Anuga 2023 Möglichst nah am Original

Aussteller sprechen von der besten Anuga aller Zeiten. Die Branche hat sich zukunftsfähig präsentiert. Sie trotzt mit Innovationen und Anpassungen im Sortiment den Verwerfungen der Zeit.

Mittwoch, 25. Oktober 2023 -
Bettina Röttig, Hedda Thielking, Susanne Klopsch, Heidrun Mittler, Tobias Dünnebacke und Jens Hertling
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Bildquelle: Peter Eilers

Passend zum Motto der Anuga 2023 „Sustainable Growth – Gemeinsam mit der Branche in eine nachhaltige Zukunft der Ernährung“ präsentierten sich die Aussteller innovativ. Neben vielen Produktneuheiten, die aktuelle Trends fortschreiben, waren in Köln auch Sortimentsanpassungen zu sehen, die auf die aktuelle Inflationslage eingehen.

Pflanzliche Alternativen überall präsent

Im Supermarkt noch im Block platziert, waren pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Wurst, Fisch, Ei und Molkereiprodukten in Köln in nahezu allen Messehallen gegenwärtig. Dabei zeichnet sich ein klarer Trend ab: Die Produkte sollen dem Geschmack des Originals möglichst nahekommen. So bringt Schwarzwaldmilch-Tochter Velike im November die Milchalternative Not M’lk auf Basis von Bioland-Hafer in den Handel, die „besonders milchähnlich“ sein soll. Hierfür wird der Hafergeschmack abgemildert. Die Marken Planted und Beyond Meat zogen die Messebesucher mit der Verkostung von Steak-Varianten an, die geschmacklich die großen Fortschritte der Produktentwicklung zeigen. Auf reges Interesse stieß die Fischalternative Bettafish Tu-Nah von Wunderfish, die in der Dose auf den Markt kommt. Das Produkt besteht unter anderem aus Wasser, Rapsöl, Erbsen- sowie Ackerbohnenprotein (14 Prozent) und Meeresalgen (11 Prozent). Abgefüllt und konserviert wird die Fischalternative in Lettland, da in Deutschland kein Produktionspartner gefunden wurde.

Trotz Energiekrise, Ukraine-Krieg und Inflation hat es die Marke Billie Green von The Plantly Butchers knapp ein Jahr nach Markteinführung in Deutschland auf Rang 5 der erfolgreichsten Hersteller pflanzlicher Fleisch- und Wurstalternativen geschafft. Alle Produkte werden auf Weizenbasis hergestellt. „Geschmack, Qualität und der annähernde Verzicht auf Zusatzstoffe sind unser USP“, sagt Sven Wieken, Geschäftsführer von The Plantly Butchers. Das gelte auch für die neue Billie Green Vegane Salami Chorizo und zwei vegane Snack-Salamis, die bald in die Kühlregale kommen.

Käse: Alternativen auf Sparflamme

Eine pflanzliche Alternative, die fast wie Käse im Laib aussieht, präsentierte Vandersterre. Die Produkte heißen „Max & Bien“, basieren unter anderem auf Kokosfett, sind mit Zutaten wie Kreuzkümmel oder Trüffel gewürzt und für den Thekenverkauf sowie Selbstbedienung gedacht. Sonst aber drehte sich in der Milchhalle fast alles um Erzeugnisse aus echter Milch. Die Frage, die Anbieter von Thekenware bewegt, lautet: „Wie bekommen wir das Bedienungsgeschäft trotz Kaufzurückhaltung und Personalmangel im Handel in Schwung?“ Nur zwei Beispiele: Beemster setzt auf Premium-Gouda in Bio-Qualität. Dicke Food makes fun möchte mit Spezialitäten aus England die Umsätze ankurbeln, etwa mit einem Wensleydale, der mit Apfelstückchen, Rosinen und Zimt verfeinert ist. Viele Käse-Hersteller forcieren darüber hinaus ihr vorverpacktes Angebot: Dabei werden die Packungsgrößen kleiner, damit Preisschwellen, meist 2 Euro pro Packung, unterschritten werden können.

Brot und Backwaren im Lieferdienst

Mit einem komplett neuen Stand sorgte Harry-Brot in Köln für Aufmerksamkeit: Gespräche konnten entweder am Küchentisch, im Wohnzimmer oder am Tresen geführt werden, „so wie Brotgenuss auch im täglichen Leben der Endverbraucher stattfindet“, sagte Katharina Frerichs, Leiterin Marketing. Harry-Brot stellte erstmals TK-Produkte für die Truhen des Handels vor: Die Wahl fiel auf die schon als Aufbackprodukte sowie in der Backstation erfolgreichen Rosenbrötchen. Diese sollen unter der Submarke „Mein Brötchen“ in zwei Sorten (Dinkelteig) angeboten werden. Alleinstellungsmerkmal für Großbäcker Harry-Brot ist sein Frischlieferdienst. Daher nennt Frerichs das Thema Vertriebsweg „durchaus herausfordernd“, ohne weitere Details zu nennen. Generell bleibe Dinkel zentraler Trend im Sortiment, bei Snacks für Prebake seien Laugen-Produkte gefragt.

