Höherer Mindestlohn In der Lebensmittelbranche nimmt der Protest zu

Der Protest gegen den Mindestlohn-Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nimmt in der Lebensmittelbranche zu. Unter anderem warnt das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände vor „massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ und Gefahren für die Lebensmittelversorgung.

Montag, 16. September 2024 - Handel
Thomas Klaus
Artikelbild In der Lebensmittelbranche nimmt der Protest zu
Hat Gegenwind: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Bildquelle: BMAS

Gegen den Mindestlohn-Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wächst auch in der Lebensmittelbranche der Protest. So warnt das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände vor „massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ und Gefahren für die Lebensmittelversorgung. Ein nochmals deutlich höherer Mindestlohn würde die von Handarbeit geprägte Ernte von Spargel, Erdbeeren und anderen saisonalen Produkten besonders treffen. Davon ist Vorstand Simon Schumacher überzeugt.

Schumacher rechnet vor: „Seit der Einführung des Mindestlohns 2015 wurden in Deutschland 42 Prozent der Freilandanbauflächen für Erdbeeren aufgegeben. Und jeder vierte Spargelbetrieb in Deutschland hat seine Produktion eingestellt.“

Der Anteil der Löhne an den Gesamtkosten läge zum Beispiel bei Erdbeerbetrieben bei 50 bis 60 Prozent. Bereits das derzeitige Mindestlohnniveau von 12,41 Euro pro Stunde sei „für viele Obst- und Gemüsebauern eine große Herausforderung“, so der Vorstand.  Er betont: „Die Mindestlohnerhöhung wird nicht nur den Personalaufwand deutlich steigern, sondern auch zu Ernteausfällen führen. Viele Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien, erreichen durch die höheren Löhne schnell ihre Einkommensziele und verlassen die Betriebe vorzeitig, unabhängig von der Erntesituation und ihres Arbeitsvertrags.“

Mindestlohn im Widerspruch zu Klimazielen

Zusätzlich fördere ein höherer Mindestlohn den Import von Obst und Gemüse aus Südeuropa und Übersee, weil diese dort günstiger produziert und angeboten werden könnten. Darin sieht Schumacher einen Widerspruch zu den Klimazielen der Bundesregierung. Schließlich seien Importe in der Regel mit höheren CO₂-Emissionen verbunden. Der Netzwerk-Chef: „Die Bundesregierung fährt kostenintensive Kampagnen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, während in Deutschland wertvolle Ernteerträge aufgrund der Arbeitsmarktsituation ungenutzt bleiben.“

Per Brief vom 9. September hatte Hubertus Heil die formal unabhängige Mindestlohnkommission aufgefordert, sie solle bei ihrem nächsten Beschluss im Juni 2025 den „Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns“ berücksichtigen. Das wären nach Hochrechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes 15,27 Euro pro Stunde. In seinem Schreiben an die Mindestlohnkommission bezieht sich Heil auf die Vorgabe der Europäischen Mindestlohnrichtlinie. Von einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmer könne demnach erst ausgegangen werden, wenn die Lohnuntergrenze bei 60 Prozent des mittleren Lohns (Median) liegt.

Im „Morgenmagazin“ der ARD hatte Heil prognostiziert, dass der Mindestlohn 2026 zwischen 14 und 15 Euro betragen werde.

Der Mindestlohn wird das nächste Mal zum 1. Januar 2026 erhöht. Zurzeit liegt er bei 12,41 Euro pro Stunde und steigt 2025 auf 12,82 Euro. Im Juni 2023 hatte die Mindestlohnkommission zum ersten Mal mit Mehrheit und gegen den Willen der Arbeitnehmer Erhöhungen in diesem Umfang beschlossen. Das hatte Bundeskanzler Olaf Scholz als „Tabubruch“ gebrandmarkt. Der Regierungschef unterstützt ein schrittweises Anheben des Mindestlohns auf 15 Euro: „Natürlich müssen diejenigen, die hart arbeiten und wenig verdienen, bessere Löhne haben.“ Das ist auch die Position der Bundes-SPD.

Arbeitgeber drohen mit Ausstieg

Steffen Kampeter, der die Arbeitgeber in der Mindestlohnkommission vertritt, hält die rechtliche Interpretation in dem Heil-Brief für falsch. Denn die EU-Mindestlohnrichtlinie nenne beispielhafte Orientierungspunkte, verzichte aber auf verbindliche Lohnhöhen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kündigt in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ an, dass die BDA-Gremien „in naher Zukunft“ über einen Ausstieg aus der Mindestlohnkommission diskutieren würden.  

Die Initiative des Bundesarbeitsministers wird ebenfalls vom Handelsverband Deutschland (HDE) abgelehnt. Steven Haarke, HDE-Geschäftsführer für Arbeit, Bildung, Sozial- und Tarifpolitik, sagt an die Adresse des Ministers und seiner Regierung: „Tarifverträge auszuhandeln, ist allein Aufgabe der Sozialpartner. Mehr staatliche Einflussnahme ist nicht hilfreich.“ Das gelte insbesondere für rein politisch motivierte Anhebungen des Mindestlohnes per Gesetz ohne Beteiligung der unabhängigen Mindestlohnkommission wie zuletzt im Jahr 2022. Damals hatte der Bundestag per Gesetz den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro pro Stunde erhöht und die Arbeit der Mindestlohnkommission ausgehebelt. 

„Auch öffentlich vorgetragene Erwartungshaltungen von Mitgliedern der Bundesregierung bezüglich der zukünftigen Mindestlohnhöhe sind nicht nachvollziehbar“, so Haarke weiter. Die aus jeweils drei Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzte Mindestlohnkommission habe sich etabliert und die Entscheidungen bewegten sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Demnach habe sich die Mindestlohnkommission bei ihrer Empfehlung nachlaufend an der Tarifentwicklung zu orientieren, erinnert Steven Haarke.

Ungemach droht Minister Heil vom Koalitionspartner FDP. „Von Seiten der FDP wird es keine Unterstützung für die Vorschläge von Heil geben“, versichert Carl-Julius Cronenberg, der mittelstandspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Liberalen. Die Cronenberg-Parole lautet: „Hände weg von der unabhängigen Mindestlohnkommission!“

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