Tierhaltung der Zukunft Wie ein Landwirt mehr Tierwohl mit Biogas finanziert

Tierwohl kostet. Ein brandenburgischer Vorzeigebetrieb zeigt, wie sich die Umstellung auf höhere Tierhaltungsstufen finanzieren lässt: mit dem Verkauf von Biogas.

Montag, 18. November 2024, 07:00 Uhr
Jens Hertling
Tierhaltung und nachhaltige Landwirtschaft:  Stephen Costello
Der landwirtschaftliche Betrieb von Stephen Costello mästet Schweine, produziert Weidemilch und erzeugt Biogas. Bildquelle: Jens Hertling

Etwa 20 Minuten südlich von Potsdam liegt ein brandenburgisches Vorzeigeprojekt – der Betrieb der Familie Costello. Schon an der Einfahrt empfängt der Chef Stephen Costello. Sein Unternehmen heißt Emerald Irish Porc – denn die Costellos stammen aus Irland.

1991 hatte Stephen Costellos Vater Billy (66), Landwirt aus Galway an der irischen Westküste, einen Schweinemastbetrieb von der Treuhand, die damals mit der Privatisierung von DDR-Unternehmen beauftragt war, übernommen. Inzwischen hat er den Betrieb an seine Söhne Stephen (37) und Paul (40) übergeben. In den vergangenen 33 Jahren hat sich die Familie zu einem wichtigen Arbeitgeber in Rietz, einem Ortsteil der 11.000-Einwohner-Stadt Kloster Lehnin, entwickelt und betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen mit Schweinemast, Weidemilch- und Biogasproduktion. In seinen Betrieben in Brandenburg stehen rund 3.000 Sauen. Jährlich werden etwa 90.000 Schwei­­ne gemästet; pro Woche kommen rund 1.700 davon zur Schlachtung.

Geld von Vermarktern reicht nicht

Wie vielen anderen Landwirten bereitet auch Stephen Costello die Schweinemast große Sorgen. „Die Zeiten für Schweinehalter sind nicht einfach, egal ob in der Ferkelerzeugung oder in der Mast“, sagt der Landwirt. Dennoch blickt Stephen Costello optimistisch in die Zukunft und plant, seinen gesamten Schweinebestand von Tierhaltungsstufe zwei auf Tierhaltungsstufe drei und vier (Strohschweine) umzustellen. Um eine kostendeckende Prämie für die Umstellung auf Stroh zu erhalten, wandte er sich an seine Vermark­tungspartner. Da die von den Vertragspartnern angebotenen Prämien nicht ausreichen, geht er nun neue Wege und sieht in dem von ihm patentierten Biogasmodell „Biogrid“ eine zukunftsweisende Lösung: „Die intelligente Vermarktung von Biomethan schafft stabile Einnahmen. Auf diese Weise wird in Zukunft die Haltung von mehr Tieren auf Stroh rentabel sein, und die Mehreinnahmen aus der Biogaspro­duk­tion können die höheren Haltungskosten abfedern.“

„Biogas wird in Zukunft eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen“, sagt Costello. Mit seiner patentierten „Biogrid-Collect“-Techno­logie ermöglicht der Unternehmer anderen Landwirten eine schnelle und dezentrale Abnahme des grünen Gases direkt ab Hof. Als Partner der Gasnetzbetreiber bereitet er das Biogas anschlie­ßend auf und speist das Methan zentral in das Hauptnetz ein. „Damit ermög­lichen wir künftig auch kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, grünes Gas zu vermarkten – zu einem besseren Preis als bei der Verstromung“, sagt Costello. Das verlässliche Einkommen aus Biogas mache für viele Landwirte die Umstellung auf die Haltungsstufen drei und vier erst realisierbar.

850 Kühe auf 320 Hektar

In Sachen Tierwohl sind Stephen und Paul Cos­tello auch in der Milchviehhaltung eine Klasse für sich: Sie halten 850 Milchkühe ganzjährig auf 320 Hektar Weideland. Ganzjährige Weidehaltung war in Deutschland lange Zeit unbekannt. Die Milchviehhaltung in Stephens und Pauls Heimat Irland ist das Vorbild dafür. Dort ist Weidegras der Hauptbestandteil der Milchviehfütterung. Die Bauern in dem Land halten die Tiere deshalb das ganze Jahr über auf der Weide.

Den Tieren macht weder Hitze noch Kälte etwas aus – deshalb brauchen sie keinen Stall. Die Kühe sind Kreuzungen aus 50 Prozent Holstein- und 50 Prozent Jersey-Rindern. Die Jersey-Kreuzung ist keine Hochleistungskreuzung, die Tiere sind viel kleiner als normale Kühe und geben weniger Milch, sie enthält dafür aber viel mehr Fett und Eiweiß. Die Milchleistung ist denn auch deutlich geringer als bei sogenann­ten Turbo-Rindern: Sie liegt bei 6.000 Litern pro Jahr. Die Costellos vermarkten ihre Milch unter dem Namen „Grasmilch Brandenburg“. Das unterscheidet sie von deutscher Weidemilch, deren Erzeuger ihren Tieren laut Vorschrift nur an 120 Tagen für jeweils sechs Stunden Auslauf gewähren.

2020 erhielten die Costellos für ihr Farmkonzept den Innovationspreis des Landes Brandenburg. „Das Konzept ‚Grasmilch Brandenburg‘ kann als innovatives Modellprojekt für landwirtschaftliche Betriebe dienen, die sich den zukünftigen Anforderungen an eine nachhaltige Landwirtschaft stellen wollen“, so die Begrün­dung der Jury.

3 Fragen an

Stephen Costello, Geschäftsführer Emerald Irish Porc, Schweinemäster und Weidemilch-Bauer

Welche Bedeutung sehen Sie in der Regionalität?
Stephen Costello: Ich sehe in der Regionalität vor allem Chancen. Allein in Berlin und Brandenburg leben 6,5 Millionen Menschen, die jährlich rund 180 Millionen Kilogramm Fleisch- und Wurstprodukte aus Schweinefleisch verzehren. Regionalität funktioniert nur, wenn alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten an einem Strang ziehen. Ein Hebel ist die bessere Vernetzung der Akteure. Kommunalpolitik, Erzeuger, Handel, Verbraucher und Verarbeiter sollten in engem Austausch stehen. Wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen, ist regio­nale Fleischerzeugung ein Trumpf.

Wie empfinden Sie das politische Tempo, wenn es zum Beispiel um Stallumbauten geht?
Das Tempo der Politik ist viel zu langsam. Die Genehmigungsverfahren für Stallumbauten sind langwierig und vom Landwirt kaum zu beschleunigen. Es gibt so viel Potenzial in der Region. Die Politik verschwendet hier nur unnötig riesige Chancen durch Zeitverlust.

Sollte sich der Staat aus dem Markt heraushalten?
Ich sehe die staatliche Förderung eher als Bonus on top. Wenn sich ein Projekt nur rechnet, weil es überwiegend von Bund oder Land gefördert wird, dann ist das kein nachhaltiges Geschäft. Ich möchte nicht von Steuergeldern abhängig sein. Als Unternehmer möchte ich selbst Wertschöpfung erzielen und nachhaltig innovative Modelle wie „Biogrid“ umsetzen. Dafür benötige ich faire Rahmenbedingungen.

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