Von Weimar, der Klassikerstadt Thüringens, ist Heichelheim nur eine kurze Autofahrt entfernt. Hier befindet sich die Kloßmanufaktur der Firma Ablig Feinfrost, die für ihre Original Thüringer Klöße bekannt ist. Vor dem Gebäude wird gerade ein Lkw entladen, der Kartoffeln von einem Partnerbetrieb anliefert. Die Firma Ablig kooperiert mit fünf festen Lieferanten in Thüringen, die zusammen jährlich 10.000 Tonnen Kartoffeln produzieren. Langfristige Jahresverträge mit ausgewählten Landwirten sichern die stetige Versorgung. „Besonders beliebt ist die Sorte ‚Agria‘, die für ihre leuchtend gelbe Farbe bekannt ist“, sagt Torsten Langbein, Geschäftsführer Vertrieb von Ablig Feinfrost.
Langbein erklärt, dass die Hochsaison im September beginnt: „Normalerweise starten wir dann mit der Bio-Produktion. Von September bis April produzieren wir hauptsächlich rohe Kartoffelklöße und verschiedene Kloßvariationen.“ Die Sonntagsklöße von Ablig Feinfrost sind das Hauptprodukt.
Mitarbeiter kontrollieren die angelieferten Kartoffeln nach dem Abladen, sortieren sie und lagern sie zwischen. Nach eingehender Prüfung wird entschieden, ob sie sich besser für Klöße, Kartoffelpuffer oder Kloßmasse eignen. Die traditionellen Thüringer Sonntagsklöße werden aus roher, gepresster Kloßmasse hergestellt, die Kartoffelpuffer aus frisch geriebenen Kartoffeln und Zwiebeln in gusseisernen Pfannen vorgebacken.
Noch viel Handarbeit
Ablig legt in der Manufaktur trotz moderner Technik großen Wert auf Handarbeit. Während Maschinen die Kartoffeln schälen, wird die Feinarbeit händisch durchgeführt. In der Fabrik herrscht geschäftiges Treiben, denn Mitarbeiter in weißen Kitteln und Hauben überwachen an den Förderbändern die Qualität der geschälten Kartoffeln. Der frische Kartoffelbrei wird in einen Trichter gefüllt und auf der anderen Seite der Maschine in runde Klöße gepresst. Für sie geht es anschließend zur Schockfrostung in die Gefriermaschine. Am Ende des Prozesses verpacken wiederum Mitarbeiter die gefrorenen Klöße von Hand und unterziehen sie dabei einer weiteren Qualitätskontrolle.
160 Mitarbeiter, von denen 80 Prozent Frauen sind, bewältigen die Produktion. Diese findet im Drei-Schicht-Betrieb statt. Zum Sortiment zählen neben Klößen und Kloßteig nun auch Kloß-Pommes und Kartoffelpuffer.
Der Kunde kann dann zu Hause flexibel entscheiden, wie er die Produkte zubereitet. Neben der rohen Kartoffelmasse gibt es auch Fertigmischungen mit geröstetem Paniermehl, die zu Hause nur noch geformt werden müssen. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich auch tiefgekühlte „Echte Thüringer Sonntagsklöße“, die durch kurzes Aufkochen in heißem Wasser schnell und einfach zubereitet werden können.
Kartoffeln liegen im Trend
Dass die Kartoffel im Trend liegt, zeigen auch die Zahlen: „Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln erstmals wieder über 60 Kilogramm“, verkündete Ende 2024 die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Sie berief sich auf das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL). 63,5 Kilogramm (im Wirtschaftsjahr 2023/24) ist vorläufigen Zahlen zufolge der höchste Pro-Kopf-Verbrauch seit zwölf Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der rechnerische Verbrauch von Speisefrischkartoffeln um 8,4 Kilogramm pro Person auf 25,5 Kilogramm.
„Kartoffelprodukte waren vom Handel schon fast abgeschrieben“, sagt Michael Greve, Marketingleiter der Mecklenburger Kartoffelveredlung (siehe auch Seite 50). „Seit einiger Zeit laufen sie wieder gut.“ Die Industrie wiederum habe die Kartoffel in der jüngeren Vergangenheit „eher stiefmütterlich behandelt“, meint Michael Greve. Diese Zeiten seien nun vorbei. „Unsere breite Aufstellung im Marken- und Preiseinstiegssegment zeigt, dass hier ein Revival stattgefunden hat, das nicht einfach wieder verschwindet“, so der Marketingleiter.
Die steigende Beliebtheit von Kartoffelprodukten bestätigen auch die Ernährungsexperten des Nutrition Hub. In ihrem Bericht „Convenience Food & Essen to go – Expert Insights 2024“ verknüpfen sie diese Beobachtung mit neuen Erkenntnissen zur Darmgesundheit. Kartoffeln gelten als gute Quelle für lösliche und unlösliche Ballaststoffe. Eine gekochte Kartoffel enthält durchschnittlich zwei bis drei Gramm Ballaststoffe.
Doch der Gesundheitsaspekt allein reicht nicht aus, um die wachsende Beliebtheit von Kartoffelprodukten zu erklären, meint Torsten Langbein. Er beobachtet auch andere Trends. Der Convenience-Sektor hat sich grundlegend verändert, und Kartoffelprodukte spielen dabei eine wichtige Rolle. Früher ging es bei Convenience-Produkten vor allem darum, schnell satt zu werden, auch wenn das auf Kosten des Geschmacks ging. Heute legen die Verbraucher großen Wert darauf, dass diese Produkte nicht nur gut schmecken, sondern auch gesund und nachhaltig sind.
