Die Mittelfristplanung ist passé“, konstatiert Rotkäppchen-Mumm-Chef Christof Queisser. Die aktuelle Krisendichte fordere den Schaumweinhersteller aus Freyburg (Unstrut) wie jeden anderen Produzenten von Konsumgütern. Beispiel europäische Weinernte: „Früher folgten auf ein schlechtes Jahr in der Regel vier gute Jahrgänge. Das ist heute nicht mehr so.“ Die Liste ließe sich lang fortführen. Energiekrise, ausufernde Bürokratie („sind froh, wenn es nicht mehr wird“) sowie die erhöhte Maut, die dem Sekthersteller bei der Logistik Mehrkosten in Millionenhöhe brachte. „Aber lamentieren bringt nichts, man braucht das richtige Rezept“, so Queisser bei der Vorstellung der Rotkäppchen-Mumm-Jahreszahlen.
Dass dies teilweise gelungen scheint, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Segments Schaumwein. Das Kernsegment wuchs um 9 Prozent auf 636 Millionen Euro. Wachstumsfelder seien mehr Käufe in Premium-Qualität, alkoholfreie Produkte, die Gastronomie sowie der Onlinehandel. Hier engagiert sich Rotkäppchen-Mumm unter anderem mit dem KI-gestützten Shop „Club of Wine“.
Im stationären Lebensmitteleinzelhandel dürfte die Preiserhöhung der Hauptmarke Rotkäppchen geholfen haben. Rotkäppchen-Mumm hatte nach einer langen Phase der Preisstabilität die UVP für den Sekt von 3,99 Euro auf 4,99 Euro angehoben. „Wir haben seitens der Verbraucher deutlich mehr Zurückhaltung erwartet, aber die Marke entwickelt sich stark, und es gibt keine Hinwendung zum Preiseinstieg“, so Queisser. Die Verbraucher verstünden die Situation und gingen mit, „wenn man es nicht übertreibt“. Der Aktionsanteil liegt bei Sekt in der Regel sehr hoch, habe sich aber im vergangenen Jahr mit 70 Prozent kaum verändert (Circana, LEH inkl. C&C und GAM, exklusive HD). Für das laufende Jahr schloss der Rotkäppchen-Mumm-Geschäftsführer Preiserhöhungen aus. Ebenso wolle er sich nicht an der Praxis der „Mogelpackungen“, also kleinere Gebinde für den gleichen Preis, beteiligen.
Licht und Schatten beim Wein
Beim Wein sieht es indes anders aus. Um 4 Prozent gingen die Erlöse auf 250 Millionen Euro zurück. Der Primitivo Doppio Passo bleibe zwar mit einem Umsatz-Marktanteil von 15 Pro-
zent die unangefochtene Nummer eins unter den Markenweinen (Circana, LEH+DM+GAM+C&C).
Fest steht aber auch, dass die goldenen Weinjahre der Coronapandemie vorbei sind und eine Kaufzurückhaltung insbesondere im Premiumsegment herrscht. Optimistisch stimmen Queisser der hohe Anteil an Markenweinen im Regal (25 Prozent), der leicht gestiegene durchschnittliche Regalpreis sowie die Chance, dass sich der alkoholfreie Trend auch bei Wein durchsetzen könnte. Mit einem zweiten alkoholfreien Doppio Passo als Weißwein will man das Fachpublikum auf der anstehenden Fachmesse Prowein überzeugen.
Für Wein bleibe aber auf absehbare Zeit das Credo: Onlinehandel und Gastronomie-Geschäft werden wichtiger. Insgesamt ist der Weinmarkt in Deutschland durch eine Konsumflaute bei Rotwein geprägt. Die Herkunftsländer Italien und Spanien punkten, wohingegen Deutschland und Frankreich verlieren.
Abschied von Spirituosen
Das Spirituosengeschäft ging um 3 Prozent auf 387 Millionen Euro zurück. Eine Herausforderung sei es gewesen, den energieintensiven Herstellungsprozess bei steigenden Kosten zu gewährleisten. Einige Preiseinstiegsprodukte von Nordbrand Nordhausen wurden daher aus dem Sortiment genommen, da man „keine Kompromisse bei der Qualität machen wollte“. Insgesamt entwickle sich der Spirituosenmarkt stabil mit einem Trend hin zu leichteren Getränken. Alkoholfreie Produkte hingegen hätten sich bisher nicht nennenswert etabliert. Rotkäppchen-Mumm hat über die Berliner Bärensiegel GmbH selbst einen alkoholfreien Gin im Portfolio.
Es wird investiert
Trotz der Herausforderungen will Rotkäppchen-Mumm weiter investieren. „Mit zukunftsorientierten Investitionen in unsere Marken, in Digitalisierung und in unsere Produktionsstätten stärken wir weiter unsere Marktposition“, betont Frank Albers, Geschäftsführer Finanzen. Auf Produktebene setzte man zuletzt auf den neuen Aperitivo Canonita (aus Mallorcas führender Destillerie Antonio Nadal) sowie neue Varianten für Eckes Edle Liköre, Doppio Passo und Rotkäppchen Fruchtsecco.