Logistik Auf die Schiene bringen

Unter dem Druck von Kosten und ökologischer Vernunft feilen Industrie und Transportunternehmen entlang der gesamten Logistikkette an Optimierungen.

Mittwoch, 15. September 2010 - Sortimente
Bernd Liening

Die Industrie verlangt von ihren Transport- und Logistik-Unternehmen immer nachdrücklicher den Nachweis, dass die Waren möglichst umweltschonend transportiert werden. Mehr als jedes vierte Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie und dem Einzelhandel fordert bis 2012 von den Logistikdienstleistern den Nachweis ihrer CO2-Emissionen. Jeder fünfte Betrieb will seinen Transporteuren sogar ein umfassendes Emissions-Reporting zur Auflage machen. Das ergab die Studie „Branchenkompass 2010 Transport“ von Steria Mummert Consulting in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut. Dazu befragte das Forsa-Institut 100 Entscheider aus 68 der größten Konsumgüterhersteller und 32 der größten Einzelhändler in Deutschland zu Plänen und konkreten Maßnahmen im Umwelt- und Klimaschutz – insbesondere in der Logistik – bis 2012. Grüne Logistik wird damit zum Wettbewerbs-Faktor bei deutschen Unternehmen.

Jedes zweite Konsumgüterunternehmen spürt selbst den zunehmenden Druck durch die Verbraucher. Die Industrie arbeitet deshalb an einer Optimierung der Lieferkette mit dem Ziel, klimafreundlicher zu wirtschaften. Die Logistikfirmen geraten unter Zugzwang, sich ebenfalls den steigenden Anforderungen zu stellen – beispielsweise mit einem zertifizierten Umweltmanagement, einem emissionsarmen Fuhrpark und einer sauberen Öko-Bilanz.

Überraschenderweise wächst auch die Bereitschaft, für umwelt-freundliche Transporte mehr zu zahlen. Aktuell akzeptiert laut Umfrage jedes dritte Unternehmen Preisaufschläge seiner Zulieferer für „grüne“ Logistikleistungen – Tendenz steigend. Zudem sind die Firmenkunden für die Verbesserung der eigenen CO2-Bilanz prinzipiell bereit, längere Lieferzeiten in Kauf zu nehmen, um einen Verkehrsträgerwechsel von der Straße auf die Schiene zu ermöglichen. „Für die Transportbranche ist dies ein klares Signal, in klimataugliche Transporte zu investieren“, so die Autoren der Studie.

Der Antrieb für die Logistiker, bei CO2-armen Transporten einen Gang zuzulegen, kommt vor allem aus der Industrie. Bei den wichtigsten Zielen folgt Umweltschutz unmittelbar nach Kosteneffizienz und Servicequalität. Jedes zweite befragte Unternehmen lässt sich bereits nach Umweltstandards zertifizieren. Um die Emissionen zu senken, arbeiten zudem zwei Drittel der Betriebe an einer Optimierung ihrer Lieferkette.


Die wachsende Zusammenarbeit kleiner und mittelgroßer Transportunternehmen zielt auf eine bessere Auslastung und damit auf eine Steigerung der Produktivität. Immer häufiger betreiben die Unternehmen gemeinsame Warenumschlagplätze, tauschen Teilladungen und verbessern so die Auslastung und Routenführung. Matthias Krage, Präsident des Deutscher Speditions- und Logistik-Verbandes e. V. (DSLV): „Klimaschutz und Wertewandel werden auch in der Logistik bewirken, dass wie bei Markenartikeln langfristig nur noch nachhaltig produzierte Dienstleistungen gekauft werden.“ Nach Ansicht von Krage bleibt für Industrie und Handel aber noch eine Menge zu tun. Als Beispiel nennt er die Reduzierung der zahlreichen Engpässe an den Be- und Entladestellen.
 
