Herrscht im Supermarkt reger Betrieb an der Kasse, dann freut das nicht zuletzt die Hersteller von Schokoriegeln, Kaugummis oder Atemerfrischern. Verführerisch präsentiert sich die Ware auf Augenhöhe und verleitet den einen oder anderen wartenden Kunden dazu zuzugreifen. Nicht umsonst ist von Impulsartikeln die Rede, die sich nicht nur, aber vorrangig in der Kassenzone des Geschäfts finden. Und wer schon einmal einen lautstarken Fünfjährigen an der Kasse erlebt hat, versteht, warum auch von Quengelware die Rede ist. Das Impulsgeschäft in der Kassenzone ist für Hersteller wie Händler wichtig. Die Handelsspanne für einen einzelnen, an der Kasse verkauften Schokoriegel ist deutlich höher als für den Multipack aus dem Stammregal. Zudem ergab eine Studie des EHI Retail Institutes, dass 5,0 Prozent des Umsatzes an der Kasse generiert werden, die aber nur 1,0 Prozent der Fläche eines Marktes ausmacht.
Impulsware gibt es auch an anderen Stellen im Supermarkt, doch die Kassenzone ist für diese Ware am wichtigsten. Ändert sich etwas in der Kassenzone, so bleibt das nicht ohne Folgen für die Hersteller. Das wurde schon während der Corona-Zeit deutlich, als der Platz an der Kasse oft für Masken und Desinfektionsmittel genutzt wurde. Lukas Schultens, Trade & Shopper Marketing Director bei CFP Brands, bestätigt das. Der Distributeur hat mit Fisherman’s Friend und Mentos kassenstarke Marken im Portfolio. Während der Pandemie, so berichtet Schultens, habe man ein „großes Umsatzloch bei den Kassenartikeln“ gehabt, „was zum einen dem Einkaufsverhalten an der Kasse geschuldet war und zum anderen dem Wegfall der sozialen Anlässe, zu denen Verbraucher sonst Kaugummis oder Atemerfrischer kaufen.“ Inzwischen sei die Corona-Delle überwunden, die Umsätze beinahe wieder auf Vor-Corona-Niveau. Für den Düsseldorfer Distributeur ist das enorm wichtig. Rund die Hälfte seines Umsatzes erzielt CFP Brands in der Kassenzone, die andere am Regal. Dabei werden manche Marken wie Fisherman’s Friend fast ausschließlich in der Kassenzone verkauft.
Während die Pandemie nur eine vorübergehende Belastung für die Hersteller von Quengelware war, kündigen sich inzwischen Herausforderungen an, die die Branche dauerhaft beschäftigen dürften. Der zunehmende Einsatz von Self-Checkout-Systemen als Ergänzung zur klassischen Kasse verändert die Kassenzone, von anderen Entwicklungen wie Scan & Go oder kassenlosen Stores ganz zu schweigen. Das Impulsgeschäft wird durch diese technologische Entwicklung deutlich schwieriger, sind sich Experten einig. Nicht nur, dass in den Self-Checkout-Bereichen oftmals keine Impulsware ausliegt. Selbst wenn das der Fall ist, sind die Kunden mit dem Scannen ihrer Ware beschäftigt. Dabei einen Impuls beim Kunden auszulösen, ist herausfordernd.
„Die Hersteller müssen sich auf die künftigen Änderungen im Lebensmitteleinzelhandel einstellen.“
Frederick Carpentier, Director, EY-Parthenon
Weniger Umsatz an Self-Checkout-Kassen
So berichtet Frederick Carpentier von der Beratungsgesellschaft EY-Parthenon: „Unsere Analysen und Gespräche mit Händlern haben ergeben, dass man ungefähr 30 bis 50 Prozent der traditionellen Kassenzonenumsätze an SelfCheckouts auffangen kann. Und das auch nur dann, wenn man vieles richtig macht.“ Die meisten Händler seien bereit, auf diese Umsätze um anderer Vorteile willen zu verzichten, glaubt Carpentier. „Natürlich profitiert der Händler von der Impulsware, die eine hohe Marge mit sich bringt. Aber in unseren Gesprächen mit Lebensmittelhändlern hat sich herausgestellt, dass aus ihrer Sicht die Vorteile von Self-Checkout-Systemen überwiegen.“ In Zeiten von Personalmangel bieten Self-Checkout-Systeme Händlern einen möglichen Ausweg. So hat beispielsweise Aldi Süd unlängst die Einführung von Self-Checkout-Bereichen in bestimmten Filialen angekündigt. EY-Parthenon erwartet, dass bis zu einem Drittel der Umsätze mit Lebensmitteln in Westeuropa in fünf Jahren über Self-Checkout-Systeme abgewickelt werden.
