Gewinner 2023 Die Eigenmarken-Lieblinge stehen fest

No Names sind sie längst nicht mehr. Nicht nur wegen knapper Kundenbudgets haben sich Private Labels längst zur relevanten Markenkonkurrenz gemausert – in allen Preislagen.

Artikelbild Die Eigenmarken-Lieblinge stehen fest
EML-Testung: Bewerber intensiv durchgecheckt.
Bildquelle: Ingo Hilger, IPLC, Rewe Group, Aldi Süd, Lekkerland, Bettina Röttig

Sie stehen für einen Umsatz von über 85 Milliarden Euro pro Jahr: Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel sowie die Drogeriemärkte sind ohne ihre Eigenmarken von Preiseinstieg bis Premium nicht mehr denkbar. Und sie wachsen weiter. Aktuell meldet die GfK mit Blick auf das erste Halbjahr 2023 einen Marktanteil von knapp 46 Prozent; das ist ein Zuwachs von 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dahinter steckt hohes Umsatzwachstum: Der Preiseinstieg wächst am stärksten (plus 21 Prozent im Umsatz), aber auch die Handelsmarken im mittleren (plus 14,2 Prozent) und im Premium-Segment (plus 14,5) wachsen.

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„Eigenmarken ermöglichen gerade in diesen Zeiten integriertes Kategoriewachstum bei den Kunden.“
Lukas Ziegler, Lekkerland SE

Dem Kunden scheint es längst egal, zu welcher Art Produkt er greift. Es gebe eine nahezu ausgeglichene Präferenz, wenn es um Handelsmarken oder Markenartikel geht, meldet eine Trendstudie des Online-Vermarkterkreises (OVK). Demnach sind für 83 Prozent der Konsumenten die jeweiligen Produkte identisch. Handelsmarken bezeichnen – je nach Produktbereich – 43 bis 60 Prozent als „ihre erste Wahl“. Bei Haushaltsprodukten lag der Wert bei 54 Prozent, bei Körperpflege- und Kosmetikartikeln bei 53 Prozent und auch für die Gesundheit nannte die Mehrheit mit 52 Prozent Handelsmarken vor Markenartikeln. Der Grund liegt, so die OVK-Studie, auf der Hand: 80 Prozent würden aufgrund der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten ihre Kaufentscheidungen in erster Linie über den Preis treffen. 83 Prozent der Befragten sind überzeugt, Handelsmarken und Markenartikel seien im Prinzip das Gleiche und würden oftmals im gleichen Werk produziert. „Die Inflation hat die ohnehin positive Entwicklung von Private Label weiter verstärkt oder einfach vorweggenommen. Eigenmarken sind somit kein kurzfristiges Phänomen, sondern eine Konsequenz von guter Arbeit an den Marken des Handels“, analysieren die Eigenmarken-Experten Sonja Jacobs und René Dolata von IPLC. „Gleichzeitig haben sich Marken vielerorts zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht, sodass gerade Mittelmarken durch Private Label überholt wurden.“

Mehr noch: Laut der Ergebnisse der Smartcon-Studie „Konsum-Klimawandel 2023“ sind Handelsmarken und Eigenmarken auch in puncto Image auf „Schlagdistanz“ zu den großen Marken. Handelsmarken können mehr als nur billig, so die Smartcon-Experten, sie würden von einer Mehrheit der Verbraucher (77 Prozent) unabhängig vom Einkommen als cleveres Smartshopping ohne Abstriche bei Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit gesehen. Bezüglich des Aspekts Nachhaltigkeit im Sinne von gesellschaftlicher Verantwortung liegen die Handelsmarken und Eigenmarken von Edeka, Rewe, Aldi und Lidl laut Smartcon sogar vor den Markenprodukten. In den Kategorien Vertrauen, Sicherheit und Unbedenklichkeit liegen sie mit den Markenprodukten mehr oder weniger gleichauf. „Herstellermarken haben nur noch eine geringe Differenzierung gegenüber den Handelsmarken, und wenn, dann liegt diese im Preis“, analysierte auch kürzlich Stephan Rüschen, Professor für Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Heilbronn.

Das Ende der Marke?

