Retail Insights Interview mit Niels Lorenz: „Wir brauchen Lösungen“ - Interview mit Niels Lorenz: Teil 3

Niels Lorenz, Sprecher der Geschäftsführung der Radeberger-Gruppe, stellt sein Unternehmen auf die Zukunft ein. Mit der Lebensmittel Praxis sprach der Manager darüber, wie man mit Künstlicher Intelligenz mehr Bier verkaufen kann, welche Ambitionen die Radeberger-Gruppe mit dem Lieferdienst Durstexpress hat und warum der Klassiker Clausthaler eine zweite Chance verdient.

Montag, 05. November 2018 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Interview mit Niels Lorenz: „Wir brauchen Lösungen“ - Interview mit Niels Lorenz: Teil 3
Bildquelle: Carsten Hoppen

Trotzdem kennen die meisten Endverbraucher die Braugruppe über Bier-Marken wie Radeberger, Jever oder Binding. Für dieses Geschäft ist gutes Wetter unentbehrlich. Teilen Sie die Euphorie über den diesjährigen Sommer?
Wir sind mit Herz Markenartikler und bleiben es auch. Und ja: Als Brauer hätten wir uns keinen besseren Sommer wünschen können. Das ist ein schöner Rückenwind, und davon ist unsere Branche ja nicht gerade verwöhnt. Trotzdem muss man die Entwicklung im Verhältnis sehen. Das Statistische Bundesamt hat per August ein Absatzwachstum für die deutschen Brauer von 1,5 Prozent errechnet. Angesichts eines schlechten Vorjahres und dieses heißen Sommers ist das fast schon verschwindend wenig im Vergleich zu den Jubelmeldungen in den Medien.

Das Wachstum ist auch nur eine Momentaufnahme. Durch diesen guten Sommer wird sich ja nicht der generell rückläufige Bierkonsum ändern. Ich fürchte eher, dass es die Branche im nächsten Jahr umso heftiger treffen könnte. Man sollte nicht vergessen: Die deutschen Brauer haben in zehn Jahren rund 13 Millionen Hektoliter verloren. Das ist ungefähr das Volumen unserer Braugruppe. Anders ausgedrückt: Alle zehn Jahre verschluckt der Markt seinen Marktführer. Dagegen kann auch ein einzelner warmer Sommer wenig ausrichten.

Vom Rückgang sind vor allem die großen nationalen Pils-Marken betroffen. Wie steuern Sie gegen?
Wir setzen mittlerweile stark auf regionale Marken wie Büble, Ur-Krostitzer, Berliner Kindl oder unsere Dortmunder Biere, um nur ein paar zu nennen. Dadurch können wir uns dem rückläufigen Trend ganz gut entziehen. Ich glaube, der Trend zum Regionalen wird sich fortsetzen und sich möglicherweise weiter verändern, hin zum Lokalen. Nach unserer festen Überzeugung gibt es also noch Möglichkeiten, auch im Bier-Geschäft zu wachsen.

Das gilt auch für alkoholfreie Biere. Clausthaler war 1979 die erste ausschließlich alkoholfrei gebraute Marke. Treiber sind heute aber andere Namen. Sie steuern jetzt mit Investitionen, etwa in neue Sorten, gegen.
Wie dynamisch sich der Markt bewegt, können wir selbst bei unserem Jever Fun, der Nummer Zwei im Markt, sehen. Aber uns blutet natürlich das Herz, wenn Clausthaler, das Original und der Innovator, seine einstige Vorrangstellung verloren hat. Wir sehen aber eindeutige Potenziale, auch und besonders aufgrund des immer wieder prämierten Geschmacks, die reaktivierbar sind. Die Markensubstanz ist vital. Clausthaler steht für Kompetenz, Spezialistentum und Glaubwürdigkeit. Hinzu kommt die nach wie vor sehr hohe Markenbekanntheit.

Kürzlich wurde das Portfolio um die Variante Naturtrüb erweitert. Werden wir noch weitere Neuigkeiten sehen?
Ganz aktuell steht zunächst der Roll-out eines neuen Kastens für Clausthaler an. Das ist eine große Investition und zeigt, dass wir es ernst meinen, dass wir an die Marke glauben. Im Übrigen fangen auch viele unserer sonstigen rund um die Marke ergriffenen Maßnahmen, zum Beispiel die TV-Präsenz, an, zu greifen. Wir haben einen Absatz mit dem richtigen Vorzeichen und wollen die Dynamik mit dem neuen Kasten jetzt mitnehmen und verstärken.

Nochmal zurück zu Ihrem Kern-Geschäft: den großen Pils-Marken. Sie sind bei der jüngsten Preiserhöhung Anfang dieses Jahres mitgegangen. Das wird von den Konsumenten in der Regel sofort abgestraft. Warum war dieser Schritt trotzdem unausweichlich?
Mitgegangen ist nicht das richtige Wort. Wir waren zuvorderst dabei, als es um eine Erhöhung ging. Preiserhöhungen sind immer eine schmerzvolle Erfahrung. Wir haben dadurch trotz des starken Sommers eine negative Entwicklung bei Radeberger Pilsner.

Wir müssen diesen Weg aber gehen, um zu verhindern, dass der Kasten in der Aktion dauerhaft unter die Zehn-Euro-Schwelle rutscht, denn das höhlt auf Sicht die Markensubstanz aus. Dann aber können Sie dem Premium-Anspruch eines nationalen Pils-Bieres auch nicht mehr gerecht werden.

Der Preis hat auch etwas mit der Wertigkeit unserer Pils-Marken zu tun. Wir werden nicht müde, beim Verbraucher unseren Qualitätsanspruch zu unterstreichen. Wir sind froh, die Kraft zu haben, das Credo „Marge vor Menge“ auch durchsetzen zu können. Das wird langfristig, da bin ich sicher, auch vom Verbraucher honoriert. Aber so eine Strategie ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf.

Wie entwickelt sich denn Ihr Geschäft insgesamt?
Es ist bei uns Tradition, dass wir keine konkreten Zahlen veröffentlichen. Aber lassen Sie es mich mal ganz traditionell ostwestfälisch formulieren: Unser Absatz entwickelt sich recht ordentlich.

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