Interview mit Richard Trechmann „Wir hatten in einigen Bereichen unseren Zauber verloren“

Danone will in Deutschland wieder wachsen. Im Interview mit der LP erklärt Richard Trechman, seit März 2018 Country Manager DACH, wie der Hersteller wieder zum Trendsetter werden möchte und warum Danone mit einer neuen freiwilligen Nährwertkennzeichnung voranprescht.

Donnerstag, 05. Juli 2018 - Molkereiprodukte
Bettina Röttig
Artikelbild „Wir hatten in einigen Bereichen unseren Zauber verloren“
Bildquelle: Martin Hangen

Herr Trechman, nach einigen internationalen Stationen sind Sie seit rund vier Monaten bei Danone Dairy für die Region DACH zuständig. Was haben Sie seitdem über deutsche Verbraucher gelernt?
Richard Trechmann: Bevor ich nach München kam, wurde mir oft gesagt, deutsche Konsumenten sind komplizierter, der Markt ist schwieriger. Die Bundesbürger achten natürlich stärker auf den Faktor Preis-Leistung. Ich glaube aber nicht, dass sie generell komplizierter sind oder nicht auch hochwertige Produkt-Konzepte akzeptiert würden. Als Danone müssen wir jedoch mehr Zeit darauf verwenden, die Verbraucher besser zu verstehen.

Das klingt nach Problemen. Was läuft nicht rund?
Wir haben in den letzten zehn Jahren in einigen Bereichen unseren Zauber verloren. 2008 ist das Geschäft im Zuge der Wirtschaftskrise noch einmal härter geworden. Die Kategorie der Milchfrischeprodukte hat sich jedoch relativ schnell erholt und weist aktuell ein Wachstum von rund vier Prozent auf, einige Nischensegmente wachsen noch dynamischer. Das Wachstum ging jedoch an uns vorbei, wir haben seit 2008 an Umsatz eingebüßt. Der Grund hierfür ist meiner Meinung nach, dass wir aufgehört haben, uns um die Basics zu kümmern, vor allem den Verbrauchern zuzuhören und Innovationen zu liefern.

Welche Maßnahmen haben Sie als erstes ergriffen, um gegenzusteuern und Ihren Zauber zurückzuerlangen?
Die Verbraucher und deren Bedürfnisse verändern sich schnell. Wir müssen in der Lage sein, uns dem schnell anzupassen. Daher war es uns zunächst wichtig, eine bessere Kommunikation mit den Kunden und Verbrauchern aufzubauen. Wenn wir genau zuhören, können wir aus den Erkenntnissen ganz klar ableiten, wo unsere USPs sind und in welchen Segmenten wir wachsen können. Wichtig ist zudem eine Mission für Danone Deutschland.

Welche ist das?
Wir wollen „Menschen jeden Alters mit gesünderen Lebensmittelalternativen und Trend-Marken begeistern“. Die deutschen Verbraucher wünschen sich gesündere Produkte, diese bieten wir ihnen und wollen dies noch weiter ausbauen, aber unsere Produkte sind derzeit noch nicht die trendigsten.

Welche Schritte unternehmen Sie als nächstes, um Ihrem Ziel näher zu kommen?
Punkt eins: Ein wesentlicher Faktor, um Begeisterung zu wecken und auf den Aspekt „trendig“ einzuzahlen, sind Innovationen. Ich habe in den vergangenen Monaten die Weichen gestellt, um unsere Innovationspipeline neu zu befeuern, damit wir wieder schneller auf Markttrends reagieren können. Punkt zwei: Wir müssen überall dort vertreten sein, wo unsere Kunden uns erwarten. Daher nehmen wir den Convenience-Kanal in Angriff. Drittens: Wir bauen die Qualität unserer Teams weiter auf und geben unseren tollen Mitarbeitern die Tools an die Hand, die sie benötigen, um Danone wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

In Verbindung mit Ihrer Mission haben Sie angekündigt, eine neue Nährwertkennzeichnung auf Ihren Produkten einzuführen, den sogenannten Nutri-Score. Welche Vorteile bringt dieses System im Vergleich etwa zur viel diskutierten Ampelkennzeichnung?
Das Nutri-Score-Modell ist unabhängig, einfach zu verstehen und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es das Einkaufverhalten der Verbraucher positiv verändert. Das Label zeigt anhand eines einzigen Farbwertes, ob ein Produkt eine hohe oder niedrige Nährwertqualität hat. Hinter dem jeweiligen Wert steht eine Gesamtbewertung des Nährwertprofils eines Produktes – immer bezogen auf 100 Gramm. Günstige und ungünstige Nährwertbestandteile werden mit Punkten bewertet und dann miteinander verrechnet. Bei der bekannten Ampel kann es hingegen unterschiedliche Farbwerte für etwa den Gehalt an Fett oder Zucker und Salz geben.


Activia-Joghurt wird sicher einen guten Wert aufweisen. Sie haben aber auch Genussprodukte mit höheren Zuckeranteilen. In wieweit verändern Sie die Rezepturen Ihrer Produkte, um bessere Nutri-Score-Werte zu erreichen?
Gemäß unserer Vision „One Planet. One Health“ haben wir uns grundsätzlich klare Nährwertziele bis 2020 auferlegt, unabhängig von der neuen Kennzeichnung. Dabei geht es um Vorgaben für Zucker, Protein, Calcium, gesättigte Fettsäuren und den Energiegehalt. Vor allem reduzieren wir den Zuckergehalt in unseren Produkten seit vielen Jahren Schritt für Schritt. Die größte Herausforderung dabei: Unsere Verbraucher möchten Produkte, die gut schmecken. Wir benötigen daher immer die richtige Balance.

