Expertenmeinung Fest angebundene Flaschendeckel sind „reiner Aktionismus“

Der Schraubverschluss feiert sein 135-jähriges Jubiläum, doch nicht jeder ist über dessen neueste Entwicklungen erfreut. Markus Prem (Foto), Verpackungsexperte an der Hochschule Kempten, kritisiert die neuen fest angebundenen Flaschendeckel scharf.

Dienstag, 06. August 2024 - Hersteller
Julia Krone (mit dpa)
Artikelbild Fest angebundene Flaschendeckel sind „reiner Aktionismus“
Bildquelle: IMAGO/Markus Prem

Der Schraubverschluss, der seit 135 Jahren denAlltag der Konsumenten begleitet, sorgt für Diskussionen. Ein Verpackungsexperte hat die verpflichtenden fest angebundenen Flaschendeckel als überflüssig und unlogisch kritisiert. „Bringt das wirklich etwas für den Planeten oder selbst für Europa? Meine klare Antwort: Nein“, sagte Prem der Deutschen Presse-Agentur. Seiner Meinung nach handelt es sich um reinen Aktionismus, um ein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

Um den Müll in der Landschaft zu verringern, sind seit dem 3. Juli lose Verschlusskappen bei bestimmten Getränken verboten. Prem sagte, die Menge an weggeworfenen Deckeln, die schließlich im Meer oder in Flüssen und Seen landen, sei äußerst gering. „Man hat der Industrie Milliardeninvestitionen für einen Effekt auferlegt, der quasi nicht messbar ist.“ Der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels teilte mit, Anlagen hätten um- oder neu gebaut werden müssen. „Wir gehen von Beträgen im Millionenbereich aus.“ Nach Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie betragen die Kosten pro Abfüllungslinie rund 181.000 Euro. „Hinzu kommt der Mehraufwand für Deckel mit rund 0,2 Cent pro Stück“, sagte Peter Feller, der stellvertretende BVE-Hauptgeschäftsführer.

Der Verband Deutscher Mineralbrunnen betonte: „Über größere Probleme bei der Umstellung in der Branche ist uns nichts bekannt.“ Aufwand und Kosten fielen aber sehr unterschiedlich aus. Für einige Unternehmen käme die Umstellung einer Produkt-Neueinführung gleich. Andere hätten erhebliche Aufwendungen bei Änderungen in der Inspektionstechnik oder Verschließtechnik.

Prem hob hervor, dass es viel wichtiger sei, Kunststoffe zu recyceln. „Kunststoffe sind in vielen Bereichen Verbundmaterialien, die schwer recycelbar sind.“ Der Anteil von Europa und Amerika an den Kunststoffen, die ins Meer gespült werden, sei gering. Die überwältigende Mehrheit stamme aus Asien. Auch der VDM betonte, bei Glas- und PET-Flaschen werde bereits eine Rücklaufquote von rund 99 Prozent erreicht. „Das Problem des sogenannten Litterings hat in Deutschland schon vor dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie nicht existiert.“

Grundsätzlich handele es sich beim Schraubverschluss, der vor 135 Jahren vom Briten Dan Rylands patentiert wurde, um eine Erfolgsgeschichte, sagte Prem. Es gebe andere Verschlusssysteme wie Kronkorken oder Aufreißlaschen, aber keine so einfache Methode wie den Schraubverschluss. Die Diskussion über die „tethered caps“ werde vermutlich bald verstummen. Auch an die Abschaffung von Plastiktüten oder Strohhalmen aus Kunststoff hätten sich die Menschen schließlich gewöhnt.

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