Bauernproteste Landwirte wollen keinen „faulen Kompromiss“

Rund ums Brandenburger Tor in Berlin haben sich am Montagvormittag Tausende Landwirte, Handwerker und Spediteure mit schwerem Gerät für eine Großkundgebung versammelt. Finanzminister Christian Lindner (Foto) stellte sich den Protestierenden.

Montag, 15. Januar 2024 - Hersteller
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Bildquelle: Bundesministerium der Finanzen

Traktoren, Lastwagen und andere Fahrzeuge standen am Morgen in mehreren Reihen dicht hintereinander auf der Straße des 17. Juni sowie der Straße Unter den Linden. Nach Angaben der Polizei haben sich rund 8.500 Teilnehmer vor dem Brandenburger Tor versammelt. Die Demonstranten seien mit mehr als 6.000 Fahrzeugen vor Ort. Allerdings kämen weiterhin Demonstranten hinzu - die Zahl werde also noch weiter steigen. Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte zuvor auf der zentralen Kundgebung gesagt, er kenne keine genaue Teilnehmerzahl, gehe aber von rund 30.000 Demonstranten aus.

Rukwied verlangte dort erneut eine Rücknahme von Mehrbelastungen für die Landwirtschaft. „Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück“, sagte Rukwied an die Adresse der Ampel-Koalition am Montag bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin. Die Demonstration setze ein Zeichen an die Bundespolitik: „Es reicht, zu viel ist zu viel.“ Die Branche sei gesprächsbereit, der von der Bundesregierung angebotene Kompromiss sei aber nicht fair, sondern faul. „Den nehmen wir nicht hin“, sagte Rukwied.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die Pläne zum Abbau von Steuervergünstigungen für die Bauern gerechtfertigt, zeigt sich aber offen für Erleichterungen an anderen Stellen. „Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben, sondern nur einen fairen Beitrag“, sagte der FDP-Chef bei der Kundgebung der Bauernverbände am Brandenburger Tor in Berlin. Der Protest sei bereits erfolgreich gewesen, die Regierung habe die Argumente gehört. So ändere sich bei der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge nichts, die Agrardiesel-Begünstigung solle nicht sofort entfallen, sondern nur schrittweise abgebaut werden.

Lindner betonte in seiner von Unmutsbekundungen begleiteten Rede zugleich: „Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen.“ Der Minister sprach etwa Bürokratievorgaben, Umwelt- und Tierhaltungsauflagen an. Zu prüfen seien auch mögliche steuerliche Erleichterungen, wenn Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken. „Die Landwirtschaft ist keine Branche wie jede andere“, sagte Lindner. Er wies zugleich darauf hin, dass es jährlich neun Milliarden Euro öffentliche Forderung aus Brüssel und Berlin gebe. Er nannte die Bauern-Proteste legitim und friedlich.

Die Demonstration ist der Höhepunkt einer Aktionswoche, mit der Landwirte in den vergangenen Tagen bundesweit gegen die schon abgeschwächten Pläne der Ampel-Koalition mobil gemacht haben. Für Einsparungen im Haushalt 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung wegfallen. Ursprünglich sollte sie sofort ganz wegfallen. Nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen.

Auf der Großdemonstration in Berlin hat neben den Landwirten auch die Transportbranche die Bundesregierung zum Umsteuern aufgerufen. „Unserer Branche reicht es auch“, rief der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, am Montag vor mehreren Tausend Demonstranten am Brandenburger Tor in Berlin.

Engelhardt kritisierte deutlich die zum vergangenen Dezember erhöhte Lkw-Maut, die seitdem auch einen Aufschlag für den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) enthält. Es heiße, diese Abgabe solle der Transformation zugutekommen, gleichzeitig mangele es aber unter anderem an geeigneten Ladestationen und Stromnetzen, um den Logistikverkehr klimafreundlich umzustellen, kritisierte der Branchenvertreter.

„Unsere Mittelständler halten das nicht mehr durch“, warnte Engelhardt und drohte weitere Demonstrationen für den Fall an, dass die Ampel-Regierung der Branche nicht entgegenkommt. Würden zwei oder drei Tage lang keine Güter von den BGL-Mitgliedern transportiert, „dann haben wir das blanke Chaos“.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) unterstützt die andauernden Bauernproteste. „Der Mittelstand steht solidarisch zusammen, die Landwirte sind auch Mittelstand“, sagte der Vorsitzende der BVMW-Bundesgeschäftsführung Christoph Ahlhaus (CDU) der Deutsche Presse-Agentur am Montag. Demnach betrifft der Protest weitaus mehr Unternehmen als nur die Landwirte. „Die Leistungsträger in diesem Land werden zunehmend ignoriert in ihren (...) existenziellen Sorgen“, sagte der ehemalige Hamburger Bürgermeister weiter. Die Bundesregierung tue dagegen nichts. Laut Umfragen des Bundesverbands hätten die Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP nur noch ein gutes Viertel der befragten mittelständischen Unternehmer auf ihrer Seite.

Bauernpräsident Joachim Rukwied betonte mit Blick auf die bundesweiten Proteste der Landwirte, es sei nicht gelungen, das Anliegen in die rechte Ecke zu drängen. Die Bäuerinnen und Bauern seien aufrechte Demokraten und stünden zum Grundgesetz. Rukwied wies darauf hin, dass weiterhin eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln gewährleistet sein müsse. Das sei auch die Grundlage für eine stabile Demokratie.

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