Für den Markenartikel scheinen also dunkle Zeiten anzubrechen. Die GfK sprach bereits von Markendämmerung – und geht zwar nicht von einem Ende der Herstellermarke, jedoch zumindest von einer dauerhaften heftigen Konkurrenzsituation aus. Dieser müssten sich die Herstellermarken stellen, betont die GfK. „Die Traditionsmarken müssen sich verändern, um attraktiver als Handelsmarken zu bleiben und damit die Menschen bereit sind, für die Herstellermarken auch weiterhin einen höheren Preis zu bezahlen“, erläutert GfK-Geschäftsführer Dr. Robert Kecskes.

„Marken sind nach wie vor die Ankerpunkte im Regal. Allerdings ist eine gute, etablierte Marke kein Garant für anhaltenden Erfolg am Markt“, finden auch Sonja Jacobs und René Dolata. Marken müssten sich wieder profilieren und positionieren. „Der Handel und die Eigenmarke sollten jedoch auf die Herstellermarke nicht verzichten“, macht Jacobs deutlich. „Durch die Marketingmaßnahmen der Marken wird gleichzeitig auch für die ganze Kategorie geworben, sodass insbesondere bei neuen Kategorien das Invest der Herstellermarken wichtig ist, um Handelsmarken-Produkte überhaupt ins Blickfeld der Shopper zu bringen.“

„Immer mehr Kunden greifen zu qualitativ vergleichbaren, aber preislich günstigeren Eigenmarken.“
Philipp Stiehler, Geschäftsführer Rewe Group Buying

Junge Zielgruppe bevorzugt Marken

Einem jähen Ende der Herstellermarke widersprechen auch die Präferenzen der sogenannten iBrains, also der ganz jungen Zielgruppe. Diese sind Fans von Markenartikeln, so jedenfalls das Fazit der OVK-Studie. 36 Prozent der 16- bis 29-Jährigen gaben an, dass ihnen das Prestige beim Kauf von Markenartikeln wichtig sei. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es hingegen nur 28 Prozent, bei den über 50-Jährigen nur 18 Prozent.

So bleibe eine Co-Existenz von Hersteller- und Handelsmarken letztendlich das Beste für die Kategorie, meint René Dolata. „Markenhersteller sollten sich durchaus Gedanken dazu machen, wie sie sich vor diesem Hintergrund neu positionieren. Handelsmarkenhersteller müssen ebenfalls am Ball bleiben, denn auf beiden Seiten bedarf es Ideen und Konzepten, um sich den neuen Herausforderungen am Markt anzupassen“, ergänzt seine Kollegin Jacobs.

Der Wettbewerb Eigenmarken-Liebling

Für die LP ist diese Gemengelage Grund genug, um gemeinsam mit der IPLC den neuen Wettbewerb Eigenmarken-Liebling (EML) aus der Taufe zu heben und damit den Handelsmarken erstmals eine Bühne zu geben. „Bisher gab es in Deutschland noch keinen Award für Eigenmarken-Produkte“, beschreibt es Dolata. Vor dem Hintergrund der langen Historie von Private Label in Deutschland und dem anhaltenden Erfolg sei das eigentlich ein Unding. „Die LP und IPLC haben daher mit dem Eigenmarken-Liebling offene Türen in der sonst eher verschlossenen Branche eingerannt“, sagt Sonja Jacobs.

Die Sieger in den 14 Kategorien zeigen wir in der Übersicht auf den Seiten 16 und 17; die Gesamtsieger plus den Sieger in der Kategorie Nachhaltigkeit auf Seite 10. Abgeräumt haben vor allem Lidl und Rossmann. Aber auch Aldi Süd, Penny, Müller, Lekkerland, Zooplus und Action waren außerordentlich erfolgreich.

Was die Sieger auszeichnet

Müller in Ulm konnte in gleich zwei Kategorien (Nonfood sowie Körperpflege) die vorderen Plätze belegen und spricht von „begeisterten Kunden“, die die Produkte Echt Anti Age Tagescreme und CV Hylaron Serum sowie die Zahnbürste Sensident liebten – weil es „einen sichtbaren Sofort-Effekt gebe sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar“ sei. Alle drei Produktlinien würden weiter ausgebaut, so das Unternehmen.

