Wer bestimmte Lebensmittel nicht verträgt, für den kann der Einkauf zu einem langwierigen Prozedere werden, denn jede Zutatenliste muss geprüft werden. Jede vierte bis fünfte Person leidet nach Informationen der Krankenkasse AOK unter mindestens einer Lebensmittelintoleranz, reagiert zum Beispiel auf Laktose, Gluten, Histamin oder Fruktose. In Supermärkten und Drogerien haben sich daher „Frei von“-Regale und -Abteilungen für diese Kunden mit besonderen Ernährungsansprüchen etabliert. Denn die Kernzielgruppe der höherpreisigen Produkte ist attraktiv für Handel und Hersteller.
Rund 11 Prozent der 2024 in Deutschland neu auf den Markt gebrachten Lebensmittel tragen die Auslobung „glutenfrei“, 6 Prozent werben mit „wenig Laktose“ oder „laktosefrei“, verrät die Globale Neuproduktdatenbank der Mintel-Marktforscher. Seit dem Spitzenjahr 2017 für das „Frei von“-Segment stagniere die Innovationsdynamik, beobachtet Hannah Sandow, Associate Director, Mintel Food & Drink Germany. Der Neuheitsfaktor der „Frei von“-Sortimente sei etwas verblasst, dennoch hätten diese im Leben der Verbraucher einen festen Platz, insbesondere bei Käufern, die nachweislich an Unverträglichkeiten oder Allergien litten.
Aber auch aus Trend- und Lifestylegründen greifen Konsumenten zu. Der Bio-Pionier Bauck Mühle verzeichnete 2024 im Vergleich zum Vorjahr eine wachsende Nachfrage nach den glutenfreien Produkten der gleichnamigen Marke. Rund die Hälfte der angebotenen Artikel sind als glutenfrei gekennzeichnet. „Der Drogeriehandel sowie Vollsortimenter gewinnen zunehmend an Bedeutung für den Absatz unserer Produkte. Dabei spielt der Aspekt ‚glutenfrei‘ eine wichtige Rolle, ist jedoch nicht der einzige entscheidende Faktor“, sagt das Unternehmen. Auch Nachhaltigkeit, Trendprodukte und Convenience, insbesondere eine einfache und gelingsichere Zubereitung, seien für Kunden wichtig.
Um Sortiment und Präsentation besser zuschneiden zu können, braucht es Informationen. So hat Dr. Schär (Marke Schär), nach eigenen Angaben mit gut 40 Prozent in Deutschland Marktführer im Segment „glutenfrei“, eine Shopper-Research-Studie vom Münchner Marktforschungsexperten Plan + Impuls durchführen lassen. Rund 1 Prozent der Bundesbürger leiden Schätzungen zufolge unter Zöliakie und müssen eine lebenslange glutenfreie Diät einhalten. Doch nur maximal jeder Fünfte davon sei bereits diagnostiziert worden. Für den Hersteller klar ein Indiz für weiteres Wachstum des Glutenfrei-Marktes.
Glutenfrei-Käufer sind treue Kunden
Aktuell greifen laut GfK etwa 20,5 Prozent der deutschen Haushalte zu Lebensmitteln ohne das Klebereiweiß. Die Shopper-Studie von Plan + Impuls wurde repräsentativ für die Bevölkerungszahlen der Bundesländer ausgesendet, 504 Käufer von glutenfreien Produkten nahmen teil. Die erste Erkenntnis: Für rund 30 Prozent der Käufer stand beim letzten Einkauf der Erwerb von glutenfreien Produkten im Vordergrund. 17 Prozent der Shopper gaben an, den letzten Einkauf vor allem wegen eines bestimmten Glutenfrei-Segments – zum Beispiel glutenfreies Brot – getätigt zu haben. Dabei stand für die Hälfte der Kaufakte bereits vor Betreten der Einkaufsstätte das exakte Produkt fest, also Marke, Produktart und Packungsgröße. Spontankäufe werden vor allem bei süßen und salzigen Snacks, aber auch bei Nudeln getätigt. Die spannendste Erkenntnis für Hersteller Dr. Schär: „Je eher der Hauptgrund für glutenfreie Ernährung medizinisch indiziert ist, zum Beispiel durch eine diagnostizierte Zöliakie, desto eher sind Shopper markentreu in ihrem Einkaufsverhalten.“
Dass es sich lohnt, die Bedürfnisse der Kernzielgruppe zu bedienen, zeigen weitere Zahlen: Die Betroffenen, also Menschen, die für sich oder ihren Haushalt aus medizinischen Gründen zu glutenfreien Lebensmitteln greifen, machen zwar nur 15 Prozent der Käufer aus, stehen jedoch für 56 Prozent der Kategorie-Umsätze. Nicht nur wegen Zöliakie, sondern auch wegen eines Reizdarms und Verdauungsproblemen werden nach Angaben der Teilnehmer glutenfreie Produkte gekauft. Gesundheitsbewusste Käufer stehen für einen Käuferanteil von 20 Prozent und für 17 Prozent der Umsätze, während diejenigen, die unbewusst glutenfreie Lebensmittel kaufen, die Mehrheit (66 Prozent) bilden, jedoch nur für 27 Prozent der Umsätze stehen.
Ihre bevorzugte Einkaufsstätte wählen die Käufer vor allem nach der Sauberkeit der Glutenfrei-Abteilung aus, dann folgen die Aspekte verständliche Beschilderung der Abteilung, gute Verfügbarkeit, gute Auszeichnung in jeder Warengruppe, eine große Auswahl. Befragt nach den Kriterien, rangiert erst an zwölfter Stelle ein günstiger Preis. Zudem wird die Attraktivität von Promotions zunehmend geringer bewertet, je weniger eine medizinische Notwendigkeit für eine glutenfreie Ernährung vorliegt. Mehr als 80 Prozent der Kernzielgruppe wünschen sich der Umfrage zufolge die Produkte gebündelt in einem Regal beziehungsweise einer Abteilung. Gründe hierfür: die bessere Orientierung und Sicherheit.
Zusatzattribute gefragt
Gewünscht wird laut Befragung mehr Auswahl im Sortiment, vor allem herzhafte Snacks (49 Prozent), herzhafte Fertiggerichte (44 Prozent), Nudelgerichte für unterwegs (43 Prozent) und Kuchen (38 Prozent) wurden genannt. Für viele Shopper zählt der Aspekt „ohne Konservierungs- und Zusatzstoffe“ zu den wichtigen Kaufkriterien, einige Kunden suchen zudem nach Aspekten wie weizenfrei, Bio und wenig Zucker/Fett/Kalorien.
Die Marke Schär fokussiert sich weiter auf die Zielgruppe der Betroffenen. Für diese sei das Thema Gesundheit von großer Bedeutung und eine vollwertige Ernährung wichtig. Diese Bedürfnisse will die Marke auch künftig bedienen.
Wettbewerber Hammermühle macht nach eigenen Angaben mit besonderen Produkten auf sich aufmerksam, die es so auch nicht als „glutenhaltiges“ Pendant gibt, sagt Charlotte Landherr, Leitung Marketing und Produktmanagement. Zudem legt die Marke Wert darauf, wenig Zusatzstoffe einzusetzen. Von den rund 70 Produkten sei rund ein Drittel biozertifiziert, sagt die Managerin.