„Jede nicht optimal abgedeckte Kassenzone ist verschenktes Umsatzpotenzial.“
Tom O’Donnell, Category & Strategy Leadership Director, Mars
Auch beim Snacking-Riesen Mars hat man den Wandel der Kassenzone genauestens im Blick. Tom O’Donnell kümmert sich bei Mars Deutschland um das Thema. Er betont: „Im Grunde lässt sich sagen, jede nicht optimal abgedeckte Kassenzone ist verschenktes Umsatzpotenzial.“ Man beschäftige sich daher seit Jahren gemeinsam mit den Handelspartnern intensiv damit, wie man die Kassenzone optimal für das Impulsgeschäft nutzen könne. „Und das auf globaler Ebene, was uns bei aktuellen Entwicklungen in Richtung Selfscanning-Kasse oder Seamless Stores hilft.“ Man habe Lösungen für jeden Kassentyp, versichert O’Donnell. Dabei sind ihm die Probleme, die der Trend zum Self-scanning mit sich bringt, bewusst. „Sind die Shopper erst mal mit dem Bezahlvorgang beschäftigt, ist ihre Wahrnehmung von Impulsartikeln reduziert“, sagt O’Donnell, schiebt aber hinterher: „Aber – und das ist entscheidend – die Bedürfnisse nach ,Belohnung‘ und ,Erfrischen‘ bleiben beim Shopper bestehen. Sie sollten aber vor dem Bezahlvorgang angesprochen und bedient werden.“ Besonders bewährt hätten sich sogenannte Kundenleitsysteme. Hierbei werden die Kunden an Regalen mit Impulsware vorbeigeführt, ehe sie zum SelfCheckout-Bereich gelangen. Daten aus den USA zeigen laut O’Donnell ähnlich hohe Zugriffsraten wie bei klassischen bemannten Kassensystemen in Höhe von etwa 8 Prozent. Der Mars-Manager zeigt sich zuversichtlich: „Aktuell laufen Tests zu Kundenleitsystemen in Deutschland – mit erstem positivem Feedback aus dem Handel.“ Alternativ biete sich eine weitere Möglichkeit an: vorgeschaltete Module im Eingangsbereich zum Selfscanning. Hier gehe man von Zugriffsraten von etwa 4 Prozent aus, sagt O’Donnell. Die dritte Möglichkeit seien kleine Module direkt neben den Selfscanning-Kassen. Allerdings werden diese von den Verbrauchern kaum beachtet, die Zugriffsraten liegen bei gerade einmal 2 Prozent in der Süßwarenkate-gorie, wie ein Test von Mars Wrigley in Deutschland ergeben hat.
„Bei Artikeln, die zwischen einen und zwei Euro kosten, hat die Teuerung nicht den großen Effekt.“
Lukas Schultens, Trade & Shopper Marketing Director, CFP Brands
Auch bei CFP Brands haben sie das Thema Self-Checkout längst auf dem Radar, wie Manager Schultens berichtet. Man arbeite bereits mit Händlern an individuellen Konzepten, „um sowohl am Eingang dieser Self-Checkout-Bereiche als auch zwischen den Self-Checkout-Terminals Ware anbieten zu können“,erläutert er im Detail. „Am Eingang sind die Leute eher offen, noch etwas mitzunehmen.“ Das deckt sich mit den Einschätzungen des Wettbewerbers Mars. Schultens betont: „Wichtig ist, dass überhaupt Impulsartikel in diesen Zonen verfügbar gemacht werden.“
Inflation bisher kein Thema
Ungeachtet der absehbaren Herausforderungen, die der Wandel der Kassenzone mit sich bringen dürfte, sind sich die Anbieter immerhin einig, dass die hohe Inflation das Impulsgeschäft bisher nicht beeinträchtigen konnte. So sagt CFP-Manager Schultens: „Bis jetzt sehen wir noch keine vermehrte Zurückhaltung. Das liegt auch daran, dass der Preis gerade bei Impulsartikeln für die Verbraucher nicht so präsent ist. Bei Artikeln, die zwischen einen und zwei Euro kosten, hat die Teuerung nicht den großen Effekt.“ Das deckt sich mit den Einschätzungen von Mars. Und auch Nestlé mit seinen Schokoriegel-Marken Kitkat und Lion teilt mit: „Wir sehen, dass die Kategorie der Schokoladenwaren in Krisenzeiten äußerst resilient ist.“ Süßwaren bedeuteten gerade in schwierigen Zeiten erschwingliche Genussmomente. „Impulskäufe sind darüber hinaus im Schokoladensegment ein großes Thema. In diesen Momenten wird weniger auf den Preis geachtet“, lässt sich ein Unternehmenssprecher zitieren.
Klar ist bei alledem auch: Einfacher wird das Impulsgeschäft für die Anbieter der Produkte in Zukunft nicht werden. Nicht zuletzt deshalb, weil an den Self-Checkouts tendenziell weniger Verkaufsfläche für Impulsware zur Verfügung steht als an traditionellen Kassen. Der Konkurrenzkampf der Anbieter untereinander um Präsenz in den Regalen wird sich verschärfen.