Ernteausfälle bei Erdbeeren, Avocados, Oliven und Äpfeln in Spanien – seit dem Frühjahr füllen diese Nachrichten die Tageszeitungen und TV-Nachrichtenkanäle. Kein Wunder, denn die extreme Trockenheit und der Wassermangel machen der Fruchtbranche in Spanien mächtig zu schaffen. So exportierte das Land nach Angaben der Vereinigung der spanischen Obst- und Gemüseerzeuger (FEPEX) im ersten Halbjahr dieses Jahres 8 Prozent weniger Obst und Gemüse, die Preise schnellten in die Höhe. Ist die Marktführerschaft Spaniens als Europas Obst- und Gemüseexporteur kurzfristig bedroht? Nein, meinen Branchenvertreter aus dem eigenen Land und aus Deutschland auf der Fruit Attraction, der internationalen Messe für Obst und Gemüse, die Anfang Oktober in Madrid stattfand. So glaubt Markus Schneider, Geschäftsführer des deutschen Obstvertriebs Frutania, nicht, dass Spanien seine Spitzenposition als Obstexporteur in Europa verlieren wird. Das Unternehmen bezieht – trotz aller Widrigkeiten – seit vielen Jahren Beeren aus diesem immer noch günstigen Produktionsstandort. Auch die Einkäufer der Erzeugergenossenschaft Landgard halten an Spanien fest. „Die spanische Produktion hat für den deutschen Absatzmarkt nach wie vor eine hohe Bedeutung“, betont Martin Baumert, Geschäftsführer Landgard Obst und Gemüse.
Avocado-Anbau beeinträchtigt
Die Dürre macht sich unter anderem im Avocado-Anbau bemerkbar. Trotz aller Polemik wegen des Wasserverbrauchs ist das Land weiterhin der größte Avocado-Produzent und Exporteur in Europa. Hauptanbaugebiet ist die südspanische Axarquía-Region in der Provinz Málaga. Man erwartet, dass die kommende Ernte aufgrund der klimatischen Verhältnisse im Vergleich zum Vorjahr um mindestens 25 Prozent geringer ausfallen wird. Wie geht es mit dem Anbau weiter?
Variante braucht weniger Wasser
Dass der spanische Saatgutspezialist Eurosemillas die Vertriebslizenz für die neue Avocado-Variante „Luna UCR“ erworben hat, könnte einigen Avocado-Produzenten und -Vermarktern gut zupasskommen. Entwickelt wurde sie in den USA von der University of California, Riverside (UCR). „Sie soll nachhaltiger sein als die bisherigen Varianten“, erklärt Eurosemillas-Produkt-manager Juan Antonio Davias Moreno auf der Fruit Attraction gegenüber der LP. Er führt aus: „Sie wächst auf schlankeren Bäumen, die weniger Platz beanspruchen und deshalb auch weniger Wasser brauchen.“ Geschmacklich soll sie der schwarz-grünen Hass, der beliebtesten Avocadosorte, sehr ähneln. Des Weiteren färbt sich ihre grüne Schale erst im reifen Zustand schwarz, heißt es auf der Internetseite der UCR. Somit können die Kunden eine reife Avocado anhand der Farbe der Schale erkennen, ohne den Reifetest per Fingerdruck zu machen. Ana Cano Pecci, CEO von Eurosemillas, ist überzeugt: „Luna UCR könnte den Markt revolutionieren. Noch in diesem Jahr beginnen wir mit dem Saatgutverkauf.“
Einer der bedeutenden Avocado-Exporteure Spaniens, das Familienunternehmen Reyes Gutiérrez, gehört zu den Unternehmen, die diese Avocado anbauen und auch nach Deutschland exportieren werden. Zudem soll sie mit einem Umweltzertifikat vermarktet werden. Bis die neue Sorte Ertrag bringt, wird es allerdings noch ein paar Jahre dauern.
Liter Wasser sind etwa für die Produktion von einem Kilogramm Avocados notwendig.
Quelle: BZfE
Kilogramm beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch für Avocados in Deutschland.
Quelle: Statista
Landwirtschaft ist gefordert
Der spanische Start-up-Unternehmer David René Rodríguez glaubt jedoch, dass nicht die Züchtung neuer Obst- und Gemüsesorten, sondern vielmehr die Anbauart für Spanien künftig entscheidend sein wird. „Mehr als 99 Prozent der Pflanzen auf diesem Planeten können im sogenannten hydroponischen System angebaut werden. Hier wachsen die Pflanzen nicht im Boden, sondern in einer Nährlösung und benötigen somit deutlich weniger Wasser“, berichtet Rodríguez. Er selbst baut in Valencia bereits Baumwolle auf diese Weise an und ist überzeugt, dass sich auch Avocados so produzieren lassen. Der Unternehmer gehört zu den Kritikern, die glauben, dass „die konventionelle Landwirtschaft in Spanien nicht mehr länger als 15 Jahre Bestand haben wird“.
Annette Förschler von der QS Fachgesellschaft Obst-Gemüse-Kartoffeln GmbH ist etwas optimistischer. Sie sagt: „Ich denke, dass sich die Bedeutung Spaniens für Deutschland so schnell nicht ändern wird. Aber durch die europäische Gesetzgebung wird in Spanien sicherlich kurzfristig mehr auf die Umweltauswirkungen sowie auf die sozialen Bedingungen der Erntehelfer geschaut. Und Einkäufer in Deutschland werden entsprechende Anforderungen stellen.“