Bürokratie Beirats-Chef Janeba wehrt sich gegen Pauschal-Kritik

Professor Eckhard Janeba (Foto) hat die Bürokratie gegen pauschale Kritik verteidigt. Aber im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis hält der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundeswirschaftsminister „eine Kehrtwende“ trotzdem für unerlässlich.

Dienstag, 22. April 2025, 08:30 Uhr
Thomas Klaus
„Bürokratie ist zunächst einmal etwas Gutes“: Eckhard Janeba betrachtet die Bürokratie-Diskussion differenziert. Bildquelle: Karin Glückler

Professor Eckhard Janeba hat im LP-Gespräch allgemeine Angriffe gegen Bürokratie zurückgewiesen. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundeswirtschaftsminister, seit 2004 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, sagt: „Bürokratie ist zunächst einmal etwas Gutes. Denn in ihrer idealtypischen Form ist sie charakterisiert durch Regelgebundenheit, Arbeitsteilung und Unpersönlichkeit.“

Verwaltung und Justiz wollen allen Einzelfällen gerecht werden

Allerdings sei inzwischen erlebbar, „wie Verwaltung und Rechtsprechung vor allem auf richtige Verfahren abstellen und allen Einzelfällen gerecht werden wollen“. Das führt nach Auffassung des Wissenschaftlers dazu, dass das Ergebnis staatlichen Handelns in den Hintergrund rücke und die „gesellschaftlichen Kosten von Einzelfallgerechtigkeit“ ignoriert würden.

Janeba betont: „Wir brauchen eine Kehrtwende hin zu pauschalen Regelungen, eine ernsthafte Kosten-Nutzen-Analyse neuer Gesetze und eine auf Ergebnisse statt Verfahren fokussierte Verwaltung.“

Deutschland neigt zum so genannten Gold Plating

Auch die Europäische Union nimmt der Experte beim Bürokratie-Thema zum Teil in Schutz. Der Anteil der in Deutschland geltenden Gesetze, die auf die EU zurückzuführen sind, ist nach Einschätzung Janebas beträchtlich: „Manche Studien kommen auf 30 bis 40 Prozent.“ Doch der Wissenschaftler fragt: „Würden wir die Dinge nicht regeln, wenn es die EU nicht gäbe? In vielen Fällen vermutlich doch.“

Das Problem sei eher, dass Deutschland zum „Gold Plating“ neige, also europäische Anforderungen durch weitere Vorschriften verschärfen wolle. Ein Beispiel sei die „A1-Bescheinigung“, mit der bei der Entsendung eines Arbeitnehmers in ein anderes europäisches Land die Sozialversicherung nachgewiesen werden müsse. „Hier fragt Deutschland zusätzlich zu den europaweit vorgeschriebenen Angaben diverse andere Dinge ab“, kritisiert der Professor.

Erfüllungsaufwand ist seit 2011 stark gestiegen

Die Messung der Bürokratiekosten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung beträgt nach den Schätzungen des Statistischen Bundesamtes über 65 Milliarden Euro im Jahr 2024. „Diese Zahl ist mit großer Vorsicht zu betrachten“, mahnt Eckhard Janeba. Denn die Bürokratiekosen hätten sich offiziell seit 2012 verringert, was im offensichtlichen Widerspruch zu den „gefühlten“ Bürokratiekosten stehe.

Janeba erläutert: „Der Erfüllungsaufwand umfasst neben den Bürokratiekosten auch die sonstigen direkten Kosten, die mit der Einhaltung der Gesetze verbunden sind, zum Beispiel Schulungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und der laufende Erfüllungsaufwand ist  in den letzten Jahren sehr stark angestiegen.“ Er sei 2024 rund 27,1 Milliarden Euro höher als 2011.

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