Roundtable Süßwaren TV ist nicht tot  !

Im Fernsehen werben, Blogger nutzen oder virale Spots drehen? Die LP traf sich mit Vertretern von Süßwaren- industrie und Handel, um über aktuelle Werbeformen zu reden. Fazit: Klassische Werbung über TV oder Print hat noch lange nicht ausgedient.

Montag, 09. April 2018 - Süßwaren
Andrea Kurtz
Artikelbild TV ist nicht tot  !
Bildquelle: Carsten Hoppen
Die Teilnehmer des 1. LP-Round- Table Süßwaren (v. l.)

Robert Kronekker (Hafervoll), Karsten Nüsken (Edeka Nüsken), Jürgen Hermann (Ritter Sport), Kolja Kraus (LP), Nicola Weiß (CFP), Oliver Krück (Ültje), Andrea Kurtz (LP) und Alfred Schrott (Mannner).

Wie nehmen Sie Ihre Kunden aus dem Handel, aber auch den Endverbraucher emotional mit?
Jürgen Herrmann: Das ist relativ einfach. Zum einen: Ich muss den Kunden verstehen und seine Bedürfnisse gut kennen. Und ich muss das in einem Satz sagen können. Und zum anderen: Ich muss relevant sein, etwas Eigenständiges bieten. Und auch das muss ich in einem Satz sagen können. Das muss ich auch auf der Verpackung zeigen. Sonst fülle ich nur das Regal und bringe dem Handel keinen Umsatz. Erst dann kommen die Pläne, mit welchen Mechanismen ich etwas in den Markt bringe.

Ist das schon Emotion? Oder doch nur Nutzen?
Herrmann: Relevanz oder Nutzen müssen ja nicht nur rational sein. Natürlich muss die Substanz da sein, aber der Mehrwert kann auch rein emotional sein. Ein Beispiel: Wir haben unsere kleinen Würfelchen in den Boxen mit Danke-Botschaften in verschiedenen Sprachen versehen. Das hat der Marke ein zweistelliges Wachstum verschafft.

Oliver Krück: In unseren Kategorien werden die Kaufentscheidungen ja impulsgetrieben getroffen; von 95 Prozent solcher Autopilot-Entscheidungen sprechen hier Experten. Deswegen spielt auch die Marke, beziehungsweise ihre emotionale Verortung, eine so entscheidende Rolle. Dieses profunde Wissen muss man sich als Marketeer immer wieder neu erarbeiten, dabei die Marke als schützenswertes Gut begreifen und nicht zu viel verändern. Das ist die Basis. Darauf kann man dann emotionale Spitzen setzen; Emotionalisierung an sich ist kein Gut.

Oliver Krück, Ültje
  • ist seit Langem Marketingverantwortlicher der Intersnack-Marke Ültje
  • betreut die Traditionsmarke, die seit 70 Jahren am Start ist, immer noch mit vielen kreativen Ideen
  • betreibt mit seinem Team aktiv alle Kommunikationskanälen von TV bis Social Media

Wie emotionalisiert man denn Traditionsmarken immer wieder neu?
Alfred Schrott: Die Grundregel lautet: Jeder Markt muss für sich selbst erarbeitet werden. Die Liebe zu dieser Marke hat ein Österreicher sicher in der DNA. Genau das aber ist im Marketing für andere Märkte gefährlich; ich kann einfach nicht voraussetzen, dass Deutsche oder Franzosen zu unserer 125 Jahre alten Marke eine Beziehung haben. Und selbst wenn sie eine Sympathie für die Marke aus dem Urlaub mitbringen, heißt das noch nicht, dass sie im Supermarkt gekauft wird. Und je weniger Budget man hat, um so mehr muss man schauen, dass alle Maßnahmen in der Kommunikation konsistent und aufeinander abgestimmt sind.

Für Sie ist TV also immer noch die emotionalste Werbeform?
Schrott: Ja. Wir sind im Februar mit TV in Österreich gestartet; im April geht es in Deutschland los. Natürlich haben wir dies vorher getestet, in dem wir Konsumenten in die Röhre geschickt und ihre Hirnreaktionen auf den Spot beobachtet haben. Wir mussten ja unser Budget im Auge behalten.

