Maul- und Klauenseuche Lebensmittelbranche rechnet zum Teil mit sehr hohen Schäden

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Vier Tage nach dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) in Brandenburg wird weiter über die möglichen Folgen und erforderlichen Konsequenzen  diskutiert. Besonders im Zentrum steht die Frage, wie sich die Preise und die Exportsituation entwickeln.

Dienstag, 14. Januar 2025, 13:41 Uhr
Thomas Klaus (mit dpa)
MKS-Situation: Junge Frau im Stall mit Kühen.
Die Maul- und Klauenseuche ist für Menschen nach aktuellen Erkenntnissen ungefährlich - aber für die Wirtschaft eine Belastungsprobe. Bildquelle: Getty Images

Die Maul- und Klauenseuche, die zurück in Deutschland ist, bleibt ein wichtiges Diskussionsthema in der Agrar- und Ernährungswirtschaft.

Nach dem gestrigen Gespräch mit Vertretern der Agrar- und Ernährungswirtschaft, das im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stattfand, hat Minister Cem Özdemir Klarheit über den Verbreitungsgrad als „höchste Priorität“ bezeichnet.

Staatliche Finanzhilfen bisher nicht geplant

Die Sorgen der Branche nehme er „sehr ernst“, so der Grünen-Politiker. Er stellte klar: „Im EU-Binnenmarkt ist der Handel aus MKS-freien Gebieten in Deutschland weiter möglich – die so genannte Regionalisierung. Beim Handel mit Drittstaaten setzen wir alles daran, rasch wieder den Export in möglichst viele Märkte zu ermöglichen.“ Deshalb sei der Kontakt zu den Handelspartnern gesucht worden. Das Ministerium setze sich für Einschränkungen der Sperren sowie das Berücksichtigen von sicheren Verarbeitungsmethoden und des Regionalisierungsprinzips ein. „Dafür will ich auch die Gespräche mit meinen Amtskolleginnen und Amtskollegen beim Global Forum for Food and Agriculture vom 15. bis 18. Januar nutzen“, versicherte Özdemir.

Staatliche Finanzhilfen für die Landwirtschaft sind nach Ministeriumsangaben bisher nicht geplant. Landwirte, deren Tiere aus Seuchenabwehr-Gründen getötet werden müssen, bekommen die Kosten von der Tierseuchenkasse erstattet.

Fleischwirtschaft: Drohendes Umsatzminus von halber Milliarde Euro

Die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen für die Betriebe seien noch unklar, sagte ein Ministeriumssprecher nach der Gesprächsrunde. Bei Drittstaaten, mit denen der Handel über Zertifikate stattfinde, gebe es noch keinen genauen Überblick. Neben Südkorea reagierten bislang auch Großbritannien, Mexiko, Kanada und die Niederlande auf den Ausbruch. Analog zu Südkorea stoppte Mexiko die Schweinefleischimporte, während in den Niederlanden ein landesweites Transportverbot für Kälber verhängt wurde. Großbritannien hat heute ein Importverbot für Huftiere aus Deutscland vrfügt, dessen frisches Fleisch eingeschlossen.

Vom Verband der Fleischwirtschaft hieß es nach dem Austausch im Ministerium, dass kurzfristig ein Umsatzverlust von einer halben Milliarde Euro drohe. Voraussichtlich werde der MKS-Ausbruch noch in dieser Woche den Schweinepreis abstürzen lassen.

Lebensmittelverband: Sehr hohe Schäden erwartbar

Der Lebensmittelverband Deutschland erklärte gegenüber der Lebensmittel Praxis: „Die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Produzenten von Lebensmitteln tierischer Herkunft wie zum Beispiel Schweine- und Rindfleisch sowie von Milch sind aktuell noch nicht abzuschätzen. Sie dürften aber aufgrund der bereits jetzt ausgesprochenen Einfuhrverbote für tierische Produkte von mehreren Drittländern absehbar drastisch werden und sehr hohe wirtschaftliche Schäden für die betroffenen Branchen hervorrufen.“ 

Einzelhandelsverband ist (noch) gelassen

Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Berlin-Brandenburg, sieht die Situation zurzeit noch gelassen. Die Auswirkungen des Ausbruches der Maul- und Klauenseuche seien in der Branche bisher noch kein Thema, sagte er der Berliner Zeitung „Kurier“.

Hintergrund: Das Landwirtschaftsministerium in Brandenburg hat ein Verbot von Tiertransporten mit Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen sowie von deren Körpern und Körperteilen erlassen. Es gilt bis einschließlich 16. Januar. Die Berliner Bezirke haben sich angeschlossen.

Demzufolge dürfen Lkw mit geschlachteten Tieren vorläufig nicht mehr verkehren. Fleischbetriebe bekommen dann keine zu verarbeitende Ware, aus der sich Steaks, Schnitzel und Wurstprodukte für den Handel gewinnen lassen. Supermärkte müssten sich verpackte Produkte aus anderen Regionen beschaffen. Das könnte zu Preissteigerungen führen, sofern die Maul- und Klauenseuche nicht eingedämmt werden kann.

Bauernpräsident: Kein weiterer MKS-Fall festgestellt

Brandenburgs Bauernpräsident Henrik Wendorff hob im rbb24 Inforadio hervor, dass die Untersuchungen der Tiere in der Schutzzone nach dem Ausbruch der MKS fast abgeschlossen seien. Es sei kein weiterer Fall der MKS festgestellt worden. Deshalb sei es jetzt wichtig, dass die Betriebe außerhalb der Schutzzone wieder ohne Einschränkung ihre Produkte verkaufen könnten.

