Deutscher Bauerntag 2023 Landwirte fordern Herkunftskennzeichnung

Bauernpräsident Joachim Rukwied (Foto l.) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sehen die deutsche Landwirtschaft vor großen Herausforderungen. Wie der Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft aussehen könnte, sorgte für Diskussionen beim Deutschen Bauerntag in Münster.

Donnerstag, 29. Juni 2023 - Hersteller
Markus Wörmann
Artikelbild Landwirte fordern Herkunftskennzeichnung
Bildquelle: Markus Wörmann

In seiner Grundsatzrede betonte Joachim Rukwied, dass es gerade in einer Branche, die vom Generationengedanken geprägt sei, zwingend verlässliche politische Rahmenbedingungen brauche, die Investitionen in die Zukunft ermöglichen. „Insbesondere die Tierhalter suchen aktuell händeringend nach Signalen, dass Tierhaltung in Deutschland noch eine Zukunft hat. Hier drängt die Zeit massiv – wir erleben bereits jetzt einen Strukturbruch. Angesichts dessen ist es vollkommen unverständlich, dass die in Dialogprozessen erarbeiteten Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung nicht stärker übernommen, sondern lediglich bruchstückhaft umgesetzt werden“, kritisiert Rukwied die Bundesregierung deutlich.

Es brauche jetzt zügig erhebliche Nachbesserungen bei der Tierhaltungskennzeichnung, eine vollumfängliche Herkunftskennzeichnung gerade auf ausländischer Ware, ein praktikables Bau- und Immissionsschutzrecht sowie ein langfristiges und tragfähiges Förderprogramm. Rukwied sagte in Richtung Bundesregierung, dass die Landwirte bereit seien für Veränderungen: „Die Tür ist aufgestoßen; wir können gemeinsam hindurchgehen!“

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) nahm diese Einladung an und betonte in seiner Rede zu Anfang, dass er nicht angetreten sei, um den Menschen vorzuschreiben, was sie zu essen haben. Er verstehe zudem, dass Landwirtschaft Verlässlichkeit und Perspektive brauche. Keiner dürfe auf dem Weg in die Zukunft dabei überfordert werden. So will Özdemir die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft Schritt für Schritt umsetzen - im Dialog mit der Landwirtschaft. Dafür gab es nur schwachen Applaus im Plenum, denn in der Vergangenheit waren die Türen des Ministers für Gespräche aus Sicht der Landwirte nicht sehr weit geöffnet.

Die staatliche Herkunftskennzeichnung bei Schweinefrischfleisch ist aus Sicht von Minister Özdemir nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Tierhaltung in Deutschland. Folgen werden die Ausweitung auf die Außerhaus-Verpflegung, Gastronomie und weitere Tierarten. Bei Fleisch aus ausländischer Herkunft blieb der Minister unkonkret, sprach von Freiwilligkeit und dass er sich für eine Kennzeichung auf europäischer Ebene einsetzen werde. Zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung konnte Özdemir den Landwirten über die bis dato budgetierte eine Milliarde ebenfalls nichts Konkretes anbieten. Aber er werde sich für weitere Mittel im Bundeshaushalt einsetzen.

An seinen Vorhaben, bis zu 30 Prozent ökologisch arbeitende Höfe in Deutschland zu haben, hält der Bundeslandwirtschaftsminister fest. Diese will er fördern, gab den Öko-Betrieben aber mit auf den Weg, effizienter wirtschaften zu müssen, um im Markt bestehen zu können. Özdemir sprach sich gegen PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen aus: „Diese gehören auf Parkplätze und entlang von Straßen.“ Nach seiner knapp einstündigen Rede stellte sich Özdemir der Aussprache mit den Landwirte. Hier wurde deutlich, dass sich diese um ihre Zukunft sorgen, wenn eine Finanzierung nicht durch den Markt, sondern durch die Gesellschaft und damit durch die Politik erfolgen muss.

In einem kurzen Videogrußwort bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass Landwirte „unabhängig davon, ob sie konventionell oder biologisch wirtschaften“, auch in Zukunft von ihrer Arbeit leben können müssen. Dafür will seine Bundesregierung die entsprechenden Perspektiven schaffen, ließ aber offen, wie die konkret aussehen. Dabei räumte Scholz ein, dass kein anderer Bereich so vom menschengemachten Klimawandel betroffen ist wie die Landwirtschaft.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der vor Bundesminister Özdemir zu den 500 Delegierten und etwa 300 Gästen sprach, forderte gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Landwirtschaft in Europa. Man habe beim Verbot der Käfighaltung von Legehennen erlebt, dass heute zwar in aller Regel das Frühstücksei aus verbesserter, deutscher Haltung käme, aber in der Industrie immer noch ausländische Eier aus dem Käfig verarbeitet würden. „Das ist eine Scheinlösung“, erklärte Wüst. Deshalb forderte er mit Blick auf die Pläne bei Rinder- und Schweinehaltung zu höheren Haltungsstufen, dass die Bundespolitik Lösungen anbietet, denn der Umbau der Ställe müsse sich für die Landwirte rechnen. Denn wenn schon die jetzt aktiven Bauern keine Perspektive mehr sehen, würde die nächste Generation den Hof nicht mehr übernehmen. Die Folgen wäre eine schwindende heimische Landwirtschaft, was sich auch unmittelbar negativ auf die dörflichen Strukturen auswirken würde.

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