Risikofaktor Trump Worauf sich die Branche einstellen muss

Top-Thema

Zieht Donald Trump noch einmal ins Weiße Haus ein, droht der Handelskonflikt mit der EU neu zu entflammen. Die Aussicht löst Sorgen in der Ernährungsindustrie aus.

Donnerstag, 15. August 2024 - Strategie
Manuel Glasfort
Artikelbild Worauf sich die Branche einstellen muss
Bildquelle: Adobe Stock

Das Rennen von Donald Trump und Kamala Harris um die nächste US-Präsidentschaft wird die Welt in den nächsten Monaten in Atem halten. Am 5. November geben die Amerikaner ihre Stimmen ab, und der Ausgang der Wahl dürfte auch Folgen für die Ernährungsbranche hierzulande haben – insbe­son­dere bei einem Sieg Trumps, steht er doch für eine protektionistische Politik. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte der Republikaner Handelskonflikte heraufbeschworen, unter anderem mit der EU. Unter Joe Biden legten die USA und Europa ihre Streitigkeiten zumindest vorläufig bei. Dabei dürfte es nicht bleiben, sollte Trump gewählt werden. Zu seinem Forderungskatalog gehört die Einführung eines zehnprozentigen Zolls auf fast alle Importe in die USA.

Das verheißt auch für die deutsche Lebensmittelbranche nichts Gutes. „Die USA waren schon immer ein sehr wichtiger Handelspartner für die deutsche Lebensmittelindustrie. Im transatlantischen Handel sind sie sogar der wichtigste“, sagt Stefanie Sabet, Geschäftsführerin und Leiterin des Brüsseler Büros der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Nahrungs-, Futtermittel und Getränke im Wert von rund zwei Milliarden Euro gingen im Jahr 2023 aus Deutschland in die USA. Die größten deutschen Exportschlager waren dabei Süßwaren, Kaffee und Tee, Dauerbackwaren sowie Stärke und Stärkeerzeugnisse.

Umgekehrt beliefern auch die USA Deutschland mit Lebensmitteln. Allerdings lag der Wert der Einfuhren aus den USA zuletzt bei 1,2 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Im bilateralen Handel mit Lebensmitteln hat Deutschland einen deutlichen Exportüberschuss. Eine große Rolle unter den Importen aus den USA spielen verarbeitetes Obst und Gemüse, Fischerzeugnis­se und andere Meeresfrüchte sowie Spirituosen. Es war kein Zufall, dass die Europäische Union im Jahr 2018 hohe Vergeltungszölle nicht nur auf Jeans und Motorräder aus den USA erhob, sondern auch auf Erdnussbutter und Bourbon-Whiskey. Mit diesem Schritt hatte die EU auf amerikanische Strafzölle auf bestimmte Eisen-, Stahl- und Aluminiumerzeugnisse reagiert. Die unter Trump verhängten Zölle und die Gegenzölle der EU sind aktuell ausgesetzt, vorerst bis 2025.

Grundsätzlich sind die Zölle zwischen den USA und Europa im Lebensmittelbereich relativ überschaubar, wie BVE-Geschäftsführerin Sabet berichtet. Bei den Exporten in die USA liegen sie bei etwa 2,5 Prozent, bei den Impor­ten von dort in die EU bei etwa 5 Prozent. In einzelnen Bereichen gebe es jedoch noch recht hohe Zollsätze, beispielsweise bei manchen Fischerzeugnissen. Unter einem Präsidenten Trump, der sich als „Mister Tariff Man“ (Mister Zoll) bezeichnet hat, könnte sich die Situation schnell verschärfen. Kein Wunder, dass die deutsche Ernährungsindustrie einer neuerlichen Trump-Präsidentschaft skeptisch gegenübersteht, wie der jüngste BVE-Exportindikator aus dem Frühjahr zeigt. „Ein Sieg Trumps wird von einer Mehrheit der befragten Unternehmen als Risiko gesehen.“ Ganze 73,5 Prozent der befragten Exportexperten kommen zu dieser Einschätzung. Lediglich 5,8 Prozent sahen darin eine Chance. Einen deutlichen Abbau von Handelshemmnissen erwartet eine Zweidrittelmehrheit allerdings auch nicht für den Fall eines Sieges der Demokraten.

