Schweinezucht Reizthema Kastration - Reizthema Kastration: Teil 2

Der 1. Januar 2019 ist ein entscheidendes Datum. Ab dann dürfen Landwirte Ferkel nicht mehr betäubungslos kastrieren. Das wirft in der Praxis Probleme auf: bei Landwirten, Schlachtunternehmen und dem Einzelhandel. Wir erklären den Hintergrund.

Donnerstag, 09. August 2018 - Fleisch
Michaela Hennecke
Artikelbild Reizthema Kastration - Reizthema Kastration: Teil 2
Bildquelle: Michaela Hennecke, Vion

Auch wenn die Immunokastration von einigen Handelspartner akzeptiert wird, hat sie ein entscheidendes Problem: Viele Schlachtunternehmen nehmen keine geimpften Tiere ab. Warum das so ist, darüber geben diese Unternehmen ungern Auskunft. Auf Anfrage antworteten lediglich Vion und Westfleisch. „Vion nimmt keine immunokastrierten Eber ab. Wir haben keine Kunden für das Fleisch dieser Tiere. Auch wenn ein Kunde Improvac akzeptieren sollte, nimmt er nur bestimmte Teilstücke, keine halben Schweine. Was machen wir mit dem Rest des Schweins, wenn andere Kunden keine Teilstücke von immunokastrierten Schweinen beziehen wollen?“, erklärt Vion. Westfleisch stellt klar: „Westfleisch nimmt keine geimpften Tiere ab oder verarbeitet sie, da diese von den Kunden nicht akzeptiert werden.“

Eine Diskussion, die andere Länder schon hinter sich haben. Australien beispielsweise hat sich in den späten 1970er Jahren von der chirurgischen Kastration abgewandt. Das Land schlachtet zurzeit etwa 5,3 Millionen Schweine im Jahr. 18 Prozent des Fleisches wird von Sunpork Solutions produziert. Darryl D´Souza, CEO von Sunpork Solutions, sagt über die Marktentwicklung in Australien: „Einzelhändler haben unterschiedliche Produktionsstandards. Einige haben explizit herausgestellt, dass sie immunokastriertes Fleisch haben möchten. Andere Einzelhändler fordern es nicht direkt, aber sie akzeptieren es. In Australien haben wir auch einen Einzelhändler, der die Impfung nicht erlaubt hat. Aufgrund von Verbesserungen beim Tierwohl erlaubt auch dieser Händler nun die Immunokastration“. Zum Thema Immunokastration lesen Sie bitte auch das Interview auf S. 103.

Während Australien zumeist die Immunokastration nutzt, ist in Deutschland noch eine weitere Alternative zugelassen: die Kastration unter Vollnarkose. Aber auch hier gibt es Unterschiede. So gibt es die Möglichkeit, Tiere mit Hilfe einer Injektion zu betäuben. Dabei muss zusätzlich frühzeitig ein Schmerzmittel gegeben werden, um den Tieren den Schmerz nach der Kastration zu ersparen. Problematisch bei dieser Art der Kastration sind die Arbeitsabläufe. Tiere müssen zwei Mal angefasst werden – einmal zur Gabe des Schmerzmittels und einmal zur Gabe des Narkosemittels. Diese Art der Kastration darf zurzeit nur ein Tierarzt anwenden. Dies wiederum führt zu höheren Kosten in der Ferkelproduktion.

Technisch möglich ist auch die Vollnarkose mit Isofluran. Dieses Narkosegas ist jedoch zurzeit nicht für die Tierart Schwein zugelassen. Nur, wenn ein „Therapienotstand“ herrscht, ist es erlaubt. Also dann, wenn keine andere Möglichkeit mehr anwendbar ist.

Auch der „vierte Weg“, der eine lokale Betäubung beinhaltet, ist nach dem Deutschen Tierschutzgesetz nicht zulässig. Im Ausland allerdings wird er teilweise angewendet.

Es gibt also mehrere Wege mit Vor- und Nachteilen. Doch was sagt der Handel zu diesen Kastrationsmethoden?

Das Handelsunternehmen Real akzeptiert generell Eberfleisch, jedoch nur, wenn die Lieferanten garantieren können, dass sie sensorisch einwandfreie Schlachtkörper liefern. Aber wie kann man das garantieren?

Die Schlachtunternehmen führen hierzu sensorische Tests am Schlachtband durch. Das Fleisch wird, noch als Schlachthälfte, punktuell erhitzt. Ein geschulter Mitarbeiter riecht an diesem erwärmten Stück Fleisch und stellt so fest, ob es sich bei diesem Tier um einen „Stinker“ handelt oder nicht. Fleisch, dass positiv auf den Ebergeruch getestet wurde, ist laut Deutschem Lebensmittelbuch nicht verkehrsüblich. Auf Anfrage stellt Real klar: „Unsere Lieferanten von Schweinefleisch haben in den letzten Jahren ein wissenschaftlich validiertes Kontrollsystem entwickelt. Dieses System bringt die berechtigten gesellschaftlichen Anforderungen zum Verzicht auf die Ferkelkastration mit den Anforderungen an eine hohe sensorische Qualität in Einklang. Das System schließt praktisch aus, dass Fleisch beziehungsweise Fleischprodukte mit sensorisch abweichendem Geruch an den Endverbraucher gelangen.“

Neue Produkte

Viel gelesen in Hersteller

News in Fleisch, Wurst & Geflügel