Die Industrie treibt unterdes die grüne Logistik in allen von ihr selbst direkt gesteuerten Bereichen voran. Die Henkel AG beispielsweise hat damit begonnen, ihre Kosmetikprodukte in Deutschland mit der Bahn zu transportieren. Im Januar 2010 rollte der erste Zug im Logistikzentrum im rheinischen Monheim ein. Rund 86.000 t– von Schwarzkopf Shampoos bis zu Fa Duschgels – werden jährlich vom Produktionsstandort Wassertrüdingen (Bayern) ins Rheinland transportiert. Durch die Verlagerung auf die Schiene werden jedes Jahr 3.000 Lkw-Fahrten und bis zu 7.000 t CO2-Emissionen eingespart. Die bisher rund 1,25 Mio. Straßenkilometer schrumpfen durch den Bahnausbau auf gut 125.000 Bahnkilometer.

Dieses Projekt ist Bestandteil der konzernweiten Strategie, „mehr Logik in der Logistik“ zu bringen. Eine Hochrechnung ergab, dass weltweit durch den Transport der Henkel-Produkte jährliche Kohlendioxid-Emissionen von schätzungsweise 500.000 t verursacht werden. Ansatzpunkte für eine ganzheitliche Optimierung sieht Henkel unter anderem in einer Optimierung der Logistikstrukturen. Stichwort: Intermodale Transporte. Seit 2008 arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit europäischen Logistik- Partnern schrittweise am Ausbau seiner intermodalen Transportstrecken. So wurden beispielsweise 2009 rund 300.000 Transportkilometer für Waschmitteltransporte vom Produktions-Standort Düsseldorf zu den Lägern in Lomazzo und Ferentino in Italien sowie Wien in Österreich auf die Schiene verlagert. Dadurch reduzierten sich die jährlichen CO2-Emissionen um rund 55 Prozent.

Kooperationen immer wichtiger

Gleichzeitig treibt Henkel Transport-Kooperationen mit anderen Unternehmen zur Vermeidung von Leertransporten voran. „Bereits bei der Auswahl unserer Logistikpartner achten wir auf die Energieeffizienz ihrer Flotte“, bestätigt Henkel die Ergebnisse der Logistik-Studie.

Ein anderes positives Beispiel: Die Ölmühle Brökelmann & Co. in Hamm hat eine Kosten- und CO2-Reduzierung durch die Inhouse-Produktion der PET-Flaschen herbeigeführt. Vormals wurden die PET-Preforms dieser Behältnisse von externen Lieferanten per Lkw bezogen. Durch die Eigenfertigung entfallen jährlich rund 200 Lkw-Touren à 900 km, die für die Anlieferung erforderlich waren. Das Granulat kann zudem mit einem logistisch weitaus geringeren Aufwand bezogen werden. Darüber hinaus wurden durch eine maximale Gewichtsreduzierung der 1-Liter-PET-Flaschen auf 17,5 Gramm pro Flasche weitere Rohstoff- und CO2-Reduzierungen erreicht.

{tab=Aktueller denn je}
Auch wenn in den vielen einzelnen Projekten der Unternehmen oft Einsparungen an Tonnenkilometern und CO2 im zweistelligen Prozentbereich erzielt werden, darf das Potenzial des Güterverkehrs hinsichtlich der gesamten Emissionen in einem Industriestaat wie Deutschland nicht überschätzt werden. Der gesamte Straßengüterverkehr hatte 2005 in Deutschland einen Anteil von 4,3 Prozent an den nationalen Treibhausgasemissionen. Die Ernährungsindustrie für sich genommen transportiert jährlich rund 388 Mio. t verarbeitete Lebensmittel. Das sind rund 9,8 Prozent des gesamten deutschen Transportaufkommens, wie der Branchenverband BVE in seinem aktuellen Klimareport darstellt.

Der überwiegende Teil dieser Nahrungsmittel (89 Prozent) wird im Straßengüterverkehr transportiert; die restlichen 11 Prozent verteilen sich mit 0,9 Prozent auf die Bahn, 3,9 Prozent auf die Binnenschifffahrt und 6,2 Prozent auf den Seeverkehr. Trotz des vergleichsweise geringen Anteils an der gesamten Emissionsbelastung ist der Leitsatz „Verkehr vermeiden, auf energieeffiziente und klimafreundliche Systeme verlagern und diese Systeme optimieren“ aus Sicht des BVE und seiner Mitgliedsunternehmen „aktueller denn je“.
www.bve-online.de

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