Ein Trend zu Convenience-Produkten aus der Knolle sehen auch andere Hersteller. „Kartoffelprodukte sind aus der Convenience-Küche nicht mehr wegzudenken und erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie sind vielseitig und passen sowohl in traditionelle als auch in moderne Rezepte“, sagt Walter Bauer, Vertriebsleiter des Herstellers Settele. Zudem bieten Kartoffelprodukte eine ideale Basis für innovative vegetarische und vegane Varianten, die sich den veränderten Ernährungsgewohnheiten und Verbraucherwünschen anpassen, so Bauer, dessen Unternehmen neben Schupfnudeln sowie veganen Kartoffel-Schupfnudeln weitere Produkte mit Kartoffeln anbietet.
Die Kartoffel ist ein Superfood
Für Timo Burger, Geschäftsführer des Knödelherstellers Burgis, ist die Kartoffel ein echtes Superfood. „Auch weil man der Kartoffel alle Eigenschaften zuschreiben kann, die im Trend liegen, wie regional, lokal, glutenfrei, vegan.“ Für den Geschäftsführer ist die Kartoffel nicht nur ernährungsphysiologisch wertvoll, sondern auch sehr vielseitig und preiswert. Die ernährungsphysiologische Bedeutung der Kartoffel beruht seiner Meinung nach auf dem Stärkegehalt, dem hochwertigen Eiweiß und dem hohen Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen. „Frische Kartoffel-Convenience sehe ich als Wachstumsmarkt, der noch viel Potenzial hat.“ Er ergänzt: „Kartoffelknödel sind eine runde Sache auf dem Teller. Von der Vorspeise bis zum Dessert.“
Auch für Viola Henglein, Geschäftsführerin für Marketing beim Hersteller Henglein, ist die Kartoffel ein Trendprodukt für Convenience. „Die Kartoffel ist der ideale Rohstoff für die Convenience-Verarbeitung.“ Kartoffeln schälen, kochen und weiterverarbeiten – all diese aufwendigen Prozesse könne man dem Verbraucher ersparen, so Henglein, deren Unternehmen sich auf Kloßteig, Schupfnudeln und Gnocchi aus frischen Kartoffeln konzentriert. Die Kartoffel spiele auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Frische-Convenience.
Der Hersteller Schne-Frost aus Löningen sieht ebenso einen Trend zu Convenience-Produkten, die auf der Basis der Erdäpfel hergestellt werden. „Hier zählt der große Vorteil, dass die Kartoffel vom Verbraucher nicht in ihrer ursprünglichen Form als rohe Kartoffel verarbeitet werden muss, sondern je nach Tageszeit und Appetit individuell zubereitet werden kann“, sagt Torsten Neumann, Geschäftsführer Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung. Neben den traditionellen tiefgekühlten Kartoffelspezialitäten von Schwarmstedter, zum Beispiel Kartoffeltaschen, bietet das Unternehmen unter der Marke Snackmaster innovative und trendige Kartoffelsnacks für die schnelle Zubereitung in der Mikrowelle oder im Backofen an.
Regional ist Trumpf
Alle Hersteller betonten, wie wichtig ihnen die regionale Herkunft der Produkte ist: Bei Schne-Frost stammen die Kartoffeln zu 100 Prozent aus Deutschland und zu 85 Prozent aus der unmittelbaren Umgebung der Produktionsstandorte Löningen und Schwarmstedt. Auch Timo Burger von Burgis ist die regionale Herkunft der Produkte wichtig: Burgis setzt zu 100 Prozent auf das Regionalzeichen „Geprüfte Qualität aus Bayern“. „Bayern hat im Lebensmittelbereich ein positives Image und dieser Herkunftsnachweis ist über die Grenzen Bayerns hinaus zu einem Qualitätsversprechen geworden“, so Burger.
Zur Unterstützung des Handels greifen die Hersteller auf bewährte Maßnahmen zurück. Verkaufsunterlagen, Zweitplatzierungen und aufmerksamkeitsstarke Point-of-Sale-Materialien gehören zum Standard. Hersteller Burgis setzt neben einem zehnköpfigen Außendienst vor allem auf Social Media. Bei Henglein runden neben speziellen PoS-Kampagnen Verkostungen und verschiedene Materialien den Mix der Handelsunterstützung ab. Rezepthefte oder Rezeptkarten liegen im Handel kostenlos zur Mitnahme aus. Schne-Frost wirbt regelmäßig auf seinen Verpackungen – zuletzt zierte „Paddington in Peru“ einige Schwarmstedter Faltschachteln und sorgte so für mehr Aufmerksamkeit an der Tiefkühltruhe.
Das Unternehmen Ablig hat erfolgreich bewiesen, dass Convenience-Produkte aus Kartoffeln gut vermarktet werden können. In den neuen Bundesländern sind diese Produkte nach eigenen Angaben bereits flächendeckend im Einzelhandel verfügbar, und es sollen neue Märkte im Norden und Westen des Landes erschlossen werden. „Die Essgewohnheiten der Verbraucher bleiben langfristig weitgehend stabil. Faktoren wie die Herkunft der Produkte, Markentreue, Qualität und Preis werden auch weiterhin die Kaufentscheidungen beeinflussen“, sagt Torsten Langbein. Deshalb werden Kartoffelprodukte als Convenience-Optionen weiterhin nachgefragt sein, ergänzt der Geschäftsführer von Ablig Feinfrost.