Lidl im Dialog Lidl macht Druck

In einer Diskussionsrunde in Berlin wurde deutlich, dass Lidl beim Tierwohl umdenkt. Das bekräftigt Benjamin Steeb (Foto), in der Geschäftsleitung von Lidl International zuständig für den Einkauf, gegenüber der LP.

Montag, 17. Januar 2022, 10:16 Uhr
Jens Hertling
Artikelbild Lidl macht Druck
Bildquelle: Lidl

Für Schweine sollen sich die Haltungsbedingungen bessern. Weshalb macht Lidl beim Thema Tierwohl Druck?
Benjamin Steeb:
Im Rahmen des Nachhaltigkeitsengagements setzt sich Lidl bereits seit Jahren für mehr Tierwohl ein. Daher haben wir uns schon mit der Erfindung des Haltungskompass 2018 und der Überführung in die Haltungsform konkrete Ziele für bessere Haltungsbedingungen gesetzt. Bis 2025 soll die Haltungsstufe 2 der Mindeststandard für unser gesamtes Frischfleischsortiment sein, bis Mitte des nächsten Jahres werden wir diese Umstellung für Frischgeflügel und Schweinefleisch weitgehend vollzogen haben. In Verbindung mit der Haltungsform gelingt es uns damit, die verbesserte Haltung der Tiere transparent zu machen und die deutsche Herkunft unserer tierischen Erzeugnisse damit auch qualitativ von ausländischer Ware abzuheben. In unserem Verständnis kommen wir somit der Verantwortung als Lebensmitteleinzelhändler nach, den Kunden einen möglichst einfachen nachhaltigeren Einkauf zu ermöglichen.

Warum ist es aus Ihrer Sicht bisher nicht gelungen, hohe Tierwohlstandards auskömmlich für die Landwirtschaft vergütet am Markt zu positionieren?
Lidl betrachtet den aktuellen Preisverfall insbesondere für Schweinefleisch mit großer Sorge, weshalb wir mit verschiedenen Maßnahmen die Erzeuger und Erzeugerinnen kurzfristig unterstützt haben. Über eine Sonderzahlung in Höhe von 50 Millionen Euro hat die Schwarz Gruppe mit Lidl und Kaufland die teilnehmenden Betriebe der Initiative Tierwohl schnell und unbürokratisch unterstützt. Darüber hinaus sind wir dem Verfall der Rohstoffpreise nicht mit unseren Einkaufspreisen gefolgt, sondern wir orientieren uns weiter an dem Preisniveau von vor dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest. Und drittens stärken wir die Nachfrage durch gezielte Aktionen mit deutschem Schweinefleisch und unserer Verpflichtung bis Anfang nächsten Jahres Frischfleisch und Wurstwaren unter der Marke Metzgerfrisch auf „5xD“ umzustellen, so dass von der Geburt über die Aufzucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung die komplette Wertschöpfung in Deutschland liegt.  Dennoch ist es notwendig, mit allen Akteuren der Branche strukturelle Maßnahmen zu definieren und umzusetzen, um die Nutztierhaltung in Deutschland zukunftsfähig aufzustellen. Denn die Nachfrage wird durch wegfallende Absatzmärkte und ein verändertes Konsumverhalten aus unserer Sicht dauerhaft niedriger sein als in der Vergangenheit, ein höheres Tierwohlniveau kann daher dazu beitragen, den Angebotsüberhang zu reduzieren. Tierwohl kostet aber mehr Geld und das müssen wir als Gesellschaft verlässlich vergüten.

Wollen Ihre Lidl-Kunden, die Verbraucher überhaupt Tierwohlfleisch? Und werden sie das wirklich höher bezahlen?
Mit unserer Einführung des Lidl-Haltungskompasses und seiner Überführung in die Haltungsform haben wir die Leistungen der Landwirte in Deutschland für mehr Tierwohl transparent und leicht verständlich gemacht. Infolgedessen sehen wir eine steigende Nachfrage nach Produkten aus verbesserter Haltung. Dies wird bestätigt durch eine repräsentative Umfrage des Handelsblatt Research Institute, die wir für den Tierwohl-Dialog beauftragt haben. 83 Prozent der Konsumenten achten beim Einkauf auf die Haltungskennzeichnung, für 89 Prozent der Befragten ist Tierwohl sogar ein wichtiges Kaufkriterium. 77 Prozent der Konsumenten würden die Mehrkosten für eine bessere Tierhaltung über den Produktpreis bezahlen.