Deutscher Bauernverband gegen Notimpfungen

Eine Notimpfung, wie sie zurzeit als Maßnahme gegen die MKS diskutiert wird, sehen Interessenvertreter der Landwirtschaft eher kritisch. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, lehnt einen solchen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt ab. Seine Begründung: „Wir haben noch nicht die Größenordnung des Geschehens, die eine Notimpfung erfordert.“ Krüsken weiter: „Wenn wir mit der Impfung anfangen, dann verlieren wir einen klaren Blick darauf, wo der Erreger unterwegs ist.“

Bei der Notimpfung werden in einem bestimmten Umkreis um die Ausbruchsstelle herum die Tiere geimpft. Allerdings müssten alle geimpften Tiere im Anschluss ebenfalls getötet werden, weil sich handelspolitisch das Gebot der Seuchenfreiheit und die erfolgte Impfung nicht vereinbaren lassen. „Geimpfte Tiere sind diagnostisch nicht zu unterscheiden von infizierten Tieren“, so Krüsken.

Die Notimpfung sei kein Instrument, um die Krankheit auszukurieren, sondern lediglich zur Seuchenbekämpfung. „Daher ist das ein Instrument, das nur dann zum Einsatz kommen kann, wenn das Geschehen etwas größer ist, wenn man also keine andere Wahl mehr hat, den Ausbruch einzudämmen“, betont der DBV-Generalsekretär.

Krüsken: Ausbruch vermutlich schon länger her

Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche war am vergangenen Freitag auf einem Büffel-Betrieb in Hönow bei Berlin festgestellt worden. Krüsken geht davon aus, dass die Tiere dort schon deutlich länger infiziert waren. „Wir haben ja jetzt gelernt, dass die Tiere auf dem Betrieb in Hönow schon Antikörper gebildet hatten“, sagt er. „Das deutet darauf hin, dass der Ausbruch nicht erst seit der letzten Woche unterwegs ist, sondern schon zwischen den Feiertagen angefangen hat.“

Die Veterinärämter müssten deshalb nun sämtliche Kontakte, die der Hof in den vergangenen zwei bis drei Wochen hatte, überprüfen. „Je schneller und je konsequenter man das jetzt abräumt, desto geringer ist die Gefahr, dass dieses Thema eskaliert“, betont der Generalsekretär.

Freie Bauern rufen zur Besonnenheit auf

Ähnlich wie der Deutsche Bauernverband positionieren sich die Freien Bauer Brandenburg zum Thema der Bekämpfungsstrategien. Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Paulsen ruft zur Besonnenheit auf.

Er argumentiert: „Gerade in unserem vieharmen Bundesland bestehen gute Chancen, die hoch ansteckende, aber im Regelfall nicht tödliche Krankheit in Griff zu bekommen.“ Der Milchviehhalter aus dem uckermärkischen Zollchow fügt hinzu: „Die massiven Gegenmaßnahmen sind daher gerechtfertigt und aussichtsreich. Allerdings müssen wir aufpassen, dabei nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten.“ Für eine effektive Eindämmung der Seuche erforderlich sei in den Sperrzonen eine Konzentration der Tiere in Ställen oder Pferchen, deren intensive Überwachung in enger Zusammenarbeit mit den Tierhaltern sowie ein Transportverbot.

Tötungen vernichten Zuchtarbeit aus Jahrzehnten

Die in einigen Fällen bereits amtlich angeordnete vorbeugende Tötung gesunder Tieren hingegen sei „ethisch immer ein Grenzfall“ und bedrohe bäuerliche Existenzen, gibt Paulsen zu bedenken: „Wenn ausgerechnet diejenigen, die uns sonst haarklein vorschreiben, wie wir angebliches Tierwohl verwirklichen sollen, ohne zwingende epidemiologische Notwendigkeit Tiere umbringen lassen, erwidern wir: So geht man nach unserem Verständnis nicht mit Tieren um und das ist auch nicht im Interesse der Landwirtschaft.“

Die bundesweit gültige MKS-Verordnung gebe den Behörden einen Ermessensspielraum, wie mit den im Sperrgebiet liegenden Tierbeständen zu verfahren sei, legen die Freen Bauern dar. Diesen sollte die brandenburgische Landesregierung konsequent zugunsten der tierhaltenden Betriebe nutzen, wünscht sich Paulsen: „Oftmals wird mit diesen Tötungen die Zuchtarbeit der Bauern aus Jahrzehnten ausgelöscht.“

Deutschland galt seit 1988 als MKS-frei

Der Schlüssel zu einer volkswirtschaftlich und ethisch vertretbaren Seuchenbekämpfung liege deshalb in der Isolierung und Beobachtung der betroffenen Tierbestände, meint Paulsen. Diese sei zwar arbeitsintensiv, aber angesichts der Bedrohung durch die Maul- und Klauenseuche angemessen. Schließlich handele es sich um einen vorübergehenden Aufwand, der zudem im Vergleich zur Tötung das mildere Mittel darstelle.

Die Maul- und Klauenseuche ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung bei Klauentieren. Vor allem Rindern, Schafe, Ziegen und Schweine sind betroffen. Aber auch zahlreiche Zoo- und Wildtierarten können erkranken.

Deutschland galt seit dem Jahr 1988 als frei von der Maul- und Klauenseuche. Doch am Freitag wurde bei Büffeln auf einem Hof im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland MKS nachgewiesen. Seitdem ist die Verunsicherung in der Agrar- und Ernährungsbranche groß.

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