Der allgemeine Trend bei der Umsatzentwicklung der Top-30-Handelsunternehmen ist positiv. Allerdings ist das stark inflationsgetrieben. Das zeigen die jüngsten Zahlen der Marktforscher von NIQ Tradedimensions. Bei den Marktanteilen haben Edeka und Rewe sogar leichte Verluste, auch wenn sie im Umsatz zulegten. Dass die Verbraucher auf die Inflation reagieren, zeigt die Entwicklung von Aldi Süd und Nord sowie der Schwarz-Gruppe mit leichten Marktanteilsgewinnen und deutlichen Umsatzzuwächsen. Die vier Großen machen 76 Prozent Marktanteil unter den Top 30 aus.
Die Zahlen von NIQ Tradedimensions zeigen ein Plus von 6,7 Prozent beim Edeka-Gruppen-Umsatz, ein sechsprozentiges Umsatzplus bei der Rewe-Gruppe sowie 9,4 beziehungsweise 8,2 Prozent Umsatzplus bei Aldi und der Schwarz-Gruppe. Echte Verlierer gibt es im gesamten Ranking kaum, sieht man mal von der „Rest-Real“ ab, die nun endgültig aus der Liste verschwinden wird. Was deutlich wird: Die restlichen 26 Unternehmen in der Top-30-Liste von NIQ Tradedimensions atomisieren sich schnell in minimalen Marktanteilen, was aber nicht negativ sein muss. Darunter sind auch noch einige, die direkt oder indirekt mit Edeka oder Rewe verbandelt sind.
Natürlich hat diese Konzentration auf wenige Händler – auch wenn diese das anders sehen – Auswirkungen sowohl auf den Handel selbst als auch auf die Hersteller von Lebensmitteln. Ein dominierender Marktanteil verleiht den marktführenden Unternehmen nun mal Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten. Und die Chance, günstigere Einkaufspreise zu erzielen, wird sich niemand entgehen lassen. Kleinere Lebensmittelhändler und regionale Märkte verlieren national schlicht an Bedeutung. In der Region kann das naturgemäß anders aussehen. Logischerweise sind die Lebensmittelhersteller dann darauf angewiesen, bei den großen Einzelhändlern gelistet zu sein, um ihre Produkte an den Endverbraucher zu bringen. Die Verhandlungsposition der Hersteller wird dadurch nicht unbedingt besser. Nur die großen zahlungskräftigen Konzerne und starke Marken kommen hier besser durch. Dennoch: Der Preisdruck auf die Hersteller steigt. Wenn Hersteller Zugeständnisse machen und ihre Margen reduzieren (müssen), hemmt das Investitio-nen. Die Folge: Innovationen werden weniger, die Sortimente werden „langweiliger“.
Darauf haben Händler natürlich ihre Antworten – eine davon ist die verstärkte Eigenproduktion, neudeutsch vertikale Expansion. Händler übernehmen also Herstellerunternehmen und sichern sich so den Zugriff auf die Wertschöpfungskette. Eine andere ist die verstärkte Aufnahme von Handels- oder Eigenmarken ins Sortiment. Zum Teil wird dann hier auch die Innovationsfunktion übernommen.
Aber es geht noch weiter: Digitalisierung wird den Lebensmittelhandel weiter verändern. Neue Vertriebskanäle wie die autonomen Läden, Onlineplattformen und Direktvermarktung werden die Verhältnisse zwischen Handel und Herstellern ebenfalls beeinflussen. Genauso natürlich wie die Entwicklungen im Verbraucherbereich. Hier wird zum Beispiel stärker auf nachhaltig produzierte und regionale Produkte geachtet. Vielleicht werden dadurch auch kleinere Anbieter und lokale Märkte wieder wichtiger. „Kleinere Händler haben Chancen, sich durch einen höheren Grad an Individualisierung und Spezialisierung von den großen Handelsketten abzuheben und Nischen zu besetzen, deren Nachfrage bisher nicht ausreichend bedient wird“, sagt Marcus Dittmar, Handelsforscher bei Tradedimensions. Beispiele seien Dennree, Alnatura oder auch Mix Markt.
Methode der Top 30
Das Ranking der größten deutschen Lebensmittelhandelsunternehmen basiert auf Zahlenmaterial von NIQ Tradedimensions, Frankfurt. Von NIQ Tradedimensions geschätzte Umsätze sind mit Stern (*) gekennzeichnet. Ausgewiesen werden im Inland getätigte Bruttoumsätze (inklusive MwSt.). Bei Unternehmen, die nur Nettoumsätze publizieren, wurde auf Brutto hochgerechnet. Die Erlöse von Edeka und Rewe beinhalten die Umsätze des angeschlossenen selbstständigen Einzelhandels (SEH). Bei Unternehmen, deren Geschäftsjahr zum 30. Juni oder 30. September endet, wurden die Umsätze 2022/23 dem Kalenderjahr 2023 zugeordnet.