Wenn Unternehmen freiwillig voranpreschen mit einschränkenden Maßnahmen, melden sich schnell Kritiker, die in den Raum stellen, dahinter müsse ein Eigennutzen stehen, und sei es „nur“, schärferen Regeln seitens der Politik vorzubeugen. Warum haben Sie sich tatsächlich für diesen Weg entschieden?
Wir haben nicht eine Sekunde damit verbracht, uns zu überlegen, ob wir mit der Veränderung von Rezepturen oder anderen Maßnahmen unsere KPIs erhöhen können oder etwas anderes in der Art. Wir sind als Danone zutiefst davon überzeugt. Wir sehen, dass die Verbraucher mehr Transparenz und Orientierung verlangen. Es ist also in unserem eigenen Interesse, diesem Wunsch nachzukommen.

Nutri-Score

kurz erklärt Das Nutri-Score- Modell wurde 2017 von der französischen Regierung auf freiwilliger Basis eingeführt und von Danone und einer Reihe weiterer Unternehmen dann übernommen. Nutri-Score wurde unabhängig von der Lebensmittelindustrie von Wissenschaftlern entwickelt und nimmt eine Gesamtbewertung des Nährwertprofils eines Produktes vor, indem günstige und ungünstige Nährwertbestandteile mit Punkten bewertet und dann miteinander verrechnet werden. Schließlich wird das Ergebnis mit einer fünfstufigen Farbskala dargestellt, die zugleich mit den Buchstaben A bis E hinterlegt ist. Ein Produkt mit einem günstigen, ausgewogenen Nährwertprofil erhält somit eine grüne Einordnung und den Buchstaben A, ein sehr unausgewogenes Produkt enthält eine rote Bewertung und den Buchstaben E.

In Frankreich haben Danone und andere Unternehmen mit dem Nutri-Score gelabelte Produkte auf den Markt gebracht. Welche Erfahrungen haben Sie hier gesammelt?
Es ist noch zu früh für ein Fazit. Erst im Mai wurden die ersten Produkte ausgerollt. Wir haben jedoch in Deutschland eine repräsentative Studie mit Kantar TNS durchgeführt, die die Ergebnisse aus französischen Studien bestätigt. Mit Nutri-Score konnten Verbraucher im Vergleich zu anderen Kennzeichnungssystemen leichter identifizieren, was gesünder ist und was nicht.

Wann folgen die ersten gelabelten Produkte in Deutschland?
Die ersten Produkte kommen Anfang 2019 in Deutschland, der Roll-out erfolgt nach und nach bis 2020.

Der Erfolg eines solchen Modells steht und fällt natürlich mit der Teilnahme weiterer Akteure der Lebensmittelbranche. Wie gewinnen Sie weitere Unternehmen für die Initiative?
Natürlich benötigen wir weitere Partner. Wir haben in den vergangenen Wochen damit begonnen, mit verschiedenen Handelspartnern, NGOs und Verbraucherorganisationen hierzulande zu sprechen. Die Resonanz ist durchweg positiv. Wir gehen daher voran und hoffen auf einen Schneeballeffekt.

Gesundheit ist nur ein Aspekt, auf den Verbraucher heute Wert legen. Ihre Wettbewerber setzen zunehmend auf Themen wie Tierwohl, gentechnik- und glyphosatfrei, um sich zu differenzieren.
Auch wir haben hier schon viel getan. Wir waren die ersten in der Branche, die Tierwohl-Audits eingeführt haben, alle Milchlieferanten eines unserer zwei deutschen Werke füttern ausschließlich gentechnikfrei. Wir müssen unser Engagement aber sicher stärker kommunizieren. Aktuell legen wir mit Nutri-Score und unseren Nährwertzielen 2020 den Schwerpunkt auf Gesundheitsthemen, also den Bereich „One Health“ der Unternehmensvision.

In den vergangenen Jahren ist geradezu ein Hype rund um Start-up-Unternehmen entstanden. In wieweit beschäftigt Sie dies?
Aktuell erleben wir eine sehr aufregende Zeit in der Ernährungsbranche. Wir können tatsächlich von Start-ups lernen in Bezug auf deren Verbraucherverständnis und deren Schnelligkeit, auf Trends zu reagieren. Wenn wir diese Vorzüge mit denen verbinden, die wir als großes Unternehmen mitbringen, können wir noch viel erreichen. Wir sind dabei, die Wände unserer Büros aufzubrechen, haben Start-up-Tage initiiert, lassen unsere Mitarbeiter ihre Lieblingsprodukte mitbringen, um die Außenwelt in unsere Zentrale zu bringen.

Wann sehen wir erste Innovationen?
Schon im September. Im kommenden Jahr folgen in jedem Quartal weitere.

Für welchen Bereich?
Es wird erste Bio-Produkte geben.

Verraten Sie Details?
Ein Produkt wird näher am Kerngeschäft sein, eines weiter weg davon.

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