Die Verbraucher in Deutschland müssen sich auf eine wieder deutlichere Teuerung einstellen. Nachdem der Rückgang der Inflationsrate im April bei 2,2 Prozent zum Stillstand gekommen ist, rechnen Volkswirte in den kommenden Monaten mit einem stärkeren Preisdruck. Viele Unternehmen planen Preiserhöhungen, etwa in der Gastronomie oder bei Drogerien. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erläutert: „Wegen der stark steigenden Löhne dürften die Verbraucherpreise in den kommenden Monaten weiter schneller steigen als mit dem EZB-Ziel von zwei Prozent vereinbar. Für eine Entwarnung an der Inflationsfront ist es zu früh.“
Seit Jahresbeginn bis einschließlich März hatte sich die Inflation in Deutschland kontinuierlich abgeschwächt. Am Dienstag bestätigte das Statistische Bundesamt seine vorläufigen Berechnungen, wonach die Inflationsrate im April wie im März bei 2,2 Prozent lag. Von März auf April 2024 stiegen die Verbraucherpreise hierzulande um 0,5 Prozent. Auch hier bestätigten die Wiesbadener Statistiker ihre Ende April veröffentlichten vorläufigen Ergebnisse.
Für Nahrungsmittel mussten die Verbraucher nach Angaben des Bundesamtes im April 0,5 Prozent mehr bezahlen als ein Jahr zuvor; im März waren die Nahrungsmittelpreise im Jahresvergleich noch um 0,7 Prozent gesunken. Während frisches Gemüse (minus 8,8 Prozent) und Molkereiprodukte (minus 5,4 Prozent) im April billiger waren als vor einem Jahr, stiegen die Preise beispielsweise für Süßwaren (plus 8,3 Prozent), Speiseöle (plus 7,4 Prozent), Obst (plus 4,4 Prozent), Fleisch (plus 2,2 Prozent) und Brot (plus 2,1 Prozent). Zudem mussten die Menschen beim Besuch von Gaststätten tiefer in die Tasche greifen als im Vorjahresmonat (plus 7,0 Prozent).
Auch die Energiepreise könnten in den nächsten Monaten steigen. Denn seit dem 1. April gilt für Erdgas und Fernwärme wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 war der ermäßigte Satz von 7 Prozent fällig. Damit wollte die Politik für Entlastung sorgen, nachdem der russische Krieg gegen die Ukraine die Energie drastisch verteuert hatte.
Immerhin: Die extrem hohen Inflationsraten der vergangenen beiden Jahre sind Geschichte. Rechnet man die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel heraus, ergibt sich für April den Berechnungen des Bundesamtes zufolge eine Kerninflation von 3,0 Prozent nach 3,3 Prozent im März 2024 sowie 3,4 Prozent im Januar und Februar.
Die weitere Beruhigung bei der Kernrate in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland dürfte nach Einschätzung von Ökonomen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) darin bestärken, im Juni eine Zinssenkung zu beschließen. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Angesichts der schwächelnden Konjunktur hatten sich in den vergangenen Monaten Forderungen gemehrt, die Zinsen nach der beispiellosen Serie von Erhöhungen im Kampf gegen die zeitweise extrem hohe Inflation wieder zu senken.
Für Deutschland erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute im Jahresschnitt 2024 eine deutliche Abschwächung der Inflation auf 2,3 Prozent nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr. Das könnte auch den privaten Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur ankurbeln. Denn höhere Teuerungsrate schwächen die Kaufkraft der Menschen.