Dach-Teileinsturz in Ratzeburg Wie sicher ist diese Supermarkt-Bauweise?

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Kürzlich stürzte im schleswig-holsteinischen Ratzeburg das Dach eines Supermarktes von Netto Marken-Discount teilweise ein. Seitdem wird wieder intensiver über Dachkonstruktionen mit Nagelplattenbindern gesprochen. Fachleute fordern Wachsamkeit.

Dienstag, 06. August 2024, 14:45 Uhr
Thomas Klaus
Artikelbild Wie sicher ist diese Supermarkt-Bauweise?
Bildquelle: picture alliance/ABB foto

Der teilweise Dacheinsturz bei einem Supermarkt von Netto Marken-Discount im Juli in Ratzeburg in Schleswig-Holstein hat die öffentliche Diskussion über Dachkonstruktionen mit Nagelplattenbindern wieder aufleben lassen.

Das ist deshalb wohl nicht verwunderlich, weil überraschende Dacheinstürze bei Supermärkten wie in Ratzeburg in Deutschland keine absolute Ausnahme sind. 

In den vergangenen 20 Jahren gab es mehrere besonders schwerwiegende Vorfälle. Im April 2004 stürzte das Dach einer Kaufland-Filiale im niedersächsischen Bückeburg ein. Rund 120 Kunden und Mitarbeiter erlebten diese Beinahe-Katastrophe mit. Im Dezember 2005 traf es einen Plus-Markt in Duisburg, zwei Monate später eine Netto-Niederlassung im oberbayrischen Töging am Inn. Im Juli 2009 wurde ein Rewe-Markt in Falkensee bei Berlin verwüstet, im Juli 2017 ein Aldi-Standort in Laatzen bei Hannover. Noch folgenschwerer war ein Dacheinsturz bei einem türkischen Supermarkt im November 2010: 15 Personen wurden zum Teil schwer verletzt.

In diesen und ähnlichen Fällen im In- und Ausland hing es stets von Zufällen ab, zu welcher Uhrzeit die Dächer ihre Funktion aufgaben. Tote waren in der Bundesrepublik bisher nicht zu beklagen – auch das ein Zufall, wie im November 2013 der Einsturz eines Supermarkt-Daches in der lettischen Hauptstadt Riga zeigte: 54 Menschen kamen ums Leben.

Nach LP-Informationen waren es bei den Einstürzen im Supermarkt-Bereich in vielen Fällen Dachkonstruktionen mit Nagelplattenbindern, die den Geist aufgaben. Solche Dachkonstruktionen der leichten Bauweise haben sich auch bei Supermärkten vieltausendfach bewährt und müssen  vor der Eröffnung von den Baubehörden genehmigt werden. Allerdings: Bereits kleinere Veränderungen an der ursprünglichen Konstruktion wie zum Beispiel eingerissene Holzbalken oder abgerissene Bolzen haben leicht größere Folgen.

Bei den Feuerwehrkräften sind Dachkonstruktionen mit Nagelplattenbindern unbeliebt. Jan Helm, Gruppenführer und Dezernatsleiter für Spezialausbildung beim Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen, weiß aus seiner langjährigen Erfahrung: „Bei einem Brand kommt es fast immer zu einem Totaleinsturz in wenigen Minuten – und das bis höchstens 20 Minuten nach dem Ausbruch.“ Die Feuerwehr sei dabei nahezu machtlos.

Für die Zeit von November 2000 bis Juli 2009 hat Helm 28 Fälle von Dacheinstürzen bei Supermärkten im Zuge von Bränden erfasst. Das ist zwar lange her, aber trotzdem aussagekräftig. Diese Zahlen belegen zusätzlich, dass es keine schlechte Idee sein kann, wenn Dachkonstruktionen mit Nagelplattenbindern stets im Auge behalten und überprüft werden. Eine solche Vorgehensweise wird unter anderem von den Bauministern der Länder empfohlen.

LP-Anfragen ergaben: Rewe, Penny, Aldi Nord und Aldi Süd, Lidl, Norma und Tegut checken die Dächer regelmäßig; Globus verzichtet seit eh und je auf diese Dachkonstruktionen. „Wir lassen in regelmäßigen Abständen Gebäudeprüfungen durch einen Sachkundigen nach den Regeln des Vereins Deutscher Ingenieure durchführen“, ergänzt Jürgen Backes, Leiter Bauwesen.

Rewe-Sprecher Andreas Krämer erklärt: „Bei Eigenobjekten haben wir klare Regelungen, die neben dem weitestgehenden Verzicht auf Nagelplattenbinder-Konstruktionen klare Intervalle für die Überprüfung der Konstruktion vorweisen.“ Aldi-Nord-Sprecherin Nadine Aniol betont, ihr Unternehmen setze bei Neubauten freistehender Märkte verstärkt auf die Holzbauweise: „Eine Konstruktion aus Nagelplattenbindern wird beim Neubau von unseren Märkten nicht mehr eingesetzt.“   Sprecherin Carolin Sunderhaus von Aldi Süd bestätigt regelmäßige Kontrollen gemeinsam mit externen Fachexperten, „und das unabhängig von der Filialbauweise“. Lidl-Sprecherin Valerie Heck führt aus, dass bei dem Discounter mehrstufige Sicherheitskontrollen üblich seien. Heck weiter: „Bei den Prozessen haben wir uns interne Standards gesetzt, die weit über die gesetzlichen Vorschriften hinaus gehen.“ 

Netto Marken-Discount äußerte sich trotz mehrerer Nachfragen nicht zu baulichen Sicherheitsmaßnahmen und deren Einzelheiten.

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