Transaktionen Die große Konsolidierung

Eine steigende Anzahl von Unternehmenstransaktionen sowie das wachsende Interesse externer Finanzinvestoren an der gesamten Food-Branche beobachtet AFC Consulting.

Mittwoch, 17. April 2024, 14:04 Uhr
Gastbeitrag von Prof. Dr. Otto A. Strecker und Sebastian Gatzen, AFC Consulting Group
Artikelbild Die große Konsolidierung
Bildquelle: Mirco Moskopp

Eine hohe Anzahl von Unternehmenstransaktionen in der Getränke- und Backwarenindustrie, zunehmende Konsolidierungstendenzen bei den Herstellern veganer Alternativprodukte und das Interesse branchenexterner Finanzinvestoren an der Food-Branche: Die Analyse der 100 letzten veröffentlichen Unternehmenstransaktionen unter Beteiligung der deutschen Ernährungsindustrie bestätigt diese Erfahrungen. Die 100 untersuchten Unternehmenskäufe/-verkäufe stammen aus dem 
Zeitraum von April 2021 bis einschließlich 
Dezember 2023. Deutlich wird: Verglichen mit der vorangegangenen AFC-Auswertung aus dem Jahr 2021 sind einige neue Entwicklungen zu
 erkennen.

Die größten Konsolidierungstendenzen zeigen sich nach wie vor in der stark fragmentierten Getränkebranche. Insbesondere Brauereien setzen neben ihren Kernprodukten zunehmend auch auf nicht alkoholische Getränke, wie die Übernahme der auf Mineralwasser, Fruchtsaftschorlen und Limonaden spezialisierten Heil- und Mineralquelle Germete durch die Krombacher-Gruppe zeigt.

Beispiele aus LEH und Industrie
In anderen Teilsegmenten der Getränkeindustrie wie dem Online-Vertrieb von Kaffeespezialitäten verstärkt die Melitta-Gruppe ihre Marktposition durch eine Mehrheitsbeteiligung am Kaffee-Start-up Roast Market.

Die hohe Zahl der Transaktionen in der Backwarenbranche geht größtenteils auf Käufe/Verkäufe regionaler, mittelständischer Bäckereien zurück. Exemplarisch hierfür ist die Übernahme des im Westerwald beheimateten Filialbäckers Hampe durch die im rheinischen Elsdorf ansässige Bäckerei Schneider, die ebenfalls über ein eigenes Filialnetz verfügt.

Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel setzt währenddessen seine Vertikalisierungsbestrebungen konsequent fort (siehe Kasten).

Verdrängungswettbewerb bei Vegan
Zu den neueren Entwicklungen in der Food-Branche zählt der zunehmende Verdrängungswettbewerb sowie die beginnende Konsolidierung im Bereich veganer Alternativprodukte. So übernahm der generalistisch aufgestellte Hersteller Veganz die auf Käsealternativen spezialisierte Happy Cheeze.

Auch Konzerne mit gänzlich anderen Kerngeschäftsfeldern wie der Zuckerkonzern Pfeifer & Langen, zu dem auch Intersnack gehört, sind längst im Segment pflanzlicher Alternativen aktiv geworden (s. Kasten). Aufgrund der engen Bindung zwischen Zuckerindustrie und Landwirtschaft sind die beschaffungsseitigen Voraussetzungen für den weiteren Ausbau der neuen Konzernsäulen gegeben. Landwirte, die Zuckerhersteller bereits langjährig mit Zuckerrüben beliefern, finden in den auf Veggie-Produkte spezialisierten Konzerntöchtern mittlerweile auch Abnehmer für Hülsenfrüchte und können somit ihre Fruchtfolgen weiter diversifizieren.

Investoren aktiv im Übernahmegeschäft
Ein seit Jahren anhaltender Trend ist das zunehmende Engagement von Finanzinvestoren in der deutschen Ernährungsindustrie. Während bei der vorangegangenen AFC-Analyse der 100 letzten Unternehmenstransaktionen unter Beteiligung der deutschen Ernährungsindustrie (Stand: September 2021) nur jeder zehnte Unternehmenskauf durch Finanzinvestoren erfolgte, stieg dieser Anteil auf mittlerweile 16 Prozent (Stand: Dezember 2023).

Das stetig wachsende Interesse von Finanzinvestoren an mittelständischen Lebensmittelproduzenten kann als klares Indiz für die Stabilität und die Resilienz der deutschen Ernährungsindustrie in Zeiten multipler Krisen verstanden werden. Doch auch verkäuferseitig beobachtet AFC im Rahmen zahlreicher M&A-Projekte eine steigende Akzeptanz gegenüber Finanzinvestoren. Haupttreiber für die Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren ist aus Sicht mittelständischer Lebensmittelhersteller vor allem der enorme Finanzierungsbedarf der Digitalisierung und Dekarbonisierung sowie die regulatorischen Zusatzkosten durch Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, CSRD und der EU-Entwaldungsverordnung, um nur eine kleine Auswahl von Beispielen zu nennen. Gleichzeitig schätzen Finanzinvestoren in für sie schwieriger werdenden Zeiten die Stabilität verheißenden Perspektiven der Nahrungsmittelwirtschaft.

Bei der AFC geht man daher auch in den kommenden Jahren von einer weiterhin hohen Dynamik bei Unternehmenstransaktionen aus.

Vertikalisierung: Discount legt vor

Übernahmebeispiele aus dem Lebensmitteleinzelhandel: Die Schwarz-Gruppe ist mit dem Kauf der Erfurter Teigwaren (heute: Bon Pasta) in die Nudelproduktion eingestiegen, ebenso wie die Edeka Zentrale, die den italienischen Teigwarenproduzenten Pasta Rey mitsamt der unternehmenseigenen Mühle zur Erzeugung von Hartweizengrieß übernommen hat. Aldi Nord erwirbt mit Treuchtlingen und Breuna zwei Werke der Altmühltaler Mineralbrunnen Gruppe.

Konsolidierung im veganen Markt

Aktuelle Beispiele hier: Nach der Mehrheitsbeteiligung an Endori (früher Amidori) folgt nun die mehrheitliche Übernahme des Veggie-Spezialisten Rügenwalder Mühle. Die Südzucker-Tochter Beneo ist auf funktionelle Inhaltsstoffe spezialisiert und hat den niederländischen Plant-Based-Produzenten Meatless erworben.

Attraktiv für 
Finanzinvestoren

Zu den jüngsten Transaktionen unter Beteiligung von Finanzinvestoren gehören: das Joint Venture des zuvor zum Nestlé-Konzern gehörenden Tiefkühlpizzenherstellers Wagner mit dem französische Private-Equity-Investor PAI Partners, mittelständischer geprägt: die Übernahme des Schokoladenverarbeiters Goldeck Süßwaren durch den Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen. Weitere Beispiele: Übernahme des Fleischverarbeiters Böhnlein durch den auf Nachfolgelösungen spezialisierten Investor E3, der Verkauf der Emmi-Tochter Gläserne Molkerei an eine Münchner Beteiligungsgesellschaft namens Mutares.