Unternehmen |
Umsatz 2023 |
Veränderung in % |
|
1 |
Edeka-Gruppe |
77.680 |
6,7 |
- |
Netto Marken-Discount |
19.050 |
8,6 |
- |
Edeka Regionalgesellschaften |
57.788 |
6,1 |
- |
Sonstige Geschäftsfelder |
842 |
2,6 |
2 |
Rewe-Gruppe (Konzern + Dortmund) |
64.600* |
6,0 |
- |
Rewe-Konzern |
61.039* |
6,1 |
- |
Vollsortiment |
32.717* |
4,7 |
- |
Penny |
10.447* |
8,6 |
- |
Sonstige Geschäftsfelder |
17.875* |
7,3 |
- |
Rewe Dortmund |
3.561* |
5,0 |
3 |
Schwarz-Gruppe |
56.550* |
9,4 |
- |
Lidl |
33.450* |
11,5 |
- |
Kaufland |
23.100* |
6,6 |
4 |
Aldi-Gruppe1) |
34.696* |
8,2 |
- |
Aldi Süd |
19.450* |
8,4 |
- |
Aldi Nord |
15.100* |
7,9 |
- |
Aldi E-Commerce |
146* |
0,7 |
5 |
dm |
11.380 |
14,7 |
6 |
Rossmann |
9.300 |
10,1 |
7 |
Bartels-Langness-Gruppe |
6.658* |
9,9 |
- |
Citti |
3.338 |
15,4 |
- |
Bartels-Langness |
3.320* |
4,9 |
8 |
Globus |
6.465 |
10,6 |
9 |
Metro |
5.555 |
3,5 |
10 |
Transgourmet |
4.708* |
11,6 |
11 |
Norma |
4.683 |
4,6 |
12 |
Müller |
3.409 |
6,0 |
13 |
Bünting |
2.290 |
6,5 |
14 |
Dohle |
1.912 |
2,1 |
15 |
Dennree |
1.430* |
5,1 |
16 |
Tegut |
1.412* |
2,5 |
17 |
Netto Nord |
1.271 |
-0,7 |
18 |
Alnatura |
1.138* |
2,6 |
19 |
Kaes |
1.106 |
3,3 |
20 |
Mein Real |
1.041 |
-8,8 |
21 |
Klaas + Kock |
760* |
3,1 |
22 |
Lüning |
749 |
5,9 |
23 |
Wasgau |
697* |
4,3 |
24 |
Mix Markt |
661 |
13,8 |
25 |
Stroetmann |
602 |
4,9 |
26 |
Budnikowsky |
523* |
0,6 |
27 |
Fleggaard |
485* |
11,2 |
28 |
Hamberger |
415* |
5,6 |
29 |
Sorg |
330 |
13,8 |
30 |
Weiling |
287* |
-1,0 |
1) Aldi-Gruppe: Neubewertung der Vorjahresumsätze aufgrund vorliegender Bilanzen
„Kleine haben ihre Chancen“
Auch wenn sich die Konzentration im Lebensmittelhandel festigt, unterschätzen sollte keiner kleine Unternehmen, sagt Handelsforscher Marcus Dittmar im Interview.
Die auffallendsten Entwicklungen in der Rangliste?
Marcus Dittmar: Aufgrund der branchenweiten positiven Umsatzentwicklung können insbesondere die großen Handelsunternehmen ihre Ranglistenposition aus dem Vorjahr behaupten. Insgesamt ist davon auszugehen, dass auch 2023 vor allem inflationsbedingte Faktoren das Umsatzwachstum im Lebensmittelhandel treiben.
Genauer?
Dass das allgemein gestiegene Preisniveau auch auf das Verbraucherverhalten Auswirkungen hat, zeigt sich an den überdurchschnittlichen Wachstumsraten der Discounter (Lidl, Aldi, Netto, Penny), die neben den Drogerieketten dm und Rossmann besonders deutlich im Umsatz zulegen können. Im Drogeriebereich insgesamt spielt auch der Ausbau der Filialnetze eine Rolle sowie – im Fall von dm – die stetige Erweiterung des Omnichannel-Konzeptes.
Was heißt das für Vollsortimenter?
Edeka und Rewe bestätigen zwar den allgemeinen Positivtrend bei der Umsatzentwicklung, stechen jedoch im Vergleich mit anderen Lebensmittelhändlern nicht deutlich hervor und verlieren insgesamt sogar leicht an Marktbedeutung (Edeka: minus 0,2, Rewe: minus 0,3 Prozentpunkte). Hervorzuheben ist, dass sowohl Edeka als auch Rewe für ihre Discountschienen Netto und Penny ein spürbar stärkeres prozentuales Umsatzwachstum verzeichnen als in anderen Geschäftsbereichen. Dies deutet auf eine erhöhte Preissensibilität der Kundschaft beim Lebensmitteleinkauf hin und spiegelt sich auch in dem allgemeinen Marktanteilszuwachs bei den Discountern (plus 0,5 Prozentpunkte) wider.
Die Konzentration geht weiter?
In der Tat nimmt der Marktanteil der Top-Ten-Lebensmittelhändler 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Punkte zu und liegt nun bei einem Wert von 90,4 Prozent. Trotz dieser hohen Marktkonzentration auf wenige große Handelsunternehmen gibt es für kleinere Händler dennoch Chancen, sich durch einen höheren Grad an Individualisierung und Spezialisierung von den großen Handelsketten abzuheben und Nischen zu besetzen.
Beispiele?
Auf Bio-Lebensmittel spezialisierte Unternehmen wie Dennree und Alnatura sind mittlerweile auch in den Top 30 eine feste Größe und können auch 2023 Zugewinne beim Umsatz verzeichnen. Auch der auf osteuropäische Lebensmittel spezialisierte Mix Markt beweist mit einem Umsatzwachstum im zweistelligen Prozentbereich (plus 13,8 Prozent), dass das Potenzial kleinerer Unternehmen in der hoch konzentrierten deutschen Lebensmittellandschaft noch nicht erschöpft ist.