Fangquoten Hering könnte die Ostsee-Fischerei retten

In den vergangenen Jahren sind die Fischfangquoten für Dorsch und Hering regelmäßig zurückgegangen. Aktuell sind die Quoten so niedrig, dass an einen auskömmlichen Fischfang kaum zu denken ist. Doch das muss nicht so bleiben, sagt ein Fischereiwissenschaftler.

Montag, 01. August 2022, 06:23 Uhr
Lebensmittel Praxis
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Christopher Zimmermann, Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, sieht zwar die massiven Probleme, denen die Ostsee, die Fische und damit die Fischer ausgesetzt sind. Doch gebe es Wege aus der Krise. Erste Schritte seien gemacht, Gremien einberufen, Entscheidungen werden vorbereitet - am Ende müssten Politiker im Bund und den Ländern den Mut haben, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen, sagt er.

Die Bestandsanalyse für die westliche Ostsee besage nichts Gutes, denn die menschengemachten Probleme wie Überfischung, Überdüngung und der voranschreitende Klimawandel haben den wichtigen Fischarten zugesetzt: „In den vergangenen fünf Jahren sind die Quoten in der westlichen Ostsee für den Dorsch um 95 und den Hering um 97 Prozent gekürzt worden“, sagt Zimmermann. Damit falle die Existenzgrundlage weg. Da es dem Lachs, der Meerforelle in der südlichen Ostsee und dem Aal auch nicht gut gehe, blieben für Fischer in der westlichen Ostsee die Plattfische und die Süßwasserfische vorwiegend in den Boddengewässern. Sie könnten die Verluste bei den Brotfischen aber nicht ausgleichen.

Hoffnung gebe es nun für den Hering der westlichen Ostsee, da es für 2022 erstmals eine Einigung aller Ostsee-Fischereinationen gebe, die Fangquoten erheblich zu reduzieren. So gebe es eine zusätzliche Chance, dass sich der Bestand erholen können. Erste positive Effekte seien in ein oder zwei Jahren zu erwarten, aber auch bei gutem Verlauf werde es fünf bis sieben Jahre bis zur Erholung dauern.

Um die positiven Entwicklungen vorantreiben zu können, seien in den vergangenen Monaten mehrere Gremien gegründet worden. In einer sogenannten Zukunftswerkstatt mit nur wenigen Vertretern fließen sämtliche bekannte Ideen und Vorschläge ein und würden dort gewichtet. Bis Mitte 2023 sollen belastbare Ergebnisse an eine Leitbildkommission weitergeleitet werden. Dort sitzen dann Vertreter der Behörden, Wirtschaft und Verbänden aus den Bereichen Fischerei, Umwelt oder Tourismus. Deren Resultate sollen an einem „Runden Tisch Ostseefischerei“ von der Bundes- und Landespolitik verbindlich beschlossen werden. Ziel sei, die Grundstrukturen der Küstenfischerei zu erhalten, um auf eine Erholung der Bestände vorbereitet zu sein.

Der Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Kutter- und Küstenfischer, Peter Breckling, begrüßte die Einrichtung dieser Gremien. „Wir müssen einmal alle Ideen gemeinsam auf einem Tisch haben.“ Doch letztlich hänge alles von der Frage ab, ob in Zukunft noch Fische da sein werden, mit denen man Geld verdienen kann. Das müsse zunächst die Biologie beantworten. „Wir brauchen eine Lebensmittelproduktion unter Wettbewerbsbedingungen mit einem marktwirtschaftlichen Ansatz.“ Dann könnten auch andere maritime Gewerke ihren Platz finden, sagte Breckling. „Aber Folklore mit einem bärtigen Pudelmützenträger im Hafen brauchen wir nicht.“

Angesichts der vielfältigen Interessen sei kein einheitliches Ergebnis für alle beteiligten Länder und Kommunen zu erwarten, sagte Zimmermann. Dennoch böten solche Gremien die Möglichkeit, die Ideen einzubringen und in Einklang mit anderen Forderungen zu bringen. So könnten manche Fischer, die sich wirtschaftlich nicht mehr halten können, von Kommunen angestellt werden. Dies könne auch dem Tourismus dienen, da Fischerei zur Identität der Region gehöre. Auch die Sportfischerei können gefördert werden.

Prinzipiell müsse das öffentliche Ansehen der Fischerei verbessert werden. Die Branche leide unter massiven Nachwuchsproblemen und sei komplett überaltert. Auch der Schiffsbestand müsse dringend aufgebessert werden. Die Nutzungskonkurrenz mit der Windkraftindustrie im Streit um die Meerflächen sei für allen Beteiligten kontraproduktiv. Es könne durchaus über Co-Nutzungen zum Beispiel mit Algenzuchten nachgedacht werden.

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