Mögliche Handelsbarrieren

Eine wichtige Rolle als Abnehmer spielen die USA besonders für die deutsche Süßwarenbranche. Nach Angaben des Branchenverbands BDSI gehen 5 Prozent der Süßwarenexporte an Menge und Wert in die USA. Unter den Drittländern außerhalb der EU kommt das Land sogar auf 18 Prozent Wertanteil. Für die Süßwaren sind Trumps Pläne daher bedrohlicher als für andere Segmente der Lebensmittelindustrie. Das gilt umso mehr, als die Süßwarenbranche mittelständisch geprägt ist und die Unternehmen in aller Regel keine Werke direkt in den USA betreiben. Eine Ausnahme bildet Haribo. Der Bonner Gummibärchen-Gigant hat erst im vergangenen Jahr im Bundesstaat Wisconsin sein erstes amerikanisches Werk eröffnet. „Wir bereiten unser Unternehmen damit strategisch auf ein langfristiges Wachstum in den USA vor“, teilte eine Sprecherin mit. Das US-Werk produziere Goldbären und erste weitere Fruchtgummiprodukte. Man wolle die Produktion dort weiter hochfahren.

Brauereien in Sorge vor hohen Strafzöllen

Auch für die deutsche Brauwirtschaft sind die USA ein wichtiger Absatzmarkt, wie Dr. Rodger Wegner, Geschäftsführer des Verbandes der Ausfuhrbrauereien Nord-, West- und Südwestdeutschlands, betont. Die US-Kunden schätzten das deutsche Reinheitsgebot. „Der US-Markt ist denn auch für die deutschen Brauereien mit Blick auf das alkoholhaltige Bier der sechstgrößte Absatzmarkt. Beim alkoholfreien Bier liegen die USA sogar auf Platz 3.“ Wegner sagt: „Ein Zusatzzoll von 10 Prozent wäre zweifelsohne absatzdämpfend.“ Mehr Sorgen als ein etwaiger Zusatzzoll bereitet ihm allerdings etwas anderes. Die Streitigkeiten vor der Welthandelsorganisation zu Stahl und Aluminium sowie zur Luftfahrtindustrie ruhen derzeit und dürfen, so Wegner, nicht erneut eskalieren. Denn: „Schon in den Jahren 2017 bis 2019 erschienen das alkoholhaltige und das alkoholfreie Bier mehrfach auf den Vorschlagslisten der US-Administration für Produkte, die mit Strafzöllen belegt werden sollten. Hier stünde somit bei einer erneuten Eskalation der handelspolitischen Auseinanderset­zun­gen dann die Gefahr von prohibitiven Strafzöllen von bis zu 100 Prozent im Raum.“ Das gelte es durch kluge Diplomatie „bei künftig möglicherweise noch schwieriger werdenden Rahmenbedingungen zu verhindern“.

Professor Carsten Kortum von der DHBW in Heilbronn sieht die Situation gelassen, gleich, wer im Weißen Haus ab Januar 2025 den Ton angibt. „Zölle sind ein Mittel der Politik, um Druck auszuüben. Wenn solche Maßnahmen angedroht werden, wird meistens eine relevante Warengruppe herausgepickt, die besondere Schmerzpunkte im Zielland hervorruft“, betont er.

Claus Paal, Präsident der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, sieht keinen Handelskrieg auf uns zukommen. US-Amerikaner seien Business-Leute, die Geld verdienen wollten. Deshalb ziele Trump eher auf China ab, hier sei das US-Handelsbilanzdefizit gigantisch. Paal verweist auf einen politischen Fehler: „Hätten wir vor ein paar Jahren das Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership-Abkommen nicht wegen Chlorhühnchen scheitern lassen, bräuchten wir uns überhaupt keine Sorgen zu machen.“ Was die Politik versäumt hat, müsse letztlich die Wirtschaft teuer bezahlen.

Beschaffung könnte schwieriger werden

Der Ulmer Nüsse- und Trockenfrüchtespezialist Seeberger erwartet für den Fall einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps Bewegung im Beschaffungsmarkt. „Wir beziehen unter anderem Mandeln, Walnusskerne und Pflaumen auch aus den USA, allerdings aus strategischen Gründen nicht mehr ausschließlich von dort“, teilte ein Sprecher mit. Trotzdem blicke man mit gewisser Sorge auf eine mögliche Wiederwahl Trumps. In seiner letzten Amtszeit habe die EU Gegenzölle auf einige US-Agrarprodukte verhängt. Die USA sind führend beim Export von Mandeln, die für Marzipan und viele andere Süßwaren benötigt werden.