Geopolitische Konflikte bedrohen die Lieferketten deutscher Unternehmen am stärksten. Dies ergab eine Umfrage mehrerer Wirtschaftsverbände vor dem Deutschen Lieferkettentag, der heute in Berlin stattfindet. Sie wurde vom 18. September bis 25. Oktober vorgenommen. Beteiligt waren der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und der Mittelstandsverbund.
Cyberkriminalität und Naturkatastrophen weniger bedrohliche Risiken?
82 Prozent der befragten Unternehmen nannten geopolitische Konflikte als Hauptgefahr für ihre Lieferketten. Cyberkriminalität (acht Prozent) und Naturkatastrophen (6 Prozent) folgten mit deutlichem Abstand.
Mit Blick auf die Vereinigten Staaten rechnen die Unternehmen mit zunehmenden handelspolitischen Spannungen. 31 Prozent befürchten einen Alleingang der USA mit generellen Importzöllen und einer „America First“-Politik. Weitere 59 Prozent halten vermehrte selektive Handelshemmnisse für wahrscheinlich. Nur eine kleine Minderheit erwartet eine Abkehr vom Protektionismus oder eine Rückkehr zu einer kooperativen, multilateralen Handelsordnung.
China bleibt wichtiger Handelspartner trotz Herausforderungen
China bleibt trotz Herausforderungen ein wichtiger Handelspartner. 75 Prozent der Unternehmen bezeichnen das Land als „sehr wichtig“ (44 Prozent) oder „wichtig“ (31 Prozent) für ihre Geschäfte. Gleichzeitig fordern 64 Prozent der Befragten ein selbstbewussteres Auftreten der EU gegenüber China wegen stark subventionierter Exportprodukte.
Unternehmen sehen Lieferkettensorgfalspflichtengesetz sehr kritisch
Die Unternehmen bewerten das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sehr kritisch. 62 Prozent gaben an, dass das Gesetz für sie „eindeutige Nachteile“ (35 Prozent) oder „eher Nachteile“ (27 Prozent) gebracht habe. Als Hauptgründe nannten sie den enormen Bürokratieaufwand (71 Prozent), Wettbewerbsnachteile (10 Prozent) und Compliance-Risiken (7 Prozent).
Auch von der geplanten Europäischen Lieferkettenrichtlinie erwarten die Unternehmen überwiegend negative Folgen. 71 Prozent rechnen mit höheren Kosten für die Umsetzung der Regeln und Dokumentationspflichten, 59 Prozent mit unzumutbaren bürokratischen Belastungen.
Wirtschaftsverbände fordern mehr Pragmatismus und Dialog
Um die Herausforderungen zu bewältigen, setzen viele Unternehmen auf Digitalisierung. 18 Prozent haben bereits ein digitales Upgrade ihrer Lieferkettenüberwachung durchgeführt, 12 Prozent setzen es gerade um und 28 Prozent planen dies für die Zukunft.
Die Wirtschaftsverbände fordern angesichts dieser Ergebnisse einen neuen Ansatz in der Handelspolitik und Lieferkettenüberwachung, der auf Pragmatismus und Dialog setzt. Sie erwarten von der Politik in Deutschland und der EU eine abgestimmte Strategie. Diese solle bürokratische Berichtspflichten reduzieren und offene Handelsbeziehungen fördern.