Im deutschen Einzelhandel wurden laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts EHI im vergangenen Jahr Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro gestohlen. Damit sei der Schaden für den Handel um 15 Prozent höher als im Vorjahr und habe eine „besondere Dimension“ erreicht, so Studienautor Frank Horst. Vor allem im Lebensmitteleinzelhandel, in Drogeriemärkten und im Bekleidungshandel werde gestohlen, heißt es in der Studie.
Dafür gibt es laut EHI mehrere Gründe. „Durch die Preissteigerungen bei vielen Produkten sind einige Menschen in finanzielle Nöte geraten und haben häufiger geklaut“, so Horst. Ein weiteres Problem sei der Fachkräftemangel im Einzelhandel. „In vielen Geschäften ist heute weniger Personal im Einsatz. Dadurch haben Diebe leichteres Spiel. Personal verhindert durch Präsenz indirekt Diebstähle“, sagt Horst.
Zu den bei Dieben besonders beliebten Warengruppen in Supermärkten und Discountern zählen Spirituosen, Tabakwaren, Kosmetikprodukte, Rasierklingen, Energydrinks sowie Babynahrung und Kaffee. Fleisch, Wurst und Käse werden ebenfalls häufiger genannt. In den meisten Fällen handelt es sich um Gelegenheitstäter, in mindestens einem Viertel der Fälle um professionelle Täter, die bandenmäßig vorgehen.
Insgesamt sind die Inventurdifferenzen im Jahr 2023 um 5 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro gestiegen. Der darin enthaltene Anteil der Verluste durch Diebstahl von Kundschaft, Mitarbeitenden, Lieferanten und Servicepersonal beläuft sich auf insgesamt 4,1 Milliarden Euro. Das entspricht einem volkswirtschaftlichen Schaden durch entgangene Umsatzsteuer von rund 560 Millionen Euro allein durch Straftaten unehrlicher Kundschaft. 700 Millionen Euro entfallen auf organisatorische Mängel wie beispielsweise eine falsche Preisauszeichnung, Erfassungs- und Bewertungsfehler.
„Wir haben Märkte, bei denen es einen Anstieg der Inventurdifferenzen gibt, aber auch sehr viele, die stabil sind“, sagte Rewe-Chef Lionel Souque. Die Supermarktkette hat nach eigenen Angaben verschiedene Maßnahmen ergriffen. „Vor zehn Jahren haben wir bei Rewe alle Eingänge geöffnet und Schleusen entfernt, sodass Kunden direkt reingehen können. Das haben wir in einzelnen Märkten zurückgebaut“, so Souque. An einigen Standorten gebe es mehr Sicherheitspersonal und Detektive.
Handelsverbands-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth fordert ein härteres Durchgreifen. „Die Handelsunternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat mit seinen Behörden die Achtung und den Schutz des Eigentums zuverlässig und effizient sicherstellt.“ Eine wirkungsvolle Abschreckung sei wichtig. Aber zu oft blieben Strafen aus, würden Verfahren eingestellt. „Insbesondere auch der bandenmäßig organisierte Ladendiebstahl muss gründlicher bekämpft werden“, so Genth.
Viele Unternehmen haben ihre Kameraüberwachung bereits ausgebaut und ihr Personal geschult, wie aus der EHI-Studie hervorgeht. Die Ausgaben für Präventionsmaßnahmen im Einzelhandel in Deutschland sind im Jahr 2023 auf 1,55 Milliarden Euro gestiegen, die gesamten Kosten für Inventurdifferenzen und deren Vermeidung belaufen sich sogar auf mehr als 6,3 Milliarden Euro. Die internen Personalkosten für alle Tätigkeiten, die aufgrund des Diebstahlrisikos anfallen, - wie das Anbringen von Warensicherungen, Schulungen und Diebstahlsanzeigen - sind hier noch nicht enthalten.