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Tierschutz ist Trend, keine Frage, der Marktanteil von Fleisch oder Wurst von Tieren aus artgerechter Haltung ist jedoch kein Massen-, sondern ein Mini-Markt. Das gerät vor lauter Jubelmeldungen aus Handel-, Hersteller- und Vermarkterkreisen schon mal aus dem Blick. Wen erreichen die Forderungen, weniger Fleisch zu essen? Die Deutschen sparen zwar bekanntermaßen am Essen, ernähren sich immer noch so kostengünstig wie kein anderes Volk in der EU, nach dem Motto „viel und billig“, statt wenig und gut. Das kann man bedauern oder auch nicht, es bleibt Fakt.
Den Mehraufwand, den Landwirte, Hersteller und Handel mit Artikeln von Tieren, die artgerecht gehalten wurden, haben, muss irgendwer bezahlen. Es gibt Verbraucher, die dazu bereit sind – zumindest gelegentlich. Aber es gibt auch noch viele Fragen, die ungeklärt sind. Zwar haben zum Beispiel die Edeka -Regionen nun in ihren Fleischwerken Tierschutz-Beauftragte, aber auch die kennen keine Lösung, wie man es hinbekommt, das selbst produzierte Fleisch nicht automatisch zu diskriminieren, wenn man Fleisch aus artgerechter Haltung parallel vermarktet. Ganz zu schweigen von dem Problem in der Bedienungstheke: Glaubhaft würde das nur gehen, wenn man in der Bedientheke das konventionelle Fleisch komplett durch „Tierwohl-Fleisch“ ersetzt.
Nächste Hürde: Das Verkaufspersonal muss geschult werden und gut argumentieren können. Schon bei Bio-Fleisch gelingt das an der Theke oft nicht. Das erleben die Inkognito-Tester für den LP-Branchenwettbewerb Fleisch-Star seit Jahren immer wieder. Von Mehrumsatz sollte deshalb erstmal nicht automatisch ausgegangen werden, doch wer freut sich über ein Umsatzminus oder ein Nullwachstum?
Das wichtigste Kriterium bei Tierschutz-Projekten ist die Glaubwürdigkeit. Vertraut der Konsument einer Marke oder einem Siegel, sitzt das Geld etwas lockerer. Aber auch die Konsequenz darf nicht fehlen. Wenig überzeugend wirkt die übliche Superbillig-Werbung im Handzettel auf Seite 1 und auf Seite 6 eine Anzeige mit Promi-Koch für Fleisch aus artgerechter Haltung.
Und was genau ist artgerecht? Wann fühlt sich welches Tier wohl? Einen sinnvollen Ansatz verfolgt die Rügenwalder Mühle. Sie hat einen „Arbeitskreis zur Förderung des wissenschaftlich begründeten Tierschutzes“ ins Leben gerufen. Ziel ist, wissenschaftliche Arbeiten zu fördern, die grundsätzlich Haltungsbedingungen und Wohlbefinden von Tieren zur Lebensmittelherstellung verbessern. Der Arbeitskreis unter dem Vorsitz von Heidi Rauffus vergibt jährlich 50.000 Euro. „Die Geschäftsleitung der Rügenwalder Mühle musste bis dato immer wieder feststellen, dass ein einzelnes mittelständisches Unternehmen keinen nachhaltigen Einfluss auf die Vorstufen ausüben kann“, so Rauffus. Mit der Gründung des Arbeitskreises wolle man nachdrücklich an Lösungen mitarbeiten.
Allgemein gültige Kriterien gibt es ebenfalls (noch) nicht. Diverse Konzepte existieren parallel und teilweise im Wettbewerb untereinander. Niemand weiß das besser als Dr. Hermann-Josef Nienhoff. Der Geschäftsführer von QS muss Handel, Hersteller, Verarbeiter und Landwirte unter einen Hut bekommen. Eine Optimierung des QS-Systems bezüglich Tierwohl wünscht sich auch Tobias Metten. Tierschutz sei nicht teilbar. „Es ist wenig sinnvoll, beim Thema Tierschutz im Stall ein Zwei-Klassen-System aufzubauen“, so Metten. Nach einer Studie des Deutschen Tierschutzbundes aus dem Jahr 2011 sind nur 20 Prozent der Verbraucher bereit, für mehr als den gesetzlich vorgeschriebenen Tierschutz auch mehr zu bezahlen. Selbstkritisch stellt Metten fest, dass dies an einem „Grundproblem“ der Branche liegen könne, nämlich dem, dass „ein Großteil der Verbraucher heute nicht mehr weiß, wie moderne Tierhaltung und Tierverarbeitung heute funktionieren“. Aufklärung und glaubwürdige Konzepte sind gefragt.