Kriminalität Mehr Diebstahl durch SB-Kassen?

In immer mehr Geschäften können Kunden die Artikel an der Kasse selbst scannen. Dabei werde mehr geklaut, warnt ein Experte. Dass der Handel auf Selbstbedienungskassen setze, sei dennoch richtig.

Montag, 19. August 2024, 07:33 Uhr
Manuel Glasfort (mit dpa)
Bildquelle: Getty Images

Experten sehen ein steigendes Diebstahlrisiko für den Einzelhandel durch den Einsatz von Selbstbedienungskassen. „In entsprechenden Geschäften wird mehr geklaut. Die Verluste der Händler durch SB-Kassen können bei ein bis zwei Prozent des Umsatzes liegen. Das ist sehr viel und deutlich mehr als bei klassischen Kassen“, sagt der Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn, Stephan Rüschen. Er bezieht sich auf Gespräche mit Händlern und anderen Branchenvertretern.

Kassen zum selber scannen boomen, sie sind inzwischen weit verbreitet: in Supermärkten, Drogerien und Baumärkten. Ende 2023 gab es dem Handelsforschungsinstitut EHI zufolge bereits 4270 Geschäfte mit insgesamt 16.000 Selbstbedienungskassen und damit mehr als doppelt so viele wie zwei Jahren zuvor. Inzwischen dürften es noch mehr sein.

Wird mehr geklaut in Geschäften mit den Kassen ohne Personal? Valide Daten wurden bisher nicht veröffentlicht. Das Handelsforschungsinstitut EHI hat die Entwicklung der Ladendiebstähle untersucht. 2023 wurde ein deutlicher Anstieg verzeichnet. Inwieweit das auf SB-Kassen zurückgeht, ist unklar. Es sei schwierig zu messen und nachzuweisen, dass an den Kassen mehr geklaut wird, sagt EHI-Experte und -Studienautor Frank Horst. Eine Umfrage unter 40 Händlern zeigt: Knapp 28 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Inventurdifferenzen bei Self-Checkout-Systemen wie SB-Kassen höher sind, die Bestandsverluste liegen zwischen 5 und 39 Prozent. 20 Prozent stellen keine Unterschiede fest, die Hälfte hat nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse darüber. 

Der Handel sieht keinen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Ladendiebstähle und der wachsenden Zahl an Kassen, an denen Kunden die Produkte selbst scannen. „Wir beobachten keine spürbare Zunahme in Märkten mit SB-Kassen“, sagt ein Sprecher von Edeka. Zahlen dazu gebe es nicht. Auch der Handelsverband Deutschland, Ikea, Rewe und Obi können keinen nennenswerten Anstieg der Diebstahlzahlen erkennen. Die Discounter Aldi Süd und Lidl sowie die Drogerieketten dm und Rossmann wollten sich nicht äußern.

Viele Handelsketten möchten den Service ausbauen. Rewe will bis Ende des Jahres die Zahl der Supermärkte, die mit SB-Kassen ausgestattet sind, auf 1.800 erhöhen. Die Handelskette Edeka möchte die Zahl ebenfalls ausweiten. „Die Akzeptanz der Kunden ist hoch. Beschwerden sind uns nicht bekannt“, heißt es. Zudem hätten Kunden weiterhin die Möglichkeit, klassische Kassen zu nutzen. 

Laut einer Yougov-Umfrage nutzen Verbraucher in Deutschland SB-Kassen bevorzugt, wenn sie nur wenig Produkte kaufen oder wenig Zeit haben. 10 Prozent geben an, sie ausschließlich zu nutzen, Menschen zwischen 18 und 24 Jahren häufiger als Verbraucher ab 55 Jahren. 12 Prozent der Befragten würden nach eigenen Angaben nie Kassen ohne Kassierer nutzen. Die Gründe gehen aus der Umfrage nicht hervor.

SB-Kassen bieten dem Handel einen weiteren Vorteil, sie helfen die Fachkräftelücke zu stopfen. Für Handelsexperte Rüschen führt trotz höheren Diebstahlrisikos für Händler kein Weg daran vorbei, stärker auf SB-Kassen zu setzen – nicht nur wegen der Personalengpässe. „Die Kunden schätzen und erwarten die den Service inzwischen, weil sie nicht in langen Warteschlangen stehen wollen“, sagt Rüschen. Die Diebstahlprävention müsse jedoch weiter ausgebaut werden.

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