Verbände aus Handel und Lebensmittelwirtschaft kommentieren den Koalitionsvertrag und stellen Forderungen an die künftige Bundesregierung. Nach Auffassung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) enthält der Koalitionsvertrag positive Ansätze, aber auch einige Lücken. HDE-Präsident Alexander von Preen begrüßt insbesondere Entlastungen bei der Stromsteuer, wichtige Schritte beim Bürokratieabbau sowie die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit und das klare Bekenntnis zur Vertrauensarbeitszeit ohne Arbeitszeiterfassung.
HDE vermisst entschiedene Förderung der Innenstädte
Der HDE unterstützt ebenfalls den sehr kritischen Blick auf Plattformen wie Temu aus Drittstaaten außerhalb der EU: „Da müssen wir aber rasch in die Umsetzung von Gegenmaßnahmen kommen.“ Dagegen vermisst der Einzelhandel laut von Preen zum Beispiel eine entschiedene Förderung des Standorts Innenstadt. Alexander von Preen findet: „Die Lage ist vielerorts bedrohlich; viele Innenstädte erreichen Kipppunkte. Es braucht jetzt dringend bessere Möglichkeiten zur Abschreibung von Investitionen in Innenstädte.“ Das sei gut investiertes Geld und mobilisiere privates Kapital, so der HDE-Präsident. Die vorgesehene Verdopplung der Städtebauförderung wird vom HDE begrüßt. Doch diese staatlichen Finanzierungsmittel werden nach Überzeugung des Verbandes alleine nicht ausreichen werden, „um die Innenstädte zu vitalisieren“.
Erwartbarer Mindestlohn von 15 Euro in der Kritik
Mit der größte Schwachpunkt des Koalitionsvertrages ist nach Ansicht des HDE das ausdrückliche Benennen einer möglichen Mindestlohnhöhe von 15 Euro im Jahr 2026. Alexander von Preen unterstreicht: „Die Tarifautonomie hat in Deutschland aus gutem Grund Verfassungsrang und muss vor politischen Eingriffen geschützt bleiben. Der Staat hat sich aus der Lohnfindung herauszuhalten. Politische Zielmarken für die unabhängige Mindestlohnkommission sind auch in indirekter Form seitens der Politik nicht akzeptabel.“
Das Thema Mindestlohn im Koalitionsvertrag ist ebenfalls dem Zentralverband Gartenbau (ZVG) ein Dorn im Auge. Die Kostenbelastung sei exorbitant und werde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die auf Saison-Arbeitskräfte angewiesen sind, erheblich beeinträchtigen.
Alles in allem zeigt sich der ZVG mit dem Koalitionsvertrag jedoch zufrieden. „Für unsere Betriebe sehen wir viele positive Ansätze im Koalitionsvertrag, die wir schon lange fordern und die die Wirtschaftskraft des Gartenbaus stärken.“. Das sagt ZVG-Präsidentin Eva Kähler-Theuerkauf. Das gelte unter anderem für eine verbesserte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und die geplante Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung bei den Düngevorschriften.
Tadel für Abschied vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Keinen so positiven Blick auf den Koalitionsvertrag hat der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW). Es würden kaum Impulse für eine zukunftsfähige Wirtschaft gesetzt, beklagt die Vorsitzende Prof. Dr. Katharina Reuter.
Der BNW freut sich hingegen über das Bekenntnis der neuen Regierung zur Kreislaufwirtschaft. Allerdings lasse der Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen vermissen. Hier müssten CDU/CSU und SPD liefern und den Hochlauf zirkulärer Materialien und Geschäftsmodelle unterstützen.
„Der Abbau von Standards, die die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sichern sollten, ist ein Fehler“, kommentiert Katharina Reuter die ablehnende Position zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die BNW-Chefin weiter: „Ein verabschiedetes Gesetz abzuräumen, sorgt für Planungsunsicherheit und zögert nötige Investitionen hinaus.“
Fleischwirtschaft hält Umgestaltung der Kennzeichnung für vordringlich
Anders sieht das Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA): „Die sofortige Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ist wirklich ein Lichtblick. Der Abbau von bürokratischen Hemmnissen steht ganz oben auf unserer Forderungsliste für spürbare Entlastungen.“
„Es ist gut, dass sich CDU, CSU und SPD klar zum Tierhaltungsstandort Deutschland bekennen und dabei neben dem Ressourcenschutz auch Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit im Blick haben“, so VDF Hauptgeschäftsführer Steffen Reiter zu den Inhalten des Koalitionsvertrags. Ein wichtiger Baustein für mehr Wettbewerbsfähigkeit sei der Bürokratieabbau. Dabei sieht die Fleischwirtschaft insbesondere die praxistaugliche Umgestaltung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetz als vordringlich an. „Die Voraussetzungen für seine Anwendung fehlen nach wie vor, daher muss die neue Regierung hier schnell handeln“, ergänzt Reiter.
Lob von der Albert Schweitzer Stiftung für Tierschutz
Neben der Schaffung von Planungssicherheit für landwirtschaftliche Tierhalter begrüßt der Verband die Ankündigung der Koalitionspartner, eine moderne Agrarexportstrategie zu entwickeln, um kaufkräftige Märkte zu erschließen und die Agrarexporte, insbesondere für Fleisch aus Deutschland, zu steigern. „Wir haben nun die Möglichkeit, die im Koalitionsvertrag festgelegten Punkte durch konkrete Zukunftsarbeit in die Realität umzusetzen“ betont Reiter weiter. „Wir stehen jederzeit für einen zielorientierte Dialog bereit.“
Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt bewertet den Koalitionsvertrag von Union und SPD als ein längst überfälliges Signal für den Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung. „Die Vereinbarungen sind ein wichtiger Schritt für den Tierschutz in der Landwirtschaft“, sagt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Stiftung. Seine Sichtweise: „Die Koalition erkennt an, dass der Umbau der Tierhaltung eine Frage der politischen Prioritäten ist. Nun gilt es, die angekündigten Vorhaben schnell, wirksam und verbindlich umzusetzen.“
Förderung in Milliardenhöhe ein zentraler Hebel
Die zugesagte Förderung in Milliardenhöhe sei ein zentraler Hebel für bessere Haltungsbedingungen. Die zukünftige Bundesregierung habe erkannt, dass mehr Wohlergehen für die Tiere nicht ohne verlässliche Investitionen möglich sei. Klosterhalfen merkt an: „Doch woher das Geld kommt, steht nicht im Koalitionsvertrag. Diese Frage muss schnellstens geklärt werden.“
Bei der geplanten Reform der verbindlichen, staatlich kontrollierten Haltungskennzeichnung müssten alle landwirtschaftlich genutzten Tierarten sowie die Gastronomie einbezogen werden, fügt er hinzu. Denn: „So können Verbraucherinnen und Verbraucher direkt sehen, welche Unternehmen sich für höhere Tierschutzstandards entschieden haben - und welche nicht.“