Die Kassiererin staunte nicht schlecht, als die Kundin alle Stangen Terea der Variante Sienna kaufen wollte, die der Markt auf Lager hat. Die Tabaksticks sind eine Alternative zu herkömmlichen Zigaretten und gehören zum Erhitzer-System Iqos von Philip Morris. Seit Januar kostet die Packung 7,50 Euro und ist damit schlagartig um 50 Cent teurer geworden.
Doch auch jene, die noch immer auf den klassischen Glimmstängel schwören, müssen immer mehr Geld hinblättern: 8,70 Euro kostet die 20er-Marken-Packung mittlerweile. Zum Vergleich: 2016 waren es noch 6 Euro (siehe Grafik). Dabei sind Kippen in Deutschland noch günstig. In Irland zahlen Raucher für eine Packung Marlboro beispielsweise schon 15 Euro, fast doppelt so viel wie hierzulande.
Auch der ehemalige FDP-Politiker Jan Mücke schaut sich die Preise genau an. Mücke ist seit 2014 Lobbyist der deutschen Zigarettenindustrie und in dieser Funktion bemüht, weiteren Regulierungen und Verboten entgegenzutreten. Größere Schritte bei der Steuerlast lehnt er ebenso ab. Tabakerzeugnisse seien schon heute die am höchsten besteuerten Produkte in Deutschland (siehe Interview).
Fragt man bei den großen Herstellern nach, klingt es erwartbar ähnlich. „Eine ausgewogene Steuerpolitik ist essenziell, um einerseits Steuereinnahmen für den Bundeshaushalt zu generieren, andererseits aber Verbraucher im legalen Markt zu halten“, heißt es etwa bei JTI International auf Anfrage. Der Schwarzmarkt ist der Branche schon lange ein Dorn im Auge. 2023 wurden hierzulande rund 1,6 Milliarden Zigaretten illegal verkauft. So zumindest das Ergebnis des Beratungsunternehmens KPMG. Um preissensible Verbraucher nicht an Handelsmarken oder gar den Schwarzmarkt zu verlieren, lassen sich die Hersteller einiges einfallen. Philip Morris bietet mittlerweile eine Großpackung Marlboro mit 80 Zigaretten ein. Das soll dem Käufer bis zu 6 Euro sparen. Auch für den Tabakerhitzer Iqos kommen ganz aktuell Neuheiten auf den Markt. Delia nennt sich die neue Günstig-Variante der Tabaksticks. Die etwas weniger schmuckvoll gestaltete Packung orientieren sich mit 7 Euro an dem alten Preisniveau von Terea.
Andere Regierungen sind strenger
Ein Blick in das europäische Ausland zeigt, dass die Branche in Deutschland vom Gesetzgeber bislang vergleichsweise weniger hart angegangen wird. Bisweilen wird in anderen Ländern sogar die Zukunft des Geschäfts mit Zigaretten und nikotinhaltigen Alternativen insgesamt infrage gestellt. So plant etwa Großbritannien, eine rauchfreie Generation zu schaffen, indem jedes Jahr das Mindestalter für den Erwerb von Zigaretten angehoben werden soll. Wer heute 15 Jahre oder jünger ist, könnte demnach nie legal Zigaretten kaufen. Eine weltweit bisher beispiellose Maßnahme. Belgien hat zudem Anfang des Jahres den Verkauf von Einweg-E-Zigaretten verboten, Frankreich will dem folgen.
Forderungen, dass es Deutschland ähnlich machen sollte, gibt es viele, insbesondere von Ärzteverbänden. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin beispielsweise spricht sich für ein striktes Verbot von Vapes aus, die mit süßen Aromen tendenziell jüngere Menschen zum Dampfen und damit in die Nikotinabhängigkeit führen würden. „Für Tabak und E-Zigaretten fehlt es in Deutschland nicht an gesetzlichen Regelungen“, hält Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) entgegen. Das eigentliche Problem sei der Vollzug bestehender Gesetze. So würden insbesondere bei E-Zigaretten immer noch viele illegale Produkte an Minderjährige verkauft.
Zigarettenverkauf tendenziell rückläufig
Bei der Debatte um strengere Regelungen für Nikotinprodukte hat die Industrie ein gutes Argument: Seit Jahren werden in Deutschland immer weniger Zigaretten verkauft. 2002 lag der Absatz noch bei 145,1 Milliarden Stück. Im Jahr 2024 waren es mit 66,2 Milliarden Zigaretten weniger als die Hälfte. Ein leichtes Absatzwachstum von 3,5 Prozent gegenüber Vorjahr geht auf einen Sondereffekt zurück: Wegen der Tabaksteuerhöhung zum 1. Januar 2025 haben Hersteller und Importeure schon im alten Jahr Steuerzeichen mit dem höheren Steuertarif für 2025 bestellt, damit zum Jahresbeginn die Produktion reibungslos funktionieren kann. Keinesfalls könne daraus ein gestiegener Konsum oder erhöhte Raucherquoten abgeleitet werden, so Mücke.