Der Nonfood-Discounter Action, stark ebenfalls in der Kategorie Nonfood sowie bei Tierbedarf, führt aktuell 73 Eigenmarken in seinem Sortiment. Die Eigenmarkenlinien bestehen aus verschiedenen Produkten, bespielt werden insgesamt 14 Produktkategorien. „Wir bewerben unsere Produkte das gesamte Jahr über“, erläutert das Unternehmen. Dazu werden Digital- und Printkanäle oder auch die Filialen selbst genutzt. Jede Woche gebe es Aktionsartikel, die prominent am Eingang der Filialen platziert werden. „Wenn wir eine neue Filiale eröffnen, werden rund um den Standort Flyer verteilt, in denen wir unsere Eigenmarken vorstellen, um sie bei Kundinnen und Kunden bekannter zu machen. Darüber hinaus sind die Produkte auch Teil unserer Marketing-Kampagnen, wenn es zum Thema und zur Jahreszeit passt. Zudem finden Kundinnen und Kunden Informationen zu den Produkten auf unserer Webseite“, beschreibt es ein Unternehmenssprecher.

„Die beliebten Aldi-Eigenmarken haben das mit Abstand beste Preis-Leistungs-Verhältnis.“
Julia Adou, Aldi Süd

„Die beliebten Aldi-Eigenmarken haben das mit Abstand beste Preis-Leistungs-Verhältnis und machen etwa 90 Prozent des Sortiments aus“, kommentiert Julia Adou, Director Sustainability bei Aldi Süd. Der Discounter konnte sich mit dem Nur Nur Natur Joghurt in der Kategorie Molkerei durchsetzen. Der Joghurt ist seit Juni in allen 2.000 Filialen erhältlich; das gesamte Sortiment wird derzeit sukzessive erweitert. „Mitte 2024 werden 50 Produkte der neuen Bio Eigenmarke verfügbar sein“, plant Adou. Umfangreiche Marketingmaßnahmen auf allen Kanälen begleiten die Einführung.

Rossmann stellt zwei Gesamtsieger sowie einen weiteren Kategoriesieger. Für das Unternehmen selbst kaum eine Überraschung, denn: „Jedes dritte verkaufte Produkt ist eine Eigenmarke“, kommentieren die Großburgwedeler. „Bei den beiden Warengruppen Fleischalternativen und Süße Brotaufstriche ist der Anteil deutlich höher. Bei drei von vier verkauften Produkten in dem Segment handelt es sich um eine Eigenmarke.“ Im Marketing bindet Rossmann seine Eigenmarken „in vielfältigen Medien ein und bedient somit sämtliche relevante Touchpoints“ mit den Kunden: am PoS über Plakate, Broschüren und Magazine, über Online-Maßnahmen wie Website-Content, Online-Ads und Newsletter sowie über Social-Media-Aktivitäten bei TikTok, Facebook oder Instagram.

„Wir nennen den genauen Anteil der Eigenmarken an unserem Portfolio nicht im Detail“, heißt es bei Zooplus, die sich als Sieger bei Tierbedarf mit der Eigenmarke Wolf of Wilderness, dem „Flaggschiff unter den Eigenmarken des Unternehmens“, durchsetzen konnte. „Unsere Kunden schätzen die Produkte von Wolf of Wilderness sehr – und mit über tausend 5-Sterne-Bewertungen in unseren europäischen Online-Shops können wir definitiv von einem Erfolg sprechen, wenn es darum geht, die Bedürfnisse der Kunden in Produkte umzusetzen, die sie lieben“, so Diana Apostol, Head of Investor Relations & Corporate Communications bei Zooplus.

In der Kategorie Getränke konnte sich mit der Durstlöscher:in von Lekkerland (seit Mai 2023 auf dem Markt) ein „korrektes“ Produkt durchsetzen. „Die Durstlöscher:in kommt bei den Kunden sehr gut an“, beschreibt es Lukas Ziegler, Director Buying & Category Management Eigenmarken, Lekkerland SE. „In den Pride-Monaten Mai bis Juli konnten wir das Produkt auf den Christopher Street Days in Berlin, Hamburg, Köln und Frankfurt und beim Come-Together-Cup in Köln, dem Fußballfest der Vielfalt, platzieren.“ Zusätzlich war Lekkerland auf Facebook mit den Usern in den Austausch gegangen, „denn die gegenderte Bezeichnung Durstlöscher:in und das spezielle Verpackungsdesign haben für viel Aufmerksamkeit und einige Diskussionen gesorgt. Insgesamt überwiegt das positive Feedback bei Weitem und hat zur Folge gehabt, dass wir viele Listungen erzielen konnten. Über die guten Verkaufszahlen freuen wir uns auch deshalb ganz besonders, weil wir am Jahresende einen Cent pro verkaufter Durstlöscher:in an Organisationen spenden werden, die sich für die Rechte der LGBTQ+-Gemeinschaft einsetzen und Aufmerksamkeit und Akzeptanz schaffen“, so Ziegler.

