Rüschens Kolumne Discounter haben die Nase vorn

Wie lässt sich Nachhaltigkeit erfassen, messen und vergleichen? Warum schneiden Discounter tendenziell besser ab als selbstständige Händler?

Dienstag, 28. Mai 2024, 15:50 Uhr
Prof. Dr. Stephan Rüschen
Bildquelle: Mirco Moskopp

Meine Studierenden haben in einem Seminar die Nachhaltigkeitsberichte der größten Lebensmittelhändler analysiert. Die Berichte, die teilweise schon seit Jahren erstellt werden, sind sehr umfangreich und detailliert. Außerdem fällt auf, dass die Handelsunternehmen für ihre Maßnahmen konkrete (terminiert und quantifiziert) Ziele setzen. Dies ist sehr erfreulich, da Nachhaltigkeit somit nicht nur eine übergeordnete Willensbekundung bleibt, sondern auch zu einem Commitment für die Veränderung des eigenen Wirtschaftens wird. Quantifizierte Ziele stellen schon immer eine Grundlage für ökonomisches Handeln dar: „What gets measured gets managed.“

Ein Vergleich der Ziele und Maßnahmen in den Berichten zeigt aber auch, dass es sehr schwierig ist zu beurteilen, welches Handelsunternehmen die wirkungsvollste Nachhaltigkeitspolitik hat. Denn die Ziele sind bezüglich des Basisjahres und des Zieljahres häufig unterschiedlich und somit nicht vergleichbar.

Aus Kundensicht wäre es begrüßenswert, wenn dies vereinheitlicht werden könnte. Dann könnte der Verbraucher die Einkaufsstättenwahl einfacher nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vornehmen. Bei einer Befragung der DHBW Heilbronn (Dezember 2023) haben 40 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ihre Einkaufsstättenwahl an der Nachhaltigkeit der Händler orientieren. Nachhaltigkeit kann also den Unterschied machen, warum ein Kunde zu Händler A oder B geht.
Meine Studierenden haben noch ein weiteres – vielleicht überraschendes – Fazit gezogen: Discounter können ihre Ziele deutlich verbindlicher formulieren als die genossenschaftlichen Handelssysteme. Das ist tatsächlich erklärbar, da die Zentralen der Discounter Durchgriff auf alle Entscheidungen (Lieferanten, Produkte, Logistik) haben, während die genossenschaft­lichen Systeme auf die dezentralen Entscheidungen der selbstständigen Einzelhändler angewiesen sind. Diese könnten vermutlich auch nur mit sehr hohem Aufwand erfasst werden. So kann ein Discounter zum Beispiel einfacher Tierwohl-Ziel­setzungen konkret formulieren und durchsetzen, da die Filialen kein Fleisch dezentral zukaufen können.

Aus Kundensicht könnten daher die Discounter trotz Massenproduktion eine höhere Glaubwürdigkeit in puncto Nachhaltigkeit bei Kunden erreichen, da sie ihre Maßnahmen und Ziele noch ambitionierter und messbarer formulieren können. Was Nachhaltigkeit tatsächlich ist, bleibt komplex. Mehr Vereinheitlichung der Berichte ist für einen fairen Wettbewerb hilfreich.

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