Bewusste Ernährung Bohnen für die Zukunft

Die Umstellung unserer Ernährung kann Leben und Planeten retten, meinen Wissenschaftler. Was der Speiseplan der Planetary Health Diet vorgibt und für die deutsche Ernährungswirtschaft bedeuten würde.

Freitag, 09. Dezember 2022 - Sortimente
Bettina Röttig
Artikelbild Bohnen für die Zukunft
Bildquelle: Thorsten Scherz

Kann ein reduzierter CO2-Fußabdruck das Diabetesrisiko oder hohe Blutdruckwerte senken? Die finnische Stadt Lahti geht dieser Frage nach. Mithilfe der ersten Ärztin für planetare Gesundheit, Dr. Hanna Haveri, testeten im Sommer 2022 erste Bürger speziell auf sie zugeschnittene Handlungsempfehlungen. Haveri verschrieb ihnen beispielsweise, mehr Gemüse zu essen, Käse öfter durch vegane Aufstriche zu ersetzen, eher heimischen Fisch und seltener Fleisch zu konsumieren. Auch Aufenthalte in der Natur gab es auf Rezept. Das Ergebnis nach zwei Monaten: ein im Schnitt um 17 Prozent verminderter CO2-Fußabdruck bei einem um 16 Prozent verbesserten Wohlbefinden, dazu reduzierte Diabetesrisiken, bessere Fettsäurebalancen und Herzwerte.

Das Experiment basiert auf einer neuen Ernährungsempfehlung, der Planetary Health Diet (PHD). Deren Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 rund 10 Milliarden Menschen gesund und nachhaltig zu ernähren und gleichzeitig die Ressourcen unseres Planeten zu schützen. Entwickelt wurde der Speiseplan von der EAT-Lancet-Kommission, bestehend aus 37 Wissenschaftlern aus 16 Ländern. Beteiligt war auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Zur Erstellung der Empfehlung „wurden verschiedene planetare Grenzen, wie Treibhausgasemissionen, Wassernutzung oder Biodiversitätsverlust definiert“, erklärt Dr. Claudia Hunecke, Agrarökonomin am PIK. Darauf aufbauend sowie auf den Anforderungen für eine gesunde Ernährung gebe die PHD eine Empfehlung für die Zusammensetzung der täglichen Nahrungsmittelaufnahme (siehe Grafik oben). Vor allem Gemüse und Hülsenfrüchte sollen auf den Teller. Tierische Produkte wie Eier, Fleisch und Fisch sind erlaubt, aber nur in geringen Mengen empfohlen.

Die positiven Effekte einer Konsumumstellung wären enorm, ist sich die Wissenschaft sicher. Rund 50 Prozent weniger ernährungsbedingte Treibhausgasemissionen hat der WWF für eine planetarisch-kulinarische Ernährung berechnet. In Europa sei ein Drittel aller vorzeitigen Todesfälle auf Fehlernährung zurückzuführen, welche vermieden werden könnte, sagt Hunecke. „Langfristig gesunde Menschen kann es nur auf einem gesunden Planeten geben“, mahnte Prof. Dr. Martin Grassberger im Rahmen des Herbst-Symposiums der Interessengemeinschaft für gesunde Lebensmittel zum Thema PHD. Der Mediziner und Professor für Human- und Gesundheitsökologie, Umwelt- und Ernährungsmedizin (Universität Wien) erläuterte, wie Mikrobiom, Biodiversität, Umwelt und Ernährung unsere Gesundheit bestimmen. „Nichts existiert unabhängig – unsere Ernährung ist das direkte Bindeglied zwischen uns und unserer Umwelt, denn unser Körper besteht aus exakt jenen Molekülen, die wir zeitlebens mit der Nahrung zu uns nehmen“, betonte er.

6/9

der planetaren Grenzen sind bereits überschritten.

10

Prozent der Menschen sind unterernährt.

2

Milliarden Menschen sind übergewichtig

80

der global verfügbaren landwirtschaftlichen Produktionsfläche werden für die Erzeugung tierischer Produkte verwendet.

 

18

Prozent tragen tierische Lebensmittel jedoch nur zur Energieversorgung und

37

Prozent zur Proteinversorgung bei.

33

Prozent der Nahrungsmittel gehen verloren.

Würden die Bundesbürger ihre Ernährungsgewohnheiten zugunsten der PHD ändern, bedeute dies nach Berechnungen des PIK drastische Veränderungen für Handel und Lebensmittelproduzenten. So würde der Fleischkonsum auf ungefähr 14 Kilogramm pro Kopf und Jahr in Deutschland sinken, der Konsum von Obst und Gemüse um mehr als 60 Prozent steigen und die Nachfrage nach Hülsenfrüchten sich verzwanzigfachen. Um die veränderte Nachfrage aus möglichst regionalen Quellen decken zu können, müssten deutsche Landwirte umschwenken (Grafik unten). Die errechneten Benefits laut Hunecke: deutliche Rückgänge von CO2-Emissionen, Flächenverbrauch, Einsatz von Stickstoff und Phosphor sowie des Verlusts an Biodiversität. Außerdem würde die jährliche Gesamtsterblichkeit von Erwachsenen in Deutschland um etwa 18 bis 20 Prozent sinken.

Händler wie Edeka oder Rewe informieren ihre Kunden bereits über ihre Online-Auftritte zum Thema PHD. In den Märkten zeigt bisher jedoch eine Siegelflut Verbrauchern lediglich Einzelaspekte. Der Nutri-Score soll zeigen, welche Lebensmittel in welcher Menge besser oder schlechter für unsere Gesundheit sind. Andere Label zeigen auf, wie viel CO2-Emissionen ein Lebensmittel mitbringt, oder informieren über den Wasserverbrauch oder Tierwohl-Kriterien.

Hersteller setzen Theorie in die Praxis um
Erste Hersteller widmen sich der Thematik. So hat Danone Nordics mit der veganen Marke Alpro eine dreijährige strategische Partnerschaft mit der Nonprofit-Organisation EAT vereinbart, um eine planetengesunde, pflanzenbetonte Ernährung zu fördern. Im März 2022 startete die Bohlsener Mühle ein Experiment, das auf der PHD aufbaut und die Faktoren Regionalität und Saisonalität einbezieht. In einem Pop-up-Restaurant im Foodlab in der Hamburger Hafencity bot das Unternehmen Köchen Frühstück, Lunch-Bowls und Fruchtfolge-Abendmenüs an. Mit einem Online-Rechner, mit dem die Gäste zum Beispiel ihre Mittags-Bowl zusammenstellen konnten, erfuhren sie von der Herkunft und den damit verbundenen Auswirkungen der Zutaten auf Klima und Umwelt. Zur Wahl standen die Varianten Kurz-, Mittel- und Langstrecke-Bowl. Die Gäste zahlten entsprechend der Strecke, die die Zutaten hinter sich gebracht hatten. Je regionaler die Zutaten, desto günstiger ist das Gericht. Ihnen wurde zudem die Eignung nachhaltiger, regional-saisonaler Lebensmittel in Form eines Fruchtfolge-Menüs nahegebracht. „Damit konnten wir das Interesse der Gäste für das komplexe Thema Klimawirksamkeit wecken und ihnen dieses ganz charmant näherbringen“, sagt Mathias Kollmann, Geschäftsführer der Bohlsener Mühle. Online-Rechner und Rezepte stehen online zur Verfügung. Ein Kochbuch soll folgen.

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