Käse Frühlingsgefühle

Leichte Küche, frische Kräuter, glückliche Kühe – eine breite Themenpalette, die saisonbedingt an der Käse-Bedienungstheke für Gesprächsstoff sorgen kann.

Dienstag, 30. November 1999 - Sortimente
Heidrun Mittler
Artikelbild Frühlingsgefühle
Carina Schäfer-Fischer, Food-Trainingsakademie:
Bildquelle: Geisler

Der Rockbund kneift, die Hose spannt: Deutschland beschäftigt sich mit dem Thema Abnehmen. Sobald die Frühlingssonne lacht, haben Konsumentinnen die Bikini-Figur vor ihrem geistigen Auge und starten das Kalorien-Zählen. Etwas übertrieben? Okay, ein bisschen. Tatsächlich aber steht im Frühjahr die schlanke Linie bei fast allen Frauen auf dem Wunschzettel, die Männer streben nach dem Waschbrettbauch.

Was heißt das für das Geschäft an der Käse-Bedienungstheke? Auf jeden Fall, dass die Mitarbeiter an der Theke ein Gesprächsthema haben. In welche Richtung sie es dann lenken, bleibt ihrem Geschick überlassen. Roswitha Vogl, die mit ihrer Familie vier Edeka-Märkte im Bonner Raum betreibt, nimmt die Aufgabe mit Humor und fragt zurück: „Diätkäse? Aber dafür etwas dicker geschnitten!“. Fett ist nun einmal (leider!) ein Geschmacksträger. Aber die Praktikerin weiß auch, dass leichte Käse heute nicht mehr wie Schuhsohle schmecken, sondern durchaus Genuss auf die Zunge bringen. Sauermilchkäse beispielsweise profitiert vom Streben nach leichten Produkten, so Annett Anders, Marketingleiterin bei der Käserei Loose: „Sauermilchkäse mit viel Eiweiß und wenig Fett passt ideal auf den Speiseplan“. Deshalb sei die Frühlingszeit perfekt geeignet, die Botschaft „leckerer Käse aus Quark“ zu platzieren. Verkostungsaktionen und Kochshows im Handel stoßen laut Anders im Frühjahr auf erhöhtes Interesse, speziell die Rezepte für die leichte Küche.

Manuela Diehl, Käsefachberaterin in den Dornseifer-Märkten, beobachtet im Frühjahr einen Trend zu Brie und Frischkäsezubereitungen, „insgesamt allem, was nicht im Magen liegt“. Wie sich das Thema „Fit in den Frühling“ aktiv an der Käse-Bedienungstheke umsetzen lässt, zeigt weiter die gleichnamige Aktion im Globus Mühldorf. Teamleiterin Sieglinde Buchberger hat vor dem Start die Azubis in punkto „aktives Verkaufen“ geschult. Dann hat das Thekenteam den Kunden die Möglichkeit geboten, 20 verschiedene Käsesorten zu verkosten, alle mit geringem Fettanteil. Die Maßnahme lief eine Woche lang, wurde von anderen Warengruppen ergänzt und kam super an.

Susanne Hofmann, Inhaberin des Tölzer Kasladens, beobachtet im Frühjahr drei unterschiedliche Nachfragemuster: Ihre Kunden verlangen zum einen magere Käse, zum anderen aber gerade fette Käse, die für die Trennkost geeignet sein sollen. Außerdem: „Käse aus der Milch von Tieren mit Weidehaltung oder von der Alp, da diese viele Omega-3– Fettsäuren haben, die angeblich nicht dick machen und sehr gesund sind“. Susanne Hofmann hat übrigens eine eigene Käse-Akademie ins Leben gerufen, die eine Ausbildung zum Fromelier/ zur Fromeliére anbietet (www.toelzer-kasladen.de/kaeseakademie). Der Begriff Fromelier orientiert sich am Sommelier, einem ausgewiesenen Weinfachberater.