TK: zwischen Exotik und Regionalität

Die Anbieter der „Anuga Frozen“ zeigten eine Bandbreite regionaler, europäischer und internationaler Produkten. Wer sich in der Halle 4 inspirieren ließ, fand von Gemüse über Pilze, Fleisch und Geflügel bis hin zu Eis und Desserts vor allem viele Innovationen aus der heimischen und der internationalen Streetfood-Küche. Davon konnte sich auch Cem Özdemir überzeugen, der am Stand des Deutschen Tiefkühl-Instituts (dti) ein Menü kredenzt bekam: grünes Risotto vom Nudelreis, dazu Herzen aus Erbsen in Mehrsaatenpanade sowie Buttergemüse. Alle Komponenten wurden bei Apetito in Rheine frisch gekocht, tiefgekühlt angeliefert und vor Ort zubereitet. „Mit TK ist die Umsetzung heutiger Ernährungsanforderungen einfach und wirtschaftlich“, gab dti-Chefin Dr. Sabine Eicher dem Landwirtschaftsminister mit auf den Weg.

Für Schne-Frost mit den Marken Schwarmstedter und Avita stehen bei Innovationen die Trends zu Convenience und Komplett-Fertiggerichten im Mittelpunkt. Letzteren prognostiziere die GfK eine große Zukunft, erläutert Marketing-Leiterin Marita Stevens. Bei den Snacks zeige sich ein differenzierteres Bild: Einerseits würden sich die Kunden nach der Pandemie weniger mit dem Angebot in den TK-Truhen beschäftigen, andererseits nehme der Zeitdruck und die Suche nach schnellen Mahlzeiten wieder zu.

Fleisch: die Rückkehr der Big Player

Die Großen der Fleisch- und Wurstbranche sind wieder zurück. Die Lücken, die noch vor zwei Jahren in den Hallen 5, 6 und 9 klafften, sind geschlossen. Mit über 800 Herstellern aus den Bereichen Fleisch, Wurst und Geflügel sieht sich die Koelnmesse wieder gut aufgestellt. „Die Anuga ist für uns eine besonders wichtige Messe“, sagt Philippe Thomas, neuer Deutschlandchef des internationalen Schlachtkonzerns Vion. Ludger Paus, Sales Manager bei Van Drie, stellte fest, dass die Messe „unerwartet gut gelaufen ist“. Oliver Frielingsdorf, Vertriebsleiter von Steinhaus, sieht die Anuga als Spiegel der Branche: „Hinter uns liegen schwierige Zeiten mit großen Herausforderungen wie Inflation, Schweinemangel und Kaufkraftverlust. Es geht in Richtung Private Label, denn der Kunde spart.“
Stephan Holst, Leiter Marketing/Kommunikation Bell Deutschland, betonte: „Alle wichtigen Händler waren bei uns. Auf der Anuga kehrt wieder Normalität ein.“ Axel Knau, Geschäftsführer der Zur Mühlen Gruppe, hält die Anuga 2023 für die stärkste aller Zeiten. Entsprechend optimistisch blickt er in die Zukunft: „Deutsche Wurst ist weltweit ein Erfolgsprodukt.“ Das liege an deren Bekanntheit und Tradition, vor allem an der Qualität der Produkte und Rohstoffe. Auf der Anuga sieht Knau vor allem zwei wesentliche Bereiche im Fokus der Branche: „Neue Produkte, die auch einmal neu kreiert werden – etwa mit einer anderen Geschmacksrichtung –, sowie Innovationen im Bereich der Verpackung mit neuen Materialkonzepten und flexiblen Verpackungsgrößen.“

Getränke: Der Energy-Hype ist vorbei

Die „Anuga Drinks“ war in den vergangenen Jahren von kleinen, oftmals osteuropäischen Herstellern geprägt, die irgendwie versuchten, ein Stück vom Red-Bull-Kuchen abzubekommen. Kaum eine dieser Energy-Marken spielt heute eine Rolle im Markt, und deshalb hat sich das Bild in den Messehallen deutlich verändert: Ein gesunder Lebensstil, natürliche und nachhaltige Produkte, Zuckerreduktion und Clean Label sind die neuen Trendthemen. Als einziger namhafter deutscher Hersteller präsentierte sich Rhodius in Köln dem internationalen Publikum. Das Geschäftsführungsduo der Geschwister Frauke Helf und Hannes Tack nutzte die Anuga, um unter anderem die Möglichkeiten einer neuen Dosenanlage vorzuführen. Das Besondere: Als Lohnhersteller können die Rheinland-Pfälzer mit der neuen Linie jetzt auch alkoholische Getränke abfüllen. In einem separaten Modul direkt am Mixer können diese verarbeitet und der Produktionsprozess überwacht werden. Nach Angaben von Rhodius ist das derzeit einzigartig in Deutschland. Tack ist überzeugt: Das biete neue Möglichkeiten für seine Kunden.