Der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das deutsche Lieferkettengesetz für rund zwei Jahren auszusetzen, hat einen neuen Koalitionskrach ausgelöst. Der Koalitionspartner SPD weist die überraschende Initiative zurück, die FDP unterstützt sie. Wirtschaftsverbände hatten vor Nachteilen im Wettbewerb mit Unternehmen aus anderen Ländern gewarnt und deshalb weniger strenge Regeln für die Lieferketten gefordert.
Hintergrund ist, dass das deutsche Lieferkettengesetz bereits in Kraft ist, eine vergleichbare EU-Richtlinie aber erst noch in nationales Recht übertragen werden muss. Die EU-Staaten haben dafür nun gut zwei Jahre Zeit. Ziel des EU-Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Einer der größten Unterschiede zwischen dem deutschen Gesetz und der EU-Richtlinie ist die Haftbarkeit. Im deutschen Gesetz ist ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind - die EU-Regelung lässt das zu.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lehnte Habecks Vorschlag ab, das deutsche Gesetz auszusetzen. Der Minister habe mit entsprechenden Äußerungen „langjährigen Bemühungen um eine an Menschenrechten und fairen Löhnen orientierte und gegen Ausbeutung gerichtete Wirtschaftspolitik einen Bärendienst erwiesen“, sagte Mützenich in einer Stellungnahme vom Samstag in Berlin. Er nannte es „gewohnte Praxis, nationale Regelungen an EU-Recht anzupassen. Bis dahin bleibt es aber beim gültigen Gesetz. Die SPD-Fraktion wird sich nicht an einer pauschalen Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes beteiligen.“
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zeigte sich erfreut. „Nach der neuen Bewertung des Kollegen Robert Habeck sind wir nun auf einer Linie. Es wäre ein Baustein der Wirtschaftswende, wenn wir das Lieferkettengesetz (der GroKo) aufheben und die neue EU-Richtlinie später in schlanker Form umsetzen“, schrieb Lindner.
Ähnlich fiel die Reaktion der Arbeitgeber aus. „Es ist überfällig, das deutsche Lieferkettengesetz jetzt aufzuheben und die europäische Richtlinie nur in schlanker Form umzusetzen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgebervereinigung BDA, Steffen Kampeter. „Mit der Aussetzung würden wir die dringend benötige Atempause für die deutsche Wirtschaft schaffen. Jetzt muss der Arbeitsminister schnell handeln.“ Federführend ist das Bundesarbeitsministerium mit Hubertus Heil (SPD) an der Spitze. Heil hat sich noch nicht geäußert.
Der Grünen-Politiker Habeck hatte seinen Vorschlag am Freitag auf dem Tag des Familienunternehmens gemacht. Habeck sagte anschließend der dpa, bei der Anpassung des EU-Rechts an deutsches Recht solle man pragmatisch vorgehen. „Deshalb habe ich vorgeschlagen, das deutsche Lieferkettengesetz, solange bis das EU-Recht umgesetzt ist, zu pausieren beziehungsweise deutlich zu reduzieren. Der Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards wird nur dann erfolgreich sein, wenn Vorgaben auch bei den Unternehmen Akzeptanz finden.“