Kräuter – auch das ein Thema, das hervorragend zum Frühjahr passt. Roswitha Vogl veranstaltet „Kräuterwochen“ und schwärmt von ihrem frischen Brillat Savarin, der mit Kräutern belegt ist oder der selbst zubereiteten Frischkäsecreme mit Bärlauch. Beatrice Hennerici, Inhaberin des Fachgeschäftes „La Petite France“ in Mayen, stellt vor allem die frischen Ziegenkäse heraus, die mit Kräutern und Olivenöl verfeinert werden. Beliebt sei aber ebenso die Kombination mit rosa Pfeffer oder süße Varianten wie Toppings mit Feige oder Honig.

Geschickt kombiniert Carina Schäfer, Diplom-Käsesommelière und stellvertretende Geschäftsführerin der Food-Trainingsakademie, mehrere Sortimente im Beratungsgespräch: „Mit dem Frühling kommt die Lust auf frische, knackige Salate. Hier haben wir an den Käse-Bedienungstheken großes Genusspotenzial!“ So kann eine versierte Fachkraft darauf hinweisen, dass sich frische Salate mit Käse verfeinern lassen. Carina Schäfer nennt zum Beispiel „würzige, zart gehobelte Bergkäsespezialitäten, Ziegenkäsevarianten oder feine Käse-Delikatessen aus Frankreich, Italien oder Spanien“. Außerdem weist sie darauf hin, dass man Dressings mit einer kleinen Käsezugabe, zum Beispiel Roquefort oder Gorgonzola, eine „geschmackliche Erlebnis-Note“ geben kann – man muss die Kunden an der Theke nur darauf ansprechen!

Gerade die Anbieter von niederländischem Käse haben eigene Konzepte für das Frühlingsgeschäft. Davon ausgehend, dass die Kühe besonders gute Milch geben, wenn sie nach dem langen Winter wieder aus dem Stall und auf die Weide dürfen und dann frisches, saftiges Gras fressen, promoten sie spezielle Angebote.

Dagmar Peters, Trade Marketing Manager FrieslandCampina Cheese, berichtet von einem saisonalen Ausschlag: Der Abverkauf an der Käsetheke steige an, vor allem bei Saisonprodukten wie Frico Frühlings- und Mai-Gouda. Original Mai-Gouda (aus Mai-Milch) beispielsweise reift mindestes sechs Wochen und bietet laut Peters einen „starken Nachfrageimpuls beim Käsetheken-Konsumenten“, der diesen sehnlichst erwarte. Die niederländische Milchvereinigung reglementiert übrigens den echten Mai-Gouda: durch die Reifedauer und einen einheitlichen Starttermin, ab wann die Ware ausgeliefert wird. Mai-Gouda zeichnet sich laut Peters durch einen „sehr cremigen und sahnig-frischen Geschmack“ aus. Sie ist überzeugt, dass man „die Milch zufriedener Kühe schmecken kann – alle wollen im Frühling wieder raus, auch die Kühe!“

Ob sich die Frühlingsgefühle insgesamt im Käse-Sortiment und speziell an der Bedienungstheke niederschlagen? Diese Frage ist derzeit aus Sicht der Statistik nicht eindeutig zu beantworten. Das liegt daran, dass große Marktforschungsunternehmen wie Nielsen (noch nicht) über geeignetes Datenmaterial verfügen.

Graskaas und Mai-Gouda
Jan Roelofs, Direktor Vertrieb und Marketing von Beemster-Cono Kaasmakers, setzt weniger auf Mai-Gouda, der seiner Meinung nach nur allzu oft „preislich verramscht“ wird. Stattdessen rückt er seinen Graskaas in den Blickpunkt. Die Beemster-Kühe dürfen laut Roelofs tatsächlich zu fast 100 Prozent auf die Weide, deshalb sei der erste Weidegang in seinem Unternehmen ein wichtiges Thema. Die Milch, welche die Kühe nach der ersten Weideperiode geben, wird für Graskaas (zu deutsch: Graskäse) genutzt.