Weil der Nikotinkonsum teurer wird, greifen die Verbraucher immer mehr zu Billigzigaretten, Großpackungen und Tabak zum Selbstdrehen. Darüber hinaus gibt es einen wachsenden Trend hin zu rauchfreien Alternativen, wie E-Zigaretten und erhitztem Tabak. Nachdem 2022/2023 die Einweg-E-Zigarette für einen Boom-Effekt gesorgt hatte, setzen die Dampfer seit 2024 stärker auf Mehrweg-Systeme mit austauschbaren Pods. Auch erhitzte Tabakerzeugnisse werden in Deutschland beliebter. Dies hat unter anderem den Hersteller JTI – nach Philip Morris und British American Tobacco – dazu bewogen, 2024 mit einem eigenen Erhitzer-Produkt (Ploom X Advanced) in den deutschen Markt einzusteigen.
„Alternativen wie Tabakerhitzer wachsen weiterhin stark. In absoluten Zahlen können sie den Rückgang bei Zigaretten jedoch noch nicht ausgleichen“, heißt es dazu bei JTI. Da der Markt mit bisher drei Anbietern noch überschaubar ist, weist das Statistische Bundesamt keine gesonderten Daten dafür aus. Anders bei den Liquids, also der nikotinhaltigen Flüssigkeit für E-Zigaretten. 2024 wurden für 1,28 Millionen Liter Steuerzeichen bezogen. Die versteuerte Menge stieg um 3,5 Prozent.
Streitfall Nikotinbeutel
Große Hoffnung setzt die Branche in Nikotinbeutel, deren Verkauf in Deutschland derzeit kurioserweise verboten ist und die doch online und stationär erhältlich sind. Die an Teebeutel erinnernden Päckchen werden hinter die Oberlippe gesteckt und sind in Skandinavien seit vielen Jahren als „Snus“ bekannt. Es gibt tabakhaltige Beutel und Produkte, die gänzlich ohne Tabak auskommen. Derzeit würden „Gesundheits- und Verbraucherschutzstandards nicht kontrolliert“, heißt es bei Imperial Brands (Reemtsma). Auch Mücke pocht auf eine gesetzliche Zulassung und verweist auf das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Nikotinbeuteln attestierte, die am wenigsten schädliche Option für den Konsum von Nikotin zu sein. Vor Kurzem hatte die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA entschieden, bestimmte Nikotinbeutel dürften als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung verkauft werden. Ob dies Signalwirkung für den deutschen Markt haben wird, ist noch offen. „Eine Regulierung würde eine Möglichkeit für erwachsene Raucher schaffen, auf potenziell weniger schädliche Produkte umzusteigen“, argumentiert der Hersteller Imperial Brands (Reemtsma) auf Anfrage. Kritiker bemängeln den hohen Nikotingehalt. Bei einer Untersuchung des BfR kam heraus, dass die Beutel im Schnitt rund 10 Milligramm des Nervengifts enthielten. Im Rauch einer Zigarette steckt rund 1 Milligramm Nikotin.
3 Fragen an
Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse
Was sind die konkreten Forderungen Ihrer Branche an die neue Bundesregierung?
Jan Mücke: Für Tabak und E-Zigaretten fehlt es in Deutschland nicht an gesetzlichen Regelungen, sondern es mangelt eklatant am Vollzug der bestehenden Vorschriften. Zwei Beispiele: Nikotinprodukte dürfen im Handel nicht an Minderjährige verkauft werden und auf Social Media ist Werbung für E-Zigaretten verboten. Trotz klarer Regelungen erleben wir hier tagtäglich zahlreiche Rechtsverstöße – und der Staat schaut tatenlos zu. Zugleich müssen erwachsene Verbraucher wieder stärker respektiert und von staatlicher Bevormundung durch immer neue Vorschriften und Verbote verschont werden.
Die Bundesärztekammer fordert höhere Steuern. Ihre Meinung?
Der Steueranteil an einer 20er-Schachtel Zigaretten liegt bei etwa 61 Prozent des Verkaufspreises, also bei 5,35 Euro pro Schachtel bei einer Preislage von 8,70 Euro. Der Staat nahm 2023 so insgesamt knapp 20 Milliarden Euro ein. Das entspricht rund 4,2 Prozent des Bundeshaushaltes. Für eine noch stärkere Abgabenbelastung für unsere Erzeugnisse gibt es deshalb keinen Raum.
Welche Chancen sehen Sie bei Zigaretten-Alternativen?
Studien zeigen, dass Nikotinpouches potenziell die am wenigsten schädliche Option für den Genuss von Nikotin sind. Eine rechtliche Regelung, die auch in Deutschland einen legalen Verkauf an Erwachsene erlaubt, bleibt für uns eine vordringliche Forderung.