Penny, Top eins mit dem Naturgut Bio-Sorbet (Dessert) sowie der Subbrand Food for Future, platziert bei Süß & Salzig und bei Molkereiprodukten mit/ohne High Protein, führt über 45 Prozent Eigenmarken im Sortiment und will alle Ranges weiter ausbauen. Da immer mehr Kunden zu qualitativ vergleichbaren, aber preislich günstigeren Eigenmarken griffen, würde eine Subbrand wie Food for Future profitieren. „Wir wachsen sowohl im Hinblick auf die Menge als auch den Umsatz im zweistelligen Bereich“, so Philipp Stiehler, Geschäftsführer Rewe Group Buying.

Der Gesamtsieger

Rossmann führte mit Enerbio 2003 die erste Drogerie-Biokost-Eigenmarke ein. Das Angebot reicht von Zutaten zum Backen oder Kochen bis hin zu Fleisch- sowie Milchalternativen. Der Sortimentsbereich Fleischalternativen, zu denen der Sieger zählt, werde kontinuierlich ausgebaut, so Rossmann. „Es wird darauf geachtet, dem Kunden unterschiedliche Grundlagen zu bieten.“ Die Basis sind neben Soja und Seitan Erbsenprotein, Jackfrucht oder Sonnenblumenkerne – wie beim Gesamtsieger Enerbio Sonnenblumenhack.

Sieger Nachhaltigkeit

Die Rossmann-Marke Eco Freude (Sieger: das Colorwaschmittel) gibt es seit 2021. „Wir beobachten permanent die Entwicklungen des Marktes der nachhaltigen Wasch-Putz-Reinigungsartikel und sind im stetigen Austausch mit Experten, um unseren Kunden stets die bestmögliche Performance bei größtmöglicher Nachhaltigkeit bieten zu können“, heißt es in Großburgwedel.

Partner

Neue Runde des Eigenmarken-Liebling startet 2024

„Insgesamt sind wir mit der Teilnahme sehr zufrieden“, so das Fazit von LP und IPLC. Angesichts des derzeit guten Laufs für Handelsmarken wächst die Neugier auf die Fortsetzung 2024. Alle Eigenmarken-Produkte dürften sich auf den aktuellen Erfolgen jedenfalls nicht ausruhen, denn die Herstellermarken sind „in Lauerstellung, um wieder Marktanteile zurückzugewinnen“ – diese Parole gibt René Dolata allen Private-Label-Herstellern mit auf den Weg.

Kein Makel mehr

Gastkommentar von Sonja Jacobs und René Dolata, IPLC

Die Stiftung-Warentest- und Ökotest-Ergebnisse der letzten Jahrzehnte haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Eigenmarken von den Verbrauchern als qualitativ gleichwertig zu Herstellermarken wahrgenommen werden. In der Konsequenz gab es dadurch auch positive Abstrahleffekte auf die Einkaufsstätten und die Private-Label-Sortimente insgesamt. Heute ist es kein „Makel“ mehr, Private Label zu kaufen, sondern gerade in den jüngeren Generationen gilt es als smart, gute Qualität zum kleineren Preis zu kaufen. Kunden decken ihren täglichen Bedarf gerne und immer häufiger mit Eigenmarken. Wenn es „etwas Besonderes“ sein soll, greifen sie aber auch zu Herstellermarken. Die Schnittmenge der Käufer von Herstellermarken und Handelsmarken wird immer größer. Handelsmarken treten immer mehr wie Marken auf, sodass die Grenzen in der Wahrnehmung der Verbraucher verschwimmen. Für alle Eigenmarken-Produkte gilt, dass sich niemand auf den aktuellen Erfolgen ausruhen darf. Die Herstellermarken sind mit ihren R&D- und Marketingabteilungen in Lauerstellung, um wieder Marktanteile zurückzugewinnen.

 Interview Eigenmarken mit Lidl Einkaufsleiter Christoph Graf

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Bild öffnen Jury und Initiatoren: Carsten Kortum, Norbert Klamt, Reiner Mihr, René Dolata. V. v. l.: Carin van Leeuwen, Patrizia Stitz, Katya Witham, Sonja Jacobs, Andrea Kurtz.
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