Molkereibranche Milchindustrie hat viele Baustellen

Hohe Energiekosten und Tarifabschlüsse, regional und saisonal schwankende Milchpreise im Einkauf sowie demnächst eine bis zu 80 Prozent höhere Maut: MIV-Vorsitzender Peter Stahl (Foto) setzt auf die eigenen Stärken der Milchindustrie, fordert die Politik aber dringend zum Handeln auf.

Montag, 23. Oktober 2023 - Hersteller
Lebensmittel Praxis
Artikelbild Milchindustrie hat viele Baustellen
Bildquelle: Photostudio Weimann

Der Pro-Kopf-Verbrauch 2022 entwickelte sich je nach Milchprodukt unterschiedlich: Bei Konsummilch ging der Verbrauch in den letzten Jahren um 10 Prozent zurück, nur die Weidemilch konnte deutlich punkten, meldet der Milchindustrie-Verband (MIV) nach seiner Jahrestagung in Salzburg. Die „vegane Welle“ spürt nicht zuletzt der Konsummilchmarkt: Hafergetränke und Co erreichen derzeit einen Anteil von etwa 10 Prozent der gekauften Menge der Originalmilch, allerdings würden hier bei weitem nicht mehr Wachstumsraten wie in den Vorjahren erzielt, so der MIV. Der Butterkonsum sank aufgrund der Rekordpreise von zeitweise deutlich über zwei Euro auf 5,4 Kilogramm je Kopf, wobei Margarine davon nicht profitieren kann.

Der Käsekonsum stieg im Rückblick der letzten zehn Jahre um 7 Prozent – bei einer Rekordproduktion von 2,63 Millionen Tonnen Käse in Deutschland. Die Käseproduktion bleibt 2023 auf sehr hohem Niveau und stärkt damit den Umsatz der Branche, Alternativprodukte spielen mengenmäßig eine untergeordnete Rolle. Der Branchenumsatz lag 2022 in der Gesamtheit bei 36,8 Milliarden Euro, allerdings sind die Kosten der Verarbeitung sehr deutlich gestiegen. Die Branche ist mittelständisch geprägt und bietet 40.000 Mitarbeitern gerade im ländlichen Raum eine Beschäftigung.

Deutschland werde im Bundesschnitt einen Milchpreis von ca. 45 Cent/kg Rohmilch für das Jahr 2023 erreichen, erklärt der MIV. Für die deutschen Milcherzeuger wäre dies der zweithöchste Milchpreis, der in den letzten Jahrzehnten jemals gezahlt worden ist, auch wenn im Vergleich zum Rekordjahr 2022 ein deutlicher Rückgang um 15 Prozent zu erwarten ist. Trotz der gesunkenen Verwertungen lag der Auszahlungspreis in Deutschland im Bundesschnitt im Juli 2023 um knapp 5 Cent/kg über seinem Zehn-Jahresschnitt. Allerdings stellt sich die Situation regional sehr unterschiedlich dar: Im Norden Deutschlands sind im Jahr 2022 die Milchpreise früh und am stärksten gestiegen und gleichfalls 2023 wieder vor dem Süden gesunken. Mit einer Spreizung von 8,4 Cent/kg waren die Unterschiede zwischen den Bundesländern mit dem höchsten und niedrigsten Preis so groß wie nie zuvor.

Der MIV-Vorsitzende Peter Stahl sieht die Branche dennoch gut aufgestellt, aber die Politik in der Pflicht: „Die Menschen können sich auf die Milchwirtschaft verlassen. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten liefern die Molkereien erstklassige Produkte. Aktuell erleben die Verbandsmitglieder weiterhin hohe Produktionskosten – die gestiegenen Energiepreise sind eine der Hauptursachen dafür. Das setzt die heimische Milch unter Druck und die Branche ist darauf angewiesen, dass die Bundesregierung jetzt an geeigneten Rahmenbedingungen arbeitet, um dem Wirtschaftsstandort Deutschland Rückenwind zu verleihen.“ Die MIV-Mitglieder stünden für Produktvielfalt und die Innovationsfähigkeit einer mittelständisch geprägten Branche – das sei ein großer Wert für den Verbraucher. „Die aktuelle Überregulierung bedroht diese Vielfalt; hier muss die Politik aus unserer Sicht dringend gegensteuern“, erläutert der MIV-Vorsitzende.

Die auf Molkereiseite gestiegenen Kosten unter anderem für Energie, hohe Tarifabschlüsse und der bald um bis zu 80 Prozent steigenden Lkw-Maut werden sich in den Produktpreisen wiederfinden müssen, hieß es auf der Pressekonferenz am Freitag. Milchprodukte seien aus Sicht des MIV kein Inflationstreiber – die Preise entspräche den Dynamiken der heimischen und internationalen Märkte. Aktuell sei weiterhin festzustellen, dass der Produktpreis für den Verbraucher einen besonders hohen Stellenwert in seiner Kaufentscheidung hat und günstige Produkte bevorzugt werden. Politische Vorgaben wie die Forderung nach 30 Prozent Öko-Landbau seien vor diesem Hintergrund schwierig umzusetzen.

Mit der Kennzeichnung zum Tierwohl über QM+ und Haltungsform.de habe man wirtschaftsseitig bereits eine Initiative gestartet. Jetzt stünden die teilnehmenden Betriebe in einem Dilemma: Das staatliche System wird über das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz auch für den Milchbereich zeitversetzt kommen, ohne in die bereits bestehenden Haltungskennzeichnungen integrierbar zu sein. Vielen Betrieben fehle daher eine verlässige Perspektive. Investitionen in Stallbau und Tierhaltung würden nicht getätigt, obwohl sie dringend geboten wären, beispielsweise mit Blick auf die in Süddeutschland noch verbreitete Anbindehaltung. „Deutschland ist ein Gunststandort, um Milch zu produzieren. Wir sollten dieses Potenzial nutzen und durch kluge Entscheidungen den Milchsektor stärken. Unser gemeinsames Ziel ist eine ressourcenschonende Nutzung pflanzlicher Rohstoffe durch unsere Kühe. Die Molkereien stehen weiterhin bereit, um die Menschen mit leckeren Milchprodukten bei einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu unterstützen“, sagte MIV-Vorsitzender Peter Stahl.

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