Die deutschen Landwirte haben wieder deutlich besser verdient, gehen aber wegen teurer Energie und schwankender Märkte nur vorsichtig ins neue Jahr. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte am Donnerstag, diese Erholung sei nach einer längeren Durststrecke „dringend notwendig“, damit die Höfe gestiegene Risiken bewältigen könnten. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2021/22 stiegen die Gewinne der Betriebe im Schnitt auf 79.700 Euro, wie der Verband bilanzierte. Das lag 49 Prozent über dem schlechten Vorjahreswert.
Ursache der wieder besseren Ertragslage für die Bauern seien vor allem höhere Erzeugerpreise für Milch, Ackerfrüchte und Rindfleisch infolge einer weltweit knappen Versorgungslage seit Herbst 2021. Mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine habe sich die Entwicklung an den Märkten im Frühjahr und Sommer dann noch verstärkt, erläuterte der Verband. Kräftige Ergebnissprünge gab es bei Milchviehhaltern mit plus 68 Prozent auf durchschnittlich 95.800 Euro je Betrieb. Bei Ackerbauern waren es im Schnitt 42 Prozent Plus auf 90.300 Euro.
Von den Gewinnen sind aber unter anderem noch Investitionen zu bezahlen. Und in die Bilanz des Wirtschaftsjahres seit Juli 2021 gingen noch acht Monate vor Beginn des Ukraine-Krieges ein - danach spitzten sich Kostensteigerungen noch deutlich zu. Energie und auch Düngemittel hätten sich drastisch verteuert und seien teilweise nur beschränkt verfügbar, erläuterte der Bauernpräsident. Im Norden der Republik sei die Entwicklung insgesamt positiver als bei Betrieben in Süddeutschland. „Es ist eine große Herausforderung, in diesen unsicheren Zeiten eine stabile Lebensmittelproduktion zu erhalten.“
Und was bedeutet das für die Preise im Supermarkt, die längst auf breiter Front hochgegangen sind? „Ich will nicht ausschließen, dass die Preise weiter ansteigen können“, sagte Rukwied gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das sei aber eher das kurzfristige Szenario. Was dann in zwei oder drei Jahren sei, könne man nicht prognostizieren. Aktuell bemerkt der Verband, dass immer stärker im „Preis-Einstiegssegment“ zugegriffen wird, sprich: bei den billigsten Produkten. Bei finanzschwächeren Familien sei das natürlich nachzuvollziehen, sagte Rukwied. Wenn nachhaltig oder bio erzeugte Produkte im Regal liegen bleiben, erschwere das aber den angestrebten Weg hin zu noch höheren Standards und mehr Tierwohl.
Auch die Bundesregierung beobachtet, dass Kunden „zwar kaum weniger Bio kaufen, dafür aber eben beim Discounter oder die Eigenmarken des Handels“, wie Minister Cem Özdemir (Grüne) der Fachzeitschrift Top Agrar (Donnerstag) sagte. „Wir versuchen zu helfen, indem wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen mit mehreren Entlastungspaketen und der Gas- und Strompreisbremse so gut es geht unter die Arme greifen.“ Der Trend zu nachhaltig und ökologisch erzeugten Produkten sei laut Marktbeobachtern aber nicht gebrochen.
Die Bauern monieren auch Unsicherheit auf dem politischen Feld. „Beim Tierwohl haben wir Stillstand“, sagte Rukwied. Im Moment investiere kein Landwirt in Ställe, weil Verlässlichkeit nicht gegeben sei. Die Ampel-Koalition hat beschlossen, eine Milliarde Euro bis 2026 als Anschub zur Förderung von Stallumbauten und zum Ausgleich höherer laufender Kosten bereitzustellen. Für eine langfristig gesicherte Finanzierung gibt es aber noch keine Klarheit. Unions-Agrarexperte Albert Stegemann (CDU) hielt Özdemir vor, viele Ankündigungen gemacht zu haben. Aber: „Landwirte können nicht kurzfristig reagieren, sondern brauchen endlich auch einen politischen Fahrplan.“