Krück: Unserer Erfahrung entspricht, dass mit TV das heute absolut nötige, sehr hohe Kontaktniveau erreicht werden kann. Das ist eine große Herausforderung für uns Markenartikler, denn aus den Budgets generieren wir heute viel weniger Effizienz als noch vor zehn Jahren. Das heißt: Unterschreiten wir ein gewisses Budget, kommen wir nicht mehr auf ein notwendiges Kontaktniveau, dafür ist die Werbewelt mittlerweile, etwa durch Online-Werbung, zu diversifiziert. Das kommunikative Grundrauschen für den Verbraucher ist wesentlich stärker geworden, und daraus muss ich immer wieder auftauchen.

Nicola Weiss, CFP
  • ist als Marketing-Managerin bei CFP neu für die CFP/Van Melle-Marken (Mentos, Chupa Chups etc.) zuständig
  • war zuvor 16 Jahre für Bier bei Holsten in Hamburg und Kopenhagen für das weltweite Marketing zuständig
  • betont, dass es bei TV-Spots in erster Linie um Aufmerksamkeit geht – weniger um Geschmack

Die Sehgewohnheiten der Verbraucher haben sich aber doch geändert.
Krück: Das ist so, mitunter sogar deutlich. Das macht die Markenkommunikation sicher nicht einfacher, ist handwerklich aber lösbar. Wenn eine Serie nicht mehr linear, also live, gesehen wird, muss ich die Werbung entsprechend aussteuern und zum Beispiel digital in den Mediatheken schalten.

Kann Social Media hier aushelfen?
Robert Kronekker: Bei uns schon.Schon unser Unternehmen tritt nach außen ganz anders auf als etalierte Firmen. Bei uns zählen Echtheit und Transparenz; wir nennen das native content und setzen nicht auf teure Fotografen, sondern auf Handyphotos. Eine junge Marke kann auch ruhig nutzen, dass Inhaber wie ich für die Marke stehen.

Was muss ich beim Einsatz von Social Media denn beachten?
Herrmann: Hier kommt es aber sehr auf die genaue Zielsetzung an. Wir machen für neue Produkte durchaus auch TV und merken, wie eine Woche später auch der Absatz ans Laufen kommt. Das ist eine harte Währung, messbar und nicht diskutabel. Mit TV bekommen Sie immer noch die größte Reichweite und die größte Kraft. Ein Plakat gibt einer Marke eher Kraft, lädt sie mit Emotionen und coolen Sprüchen auf. Das ist eine andere, langfristige Zielsetzung, macht eine Marke cool und sexy. Ist mir eine Marke sympathisch, kaufe ich sie auch. Ein solches Image ist im TV schwieriger zu erzeugen und wäre viel zu kostspielig. Mit den Plakaten auf den Bahnhöfen bekomme ich nicht alle Leute, aber 50 bis 60 Prozent schon. Wenn jedes zweite Plakat dort Ritter ist, wirkt das. Mehr als wenn man nur ein Spot von vielen ist

Jürgen Herrmann, Ritter Sport
  • ist seit 17 Jahren bei Ritter Sport und hat noch immer Spaß an den Innovationen
  • hat in seiner Laufbahn schon Hustenbonbons, Bier und Obst- und Gemüsekonserven betreut
  • ist davon überzeugt, dass Austausch und Kooperationen in unseren Zeiten unerlässlich sind

Wie bauen Sie Ihre Marke auf?
Herrmann: Ob Gehirnforschung oder A/B-Tests mit neuen Methoden: Wir setzen auch in den reizüberfluteten, digitalen Zeiten nach wie vor auf die Großplakate an Bahnhöfen. Denn dort können wir immer noch sichtbar sein. Wenn ich in Deutschland ca 10 Mio. Euro für TV-Werbung ausgebe, habe ich einen Sichtbarkeit von 0,3 Prozent. Das wird immer schwieriger, weil sich die Sehgewohnheiten in den Werbeblöcken verändern. Deswegen haben wir das Ziel, richtig viele Plakate zu schalten. Die Motive testen wir vorher auf unseren Blogs und auf Facebook, damit bekommen wir innerhalb von zwei Wochen ein echtes Feedback von Kunden – denen das auch noch Spaß macht. Und wir wissen bevor wir ein Plakat aufhängen, das rund 80 Prozent der Menschen es mögen.

