboten.
In Brandenburg wurde das Transportverbot für Tiere bereits am vergangenen Samstag aufgehoben. Es gibt aber weiterhin eine Schutz- und Überwachungszone um den Ausbruchsort. Diese gilt, bis sie widerrufen wird.
Die Berliner Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg liegen nach Angaben der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz vollständig innerhalb der Überwachungszone.
Landesregierung prüft unterschiedliche Hilfen für Landwirte
Derweil prüft die Landesregierung in Brandenburg unterschiedliche Hilfen für betroffene landwirtschaftliche Betriebe. „Unter ressortübergreifender Abstimmung und unter direkter Beteiligung der Staatskanzlei wurden und werden verschiedene Modelle entwickelt und auf rechtssichere Durchführbarkeit überprüft“, sagte Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt (SPD) in einer Aktuellen Stunde im Landtag anlässlich der Agrarmesse Grüne Woche.
Die Koalition setzt nach dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche als oberste Priorität auf die gezielte Bekämpfung und Eindämmung, wie es in einem Entschließungsantrag von SPD und BSW heißt, der eine Mehrheit im Landtag fand: „Bereits jetzt sind die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Landwirte und die Ernährungswirtschaft schwerwiegend.“
Ministerpräsident Woidke sieht weiterhin angespannte Situation
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte bei einem Besuch der Grünen Woche in Berlin Beratungen mit dem Bund über Hilfen für Landwirte angekündigt. Er hatte von einer weiter angespannten Situation gesprochen. Alle Möglichkeiten würden geprüft, um betroffenen Landwirten zu helfen.
Am 10. Januar war bekanntgeworden, dass die Maul- und Klauenseuche erstmals seit mehr als 35 Jahren in Deutschland ausgebrochen ist. Die für Tiere hoch ansteckende Viruserkrankung wurde bei einer Wasserbüffel-Herde in Hönow im Landkreis Märkisch-Oderland entdeckt. Seitdem gab es bisher keinen weiteren bestätigten Fall.