In der Videoschalte haben sie von drei Forderungen gesprochen. Können Sie bitte kurz darauf eingehen?
Gerne. Erstens sollte aus unserer Sicht die Nachfrage nach heimischen Erzeugnissen aus den Haltungsstufen 3 und 4 gesteigert werden. Hierfür fordern die Teilnehmer des Tierwohl-Dialogs eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für alle Vermarktungs­wege, also auch in der Gastronomie oder Be­dientheken. Zweitens sollte diese Nachfrage aus deutscher Erzeugung gedeckt werden. Dazu bedarf es aus Sicht der Teilnehmer einer Änderung des Genehmigungsrechts, um Landwirten einen tierwohlgerechten Stallumbau zu ermöglichen. Drittens brauchen Landwirte, die in mehr Tierwohl investieren, eine wirtschaftliche Per­spektive: Mit Planungssicherheit durch gezielte staatliche Förderung und der Bereitschaft aller Abnehmer, Mehrkosten für Tierwohl verlässlich zu vergüten und weiterhin auf deutsche Herkunft zu setzen. Durch unsere Zusage Schweinefrischfleisch und Wurstwaren der Marke „Metzgerfrisch“ konsequent auf „5xD“-Rohstoff umzustellen, bekräftigen wir nochmals unser Engagement für die deutschen Erzeuger.

Lidl ist stolz darauf, dass im Koalitionsvertrag ein staatliches Haltungskennzeichen steht. Reicht das Siegel des Handels nicht aus?
Wir denken, dass wir mit der bestehenden Haltungsformkennzeichnung eine sehr gute Basis gelegt haben, die Leistungen der heimischen Landwirtschaft einfach und verständlich dem Verbraucher nahe zu bringen. Diese Grundlage könnte unseres Erachtens als Blaupause dienen, um die Einführung einer staatliche Haltungskennzeichnung zu beschleunigen, die dann verbindlich für alle Vermarktungswege gilt. Denn der Lebensmittelhandel allein bildet nur einen Teil des Konsums ab. Um die Nachfrage nach tierwohlgerechten Erzeugnissen in der Breite zu stärken, ist es wichtig, dass die Kunden generell beim Konsum tierischer Erzeugnisse eine bewusste Kaufentscheidung treffen können.

Welchen Zeitplan haben sie sich jetzt für 5 mal D gesetzt?
Lidl setzt seit langem konsequent auf heimi­sche Qualität. Unsere Trinkmilch kommt zu 100 Prozent aus Deutschland, ebenso über 90 Prozent des Frischfleisch- und Frischgeflügelangebots. Bis Ende März 2022 werden wir als erster Händler mit der Eigenmarke „Metzger­frisch“ ein flächendeckendes Angebot an konven­tionellem Schweinefrischfleisch und Wurstwaren anbieten, bei dem Geburt, Aufzucht, Mast, Schlach­tung und Verarbeitung in Deutschland erfolgt. Bereits heute ist ein Teil des Schweinefrischfleisch- und Wurstsortiments „5xD“, diesen Ansatz setzen wir künftig noch konsequenter um.

Nachhaltigkeit ist dabei aber weiterhin bei Lidl gesetzt?
Nachhaltiges Handeln ist und bleibt ein wichtiger Eckpfeiler der Strategie des Unternehmens und ist damit Bestandteil für unseren Erfolg. Denn wenn wir gemeinsam mit unseren Geschäftspartnern die ökologischen und sozialen Auswirkungen unseres Handelns verbessern, stärken wir unsere Lieferketten und sichern die künftige Wettbewerbsfähigkeit.

Lidl im Dialog

Im Rahmen des Formats „Lidl im Dialog – Gemeinsam mit der deutschen Landwirtschaft zu mehr Tierwohl“ diskutierten Vertreter des Lebensmitteldiscounters Lidl Ende 2021 in Berlin mit Akteuren aus der Branche, um die gesellschaftlich gewollte Transformation in der Landwirtschaft voranzutreiben.

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