Was ist denn beim Markenaufbau das Wichtigste?
Nicola Weiß: Die genaue Zielsetzung. Jede Kategorie und Marke muss dabei für sich selber rausfinden, welcher Kanal welchen Beitrag zum Wachstum liefert und daraus folgern, welche Strategie, welcher Media-Mix der richtige ist. So ist Fernsehen immer noch das Medium, mit dem sich am besten und effizientesten hohe Reichweiten aufbauen lassen, und es hat die Stärke, breite Zielgruppen zu erreichen. Deshalb nutzen wir TV für Mentos-Kaugummi, hier haben wir eine eher breite Zielgruppe und wollen schnell und effizient Awareness aufbauen. Und wir müssen Druck erzeugen. Dieser liegt höher als der des Wettbewerbers. Dazu muss ich noch auffallen, sonst komme ich aus dem Grundrauschen nicht hinaus. Wir haben dazu auf die Farbe Blau gesetzt. Diese wirkt ja eher rational, funktional, sie polarisiert, aber funktioniert. Und jetzt wissen die Konsumenten, dass es Mentos-Kaugummi gibt. So gehen wir sehr dosiert vor, etwa vier Wochen lang, und sehen schon eine Woche später, wie die Absätze hochgehen. Über Videoportale oder Plattformen hätte ich nicht schnell genug viele Menschen erreicht; das setzen wir flankierend ein.

Diese Power braucht der Handel?
Nüsken: Das kann ich ganz klar unterschreiben. Wenn ein Artikel aus einer TV- oder Plakatkampagne rund 1,2 Mrd. Kontakte mitbringt, dann merken wir das im Regal. Kommt er nur mit 100 Mio. aus Social Media, brauchen wir diesen gar nicht erst einzukaufen. Die einzige Ausnahme war hier der Hype um das „Ritter Sport Einhorn“.

Alfred Schrott, Manner
  • ist seit neun Jahren beim rund 130 Jahre alten österreichischen Unternehmen Manner
  • kommt von Unilever und hat dort sämtliche FMCG-Kategorien betreut
  • sieht das Unternehmen und seine Waffel-Spezialitäten in Deutschland noch am Anfang
  • startet derzeit mit TV-Werbung in A und D

Bringen die Ritter-Sport-Plakate genug Aufmerksamkeit?
Nüsken: Auch wenn 20.000 Menschen ein Plakat gut finden: Wie viele davon kaufen dann tatsächlich? Denn: 80 Prozent der Kaufentscheidungen fallen im Laden. Aber das testet die Industrie mit uns höchst selten. Wenn dann noch mein Marktleiter entscheidet, er nimmt ein Produkt an eine andere Stelle im Kundenlauf oder setzt auf ein Display, bekommen Sie ganz andere Abverkaufsergebnisse.

Der Ansatz muss sein: ganzheitlich kommunizieren?
Nüsken: Auf jeden Fall. Gute Basiskommunikation für uns im Regal, ein exzellent vorbereiteter Außendienst, Plakate – und wenn dann Fernsehwerbung dazu kommt, dann kommt ein Produkt ins Laufen. Dann sollte ein Lkw mit der Ware aber nicht zu spät bei uns im Lager ankommen ... wenn die ganze Kette stimmt, haben Sie richtig Absatz.

Weiß: Konsistenz in der Markenführung ist in der Tat das Wichtigste. Sie gilt für alles, für den Markenkern, das Produkt, die Verpackung, das Sponsoring, die Kommunikation und geht bis zur Promotion am PoS. Diese konsistente Inszenierung der Marke ist so unerlässlich wie das Produkterlebnis selbst.

Herrmann: Doch, digital wird kommen. Wir müssen unsere Dinge konsequent durchdenken bis zum Regal hin. Einstweilen haben wir über Facebook oder im Blog zusätzlich die Möglichkeit, schnell zu reagieren und zu erklären. Und die Idee muss stimmen. Wenn ich wenig Budget habe, muss mein viraler Spot oder mein Plakat witziger sein als das Angebot des Wettbewerbers.

