Reaktion auf Sondierungspapier HDE warnt vor Eingriffen in Mindestlohnfindung

Das Sondierungspapier von Union und SPD hat beim Handel gemischte Reaktionen ausgelöst: Der Handelsverband Deutschland begrüßt die geplante Senkung der Energiekosten für alle Branchen. Gleichzeitig warnt der Verband vor politischen Eingriffen in die Mindestlohnkommission. 

Montag, 10. März 2025, 12:47 Uhr
Manuel Glasfort (mit dpa)
Die Ergebnisse der Sondierungen zwischen Union und SPD haben in der Wirtschaft ein geteiltes Echo ausgelöst. Bildquelle: Getty Images

Nachdem Union und SPD in einem Sondierungspapier erste Pflöcke für ein gemeinsames Regierungsprogramm eingeschlagen haben, reagiert der Handelsverband Deutschland (HDE) mit Lob und Kritik.

So begrüßte der HDE die geplante Senkung der Energiekosten für alle Branchen. Die hohen Energiekosten machten dem Einzelhandel nach wie vor erheblich zu schaffen, teilte der Verband mit. „Dem Einzelhandel machen die nach wie vor hohen Energiekosten erheblich zu schaffen. Daher haben wir uns lange dafür eingesetzt, dass die Stromsteuer nicht nur für ausgewählte Branchen abgesenkt wird, sondern für alle“, erklärte HDE-Präsident Alexander von Preen in der Mitteilung.

Der HDE warnte zugleich vor weiteren politischen Eingriffen in die Arbeit der Mindestlohnkommission. Die Kommission werde durch die Zielvorgabe von 15 Euro pro Stunde im Jahr 2026 mehr und mehr zum Feigenblatt der Politik, teilte der Verband mit. „Das darf so nicht in den künftigen Koalitionsvertrag einfließen“, betonte von Preen. Wie bereits im Jahr 2022 würden ausverhandelte Tariflöhne der Sozialpartner einfach verdrängt und durch die Politik als unangemessen abgestempelt.

Der Verband begrüßte die geplante Unternehmenssteuerreform und das Bekenntnis zum Bürokratieabbau. „Statt ständig neuer Vorschriften muss es in Zukunft wieder mehr Vertrauen in die Unternehmerinnen und Unternehmer geben. Weniger Bürokratie und mehr Unternehmerverantwortung ist hier der richtige Ansatz“, zitierte der Verband seinen Präsidenten.

HDE vermisst Sozialversicherungs-Obergrenze

Der HDE kritisierte, dass ein Bekenntnis zur dauerhaften Obergrenze von 40 Prozent bei den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen fehle. Das Sondierungspapier sei an dieser Stelle zu wenig ambitioniert und lasse Lösungsansätze vermissen, teilte der Verband mit.

Der Verband forderte zudem, die Entwicklung der Innenstädte nicht aus dem Blick zu verlieren. „Attraktive Innenstädte sind eine der zentralen Säulen eines auch in Zukunft erfolgreichen Wirtschaftsstandorts Deutschland“, erklärte von Preen.

Union und SPD einigen sich auf Eckpunkte

Union und SPD hatten am Wochenende zum Abschluss ihrer Sondierungsgespräche ein Papier mit Eckpunkten veröffentlicht, das als Grundlage für die kommenden Koalitionsverhandlungen dienen soll. Festgehalten haben die Parteien unter anderem Folgendes: 

  • Steuerreform: Die „breite Mittelschicht“ soll laut Sondierungspapier entlastet werden. Geplant ist eine Reform der Einkommensteuer. Außerdem soll die Pendlerpauschale in der Steuererklärung erhöht werden.
  • Überstunden: Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, sollen steuerfrei gestellt werden.
  • Bürgergeld: Das Bürgergeldsystem soll überarbeitet werden. „Wir werden das bisherige Bürgergeldsystem neu gestalten, hin zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“
  • Gastronomie: Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll dauerhaft auf 7 Prozent sinken. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie war bereits in der Corona-Zeit von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden, allerdings nur vorübergehend.
  • Stromsteuer: Zur Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten soll die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert sinken. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen. Union und SPD wollen daneben die Übertragungsnetzentgelte halbieren, ein Bestandteil des Strompreises.
  • E-Autos: Um die schleppende Nachfrage nach Elektroautos wieder stärker anzukurbeln, planen Union und SPD wieder „einen Kaufanreiz“. Eine bestehende Kaufprämie war Ende 2023 wegen Haushaltsnöten von der Ampel-Koalition abrupt gestoppt worden, danach sackte die Nachfrage spürbar ab.
  • Landwirtschaft: Das von der Ampel-Koalition beschlossene Aus für Agrardiesel-Vergünstigungen für Bauern soll gekippt werden.
  • Pflege: Angesichts immer weiter steigender Milliardenkosten wollen Union und SPD „eine große Pflegereform“ auf den Weg bringen.

Ob die Koalitionsverhandlungen wie geplant beginnen können, wird auch davon abhängen, ob Union und SPD die Zustimmung der Grünen zu einer Änderung der Schuldenbremse bekommen. CDU, CSU und SPD hatten in ihren Sondierungen für eine Koalition vereinbart, die Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben zu lockern und zusätzliche Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur zu schaffen. Am Montag signalisierten die Grünen, nicht zustimmen zu wollen. Damit wären die Ergebnisse der Sondierungen Makulatur.

Gemischtes Echo aus Wirtschftsverbänden

Nicht nur vonseiten des HDE, auch aus anderen Wirtschaftsverbänden wurde Kritik laut an den Ergebnissen der Sondierungsgespräche. So sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger: „Wir erwarten nachhaltige Sozialversicherungsreformen, die im Sondierungspapier bislang eine Leerstelle sind“, erklärt er. Es seien keine ambitionierten Maßnahmen erkennbar, die zur Stabilisierung oder gar zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge beitrügen. Es müssten Fehlanreize abgebaut werden, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Mit Blick auf den angepeilten Mindestlohn von 15 Euro in 2026 betont Dulger: „Wir verbitten uns jede Einmischung bei der Festsetzung des Mindestlohns in der zuständigen Kommission.“

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, wertet positiv, dass die Agrardiesel-Rückvergütung wieder eingeführt werden soll. Die angepeilte Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro kritisiert er jedoch. „Mit dieser Anhebung wäre die deutsche Landwirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig. Dies wäre das Ende für den Obst-, Gemüse- und Weinanbau in Deutschland. Wir brauchen hier zwingend eine Sonderregelung für die Landwirtschaft.“

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