Union und SPD sehen offenbar Nachbesserungsbedarf bei den Regeln gegen unfaire Handelspraktiken. In einem Verhandlungspapier der Koalitionäre in spe, das der Lebensmittel Praxis vorliegt, heißt es: „Wir unterstützen die Evaluierung und die Überarbeitung der Umsetzung der EU-Richtlinie über unfaire Handelspraktiken, um einen Wettbewerb mit fairen Erzeugerpreisen im Lebensmittelmarkt zu ermöglichen.“ Weiter schreiben die künftigen Regierungspartner: „Wir führen eine unabhängige und weisungsfreie Ombudsperson ein.“
Die UTP-Richtlinie war im April 2019 von der EU-Kommission erlassen worden. Die nationalen Gesetzgeber waren aufgerufen, diese Richtlinie in nationales Recht umzuwandeln. In Deutschland geschah dies durch das Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG), das am 9. Juni 2021 in Kraft trat. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist für die Durchsetzung zuständig. Bereits die abgewählte Ampelregierung hatte das AgrarOLkG im Sommer vergangenen Jahres erstmals novelliert. Brüssel will zudem die zugrundeliegende UTP-Richtlinie in diesem Jahr evaluieren und überarbeiten.
BVLH bezweifelt Wirksamkeit der Gesetzgebung
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) kommentierte die Pläne wie folgt: „Deutschland hat bereits eine Evaluierung und Novelle des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz vollzogen. Diese Regulierung hat die konkrete ökonomische Situation der Landwirte nachweislich nicht verbessert.“ Daher sei auch von der europäischen Novelle nicht viel zu erwarten. „Statt dysfunktionaler Eingriffe in die Lebensmittelkette sollte die Politik Landwirte konkret entlasten und bei Aspekten wie Tierwohl fördern. Nur so gelangt wirklich mehr Geld auf die Höfe“, hieß es seitens des Verbands.
Fünf Beschwerden im Jahr 2024 bei der BLE
Insgesamt gingen 2024 fünf Beschwerden bei der BLE ein, von denen eine zur Einleitung eines Verfahrens führte. In den anderen Fällen hatte sich der Vorwurf des Beschwerdeführers nicht erhärtet oder Käufer und Lieferant fanden eine einvernehmliche Lösung, nachdem der Lieferant die Beschwerde bei der BLE gegenüber dem Käufer erwähnte.
„Als Durchsetzungsbehörde beobachten wir, dass immer mehr Lieferanten von den UTP-Verboten und ihren Rechten wissen, sich bei Fragen an die BLE wenden und sie dieses Wissen zunehmend in Verhandlung mit ihren Käufern einsetzen“, stellt Dr. David Jüntgen, Referatsleiter UTP in der BLE, fest. „Wie auch in den vergangenen Jahren bleibt der kooperative Ansatz ein wichtiger Aspekt unserer Tätigkeit.“
Ein im November 2023 veröffentlichter Evaluationsbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bestätigte nach Angaben der BLE die grundsätzliche Wirksamkeit der Verbote unlauterer Handelspraktiken.
Zwist zwischen Edeka und BLE wegen langer Zahlungsziele
Die BLE hat nach eigenen Angaben im Jahr 2024 erstmals in zwei Verfahren unlautere Handelspraktiken von Lebensmitteleinzelhändlern gegenüber wirtschaftlich schwächeren Lieferanten von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen festgestellt und untersagt.
Einer der beiden Fälle betraf den Handelsriesen Edeka. Die Behörde untersagte dem Unternehmen „überlange Zahlungsziele“ für Milchprodukte. Edeka ging gegen diese Entscheidung juristisch vor – nun muss das Düsseldorfer Oberlandesgericht entscheiden.
BVLH-Präsident Fromm spricht von Einzelfällen
Angesprochen auf unfaire Handelspraktiken sagte BVLH-Präsident Björn Fromm im Interview mit der Lebensmittel Praxis: „Diese Vorwürfe treffen uns nur sehr vereinzelt. Bei unzähligen Einkaufstransaktionen jährlich sind die öffentlich diskutierten Fälle meist Einzelfälle, die von Einzelnen medienwirksam hervorgehoben werden, um von eigenen unfairen Industriepraktiken abzulenken.“ Der Handel setze seinen Fokus zunehmend auf regionale Wertschöpfung und unterstütze damit kleinere und mittelständische Lieferanten partnerschaftlich und vertrauensvoll.
Das vollständige Interview mit Björn Fromm lesen Sie in der Ausgabe 06/2025 der Lebensmittel Praxis.