Als Beleg führt Roelofs folgende Zahlen an: Die Weidegang-Quote in den Niederlanden liegt bei 76 Prozent (Quelle: CSB Centraal Bureau voor de statistiek), in Deutschland nur bei 42 Prozent. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Landwirtschaftszählung 2010). Graskaas ist laut Roelofs nur vier Wochen lang im Angebot. Er startet früher im Jahr als Mai-Gouda, der erst im Juni verfügbar ist. Noch einmal ein Blick auf die Zahlen: Die Nachfrage nach BeemsterLite (mit 19 Prozent Fett absolut) sei im Frühling spürbar höher, meint der Vertriebschef.

Über mehr Abverkauf im Frühjahr berichtet auch der holländische Produzent Vandersterre. René Buijtenhuis, Marketing Manager Vander-sterre Groep International, nennt vor allem die leichte Variante Prima Donna Leggero, die an der Käsetheke gut laufe. Weiterhin nennt er Gouda-Spezialitäten mit Zutaten wie Oliven und Tomaten oder auch Bockshornklee. Neu im Frühjahr 2012: eine Frühlingsmelange, traditionell gefertigter Käse direkt vom Bauernhof, mit Honig-Kleeblatt, Frühlingszwiebeln, Schnittlauch und einem Hauch von Knoblauch, die Milch stammt von Kühen, die auf der Weide grasen. Ein Nachfrageplus beobachtet er ferner für Ziegenkäse. Das Unternehmen hat verschiedenste Käse unter der Marke Landana im Angebot, darunter auch saisonale Spezialitäten.

Allerdings gebe es kein entsprechendes Angebot zu Kuhmilch-Käse, also weder Graskäse noch Maikäse. Warum das so ist? Die Antwort von Renè Buijtenhuis mag erstaunen: „Ziegen laufen im Vergleich zu Kühen weniger gern draußen, deswegen bieten wir in diesem Moment noch keinen Graskaas aus Ziegenmilch an.“

Fest steht: Die Theken-Verantwortlichen können aus einer breite Palette von Themen aussuchen, wie sie ihre Kunden ansprechen wollen. Wichtig ist dabei immer das Geschmackserlebnis: Über Verkostungen und ein positives Aha-Erlebnis kann man neue Kunden gewinnen und den Umsatz an der Theke steigern.

Unbedingt: Verkosten lassen!
Geschmack überzeugt – deshalb ist es wichtig, an der Käsetheke Ware zur Verkostung anzubieten. Einige Tipps aus der Praxis:
  • Käse würfeln, evtl. mit Obst auf einen Piekser stecken. Käse-Stipps auf einen Teller stellen, mit transparenter Haube bedecken.
  • Proben nicht nur auf die Theke stellen. Sondern die Kunden aktiv darauf ansprechen und Proben anbieten!
  • Gefäß für benutzte Piekser gut sichtbar bereitstellen. Servietten dazu legen. Benutzte Piekser und Abfall sofort wegräumen.
  • Alles muss appetitlich aussehen: Flächen immer wieder säubern. Angetrocknete Würfel entsorgen (lieber weniger Ware präsentieren, häufiger auffüllen), Mülleimer leeren.
  • Welche Ware wird angeboten? Infos dazu auf einem kleinen Schild kennzeichnen und zudem wissen, wie viel Fett in der Trockenmasse ist, wie es mit Reifedauer und Laktosegehalt aussieht. Im besten Fall kann man eine Geschichte über den Käse erzählen.

Bildquelle: Geisler

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Kaufanreiz: Natalja Zdor, Mitarbeiterin Karstadt Perfetto Wiesbaden, mit Frischkäse.
Bild öffnen Carina Schäfer-Fischer, Food-Trainingsakademie:
Bild öffnen Appetitlich: Frühlingsaktion im Rewe Albstadt ...
Bild öffnen ... selbst gemachte Frischkäsezubereitngen bei Mack in Weinstadt.

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