Robert Kronekker, Hafervoll
  • ist Gründer und Inhaber von Hafervoll
  • ist 33 Jahre alt, Ernährungsphysiologe
  • hat den „Mahlzeit-Ersatz“-Riegel Hafervoll, gehaltvoll und kalorienreich, erfunden
  • ist gelistet bei Edeka und Rewe
  • betreibt bisher aktiv Social Media, im Frühsommer startet eine 3 Millionen Euro schwere TV-Kampagne

Eine Platzierung kann also auch Emotionalität bringen?
Krück: In diesem Gedanken liegt für mich ein großer Zauber, denn er zeigt, dass wir gemeinsam mit dem Handel ausprobieren müssen, was mehr Emotion an den PoS bringt. Möglicherweise müssen wir mehr nach England schauen, wo mehr nach Verzehr- oder Anlassgelegenheit platziert wird und sich neue Ideen mitunter von selbst ergeben. Wir schaffen das hierzulande häufig nur zur Fußball-WM, wenn der Ketchup dann neben den Grillschalen platziert wird. Ich empfehle immer, in London bei Marks & Spencer zu schauen, an wie vielen Stellen Nüsse platziert sind: an acht Punkten, nämlich beim Convenience-Salat, beim Müsli oder bei Mopro. Solche relevanten Angebote sind für mich auch Emotionalität.

Kann der Handel das umsetzen?
Nüsken: Oft sind verschiedene Mitarbeiter mit der Bestellung für die einzelnen Abteilungen beschäftigt, die unterschiedliche Bestellrhythmen haben. Wenn der eine etwas braucht, hat der andere möglicherweise schon zehn Packungen davon am Lager. Das ist die große Kunst der Instore-Logistik. Das muss jemand bei der Komplexität von 25.000 Artikeln auch überblicken. Hier wäre es toll, wenn wir Verbundangebote oder Zusatzartikel fertig konfektioniert als Einheit bekämen. Ich kann ja nicht einfach zusätzlich mit dem Kabelbinder etwas ans Regal hängen.

Mehr Kooperation zwischen Handel und Hersteller macht die Verkaufsfläche spannender?
Nüsken: Ich sehe meinen Supermarkt zunehmend wie einen Kinofilm. So will ich ihn auch inszenieren. Viele Marken finden sich inzwischen ja, relativ lieblos präsentiert, beim Discounter. Da frage ich mich immer, warum machen Hersteller das, wenn sie vorher Millionen ausgegeben haben, um eine Marke emotional aufzuladen. Vielleicht müsste man sich dort ein bisschen rarer machen.

Karsten Nüsken, Edeka Nüsken
  • ist Edeka-Kaufmann aus Dortmund mit fünf Supermarkt-Filialen und einem Marktkauf
  • hat bereits zweimal die Branchenauszeichnung Süßer Stern gewonnen
  • sein Steckenpferd ist das süße Sortiment
  • experimentiert gern mit neuen Platzierungsideen wie einer Süßwarenstraße
  • findet, in der Inszenierung habe das Segment, verglichen mit Wein, noch Luft nach oben

Wie muss ich denn Nachhaltigkeit oder Gesundheit in Szene setzen?
Kronekker: Wer etwas Süßes kauft, weiß, dass das nicht unbedingt gesund ist. Das kann auch der Staat nicht richten. Aber wenn wir über Kommunikationsinstrumente wie Webseite und Social Media aufklären, unterstützen wir den Verbraucher. Außerdem appellieren wir an den Kunden, sich selbst Informationen zu suchen oder uns zu fragen. Denn nicht alles, was wir tun, kann auch leicht veröffentlicht werden. Ich denke dabei etwa an unsere Spenden an die Kölner Tafel. Das machen wir aus Überzeugung, bewerben es aber kaum, weil wir nicht in den Verdacht von „Green Washing“ kommen wollen.

Neue Produkte

Viel gelesen in Hersteller

News in Süßwaren