Interview mit Matthijs Kramer Italienisches Selbstbewusstsein

Deutschland trägt weniger als zehn Prozent zum Umsatz der Campari-Gruppe bei. Das soll sich nach Wunsch der Mailänder ändern. Ein Gespräch mit Matthijs Kramer, Kopf der deutschen Division in Oberhaching.

Freitag, 06. Juli 2018, 01:02 Uhr
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Italienisches Selbstbewusstsein
Bildquelle: Campari Deutschland

Herr Kramer, in Deutschland war zuletzt kein Wachstum möglich, und der deutsche Markt repräsentiert nicht mal zehn Prozent des Umsatzes. Welche Chancen sehen Sie?
Matthijs Kramer: Deutschland hält noch immer ein hohes Potenzial für unsere Marken bereit. Unsere Kernmarken wie Campari, Ouzo 12, Averna, Skyy Vodka, Frangelico und natürlich Aperol haben sich in den letzten Jahren in Deutschland alle gut entwickelt. Außerdem zeigen auch kleinere Marken wie Wild Turkey Bourbon, Grand Manier und Bulldog Gin starke Markenperformances. Es ist richtig, dass unser Umsatz in Deutschland relativ stabil war. Getrieben wurde diese Entwicklung durch das Abtreten einiger Agenturmarken, was das starke Wachstum von unseren Kernmarken auf Umsatzebene neutralisiert hat. Die Vereinfachung des Markenportfolios war eine bewusste Entscheidung, um die Fokussierung und Leistung unserer Kernmarken noch weiter zu steigern. Wir schauen darum sehr selbstbewusst in die Zukunft, was unser Geschäft in Deutschland betrifft.

Welche Rolle nimmt der Lebensmittel-Einzelhandel dabei ein?
Als Campari Deutschland glauben wir sehr stark daran, dass jede Schnittstelle mit dem Konsumenten relevant ist und bei dem Aufbau eines positiven Markenimages eine Rolle spielt – kurz: Jeder Kundenkontakt muss ein guter Kontakt sein. Wir wollen darum auch im Lebensmittel-Einzelhandel die Kernwerte von unseren Marken qualitativ hochwertig kommunizieren. In manchen Situationen bedeutet dies, dass wir zwar weniger, dafür aber eine durchgängig hohe Qualität an Aktionen oder Inhalten liefern. Uns ist es dabei enorm wichtig, dass jede Aktivierung einen zielgerichteten Mehrwert für uns und unsere Handelspartner hat.

Campari hat sich zuletzt von der Softdrinksparte und seinem Weingeschäft getrennt. Wo liegt jetzt der der Fokus?
Spirituosen sind der Kern unseres Geschäfts und Hauptfokus bei Campari Deutschland. Obwohl wir ein relevanter Player auf dem deutschen Spirituosenmarkt sind (Top 3), ist unser Anteil am gesamten deutschen Spirituosenmarkt vergleichsweise klein. Wir haben darum noch viel Raum, um zu wachsen. Bitter, Aperitifs und Low-Proof-Getränke (geringer Alkoholgehalt; Anm. d. Verfassers) sind momentan im Trend in Deutschland. Das Portfolio von Campari Deutschland passt zu dieser Entwicklung. Deshalb werden wir unsere Aperitif-Marktführung mit Campari und Aperol weiter ausbauen.

Ebenfalls im Fokus steht unser Amari-Portfolio mit Marken wie Averna – feiert dieses Jahr sein 150-Jähriges –, Cynar und Braulio, die alle reich an Traditionen und Geschichte sind.

Allerdings sehen wir nicht nur bei unserem italienischen Markenportfolio enorme Wachstumsmöglichkeiten. Großes Entwicklungspotenzial bieten auch die Marken Skyy Vodka, Wild Turkey Bourbon, Bulldog Gin und die vor zwei Jahren erworbene französische Ikone Grand Marnier.

Stichwort Aperol. Nach der Übernahme durch Campari 2003 konnte man einen Hype um den Aperitif-Cocktail Spritz entfachen. Wie kam der Erfolg damals zustande?
Als die Campari Gruppe Aperol vor 15 Jahren gekauft hat, war es noch nicht das Trendgetränk von heute. Aperol wurde damals eigentlich nur in und um Venetien in Italien verkauft. Der Region, in der Aperol 1919 entstanden ist. Außerhalb von Venetien war die Marke selbst in Italien recht unbekannt, ganz zu schweigen von anderen Märkten, wie beispielsweise in Deutschland.

Viele Leute vergessen, dass Campari Deutschland die Marke Aperol nach dem Kauf 2003 über Jahre konsistent mit viel Geduld und Investments aufgebaut hat, um den heutigen Kultstatus in Deutschland zu erreichen. Spirituosenmarken entstehen nicht über Nacht. Man braucht Zeit, Geduld und ein wenig Glück.

Einer der Hauptgründe für den Erfolg ist unsere Beständigkeit, mit der wir die Marke über Jahre hinweg strategisch aufgebaut haben. Hinzu kommt ein klares Wachstumsmodel, bei dem wir besonderes Augenmerk auf die Erlebbarkeit der Marke legen. Wir bringen also die italienische Leichtigkeit direkt zum Verbraucher. Der letzte und entscheidende Faktor ist die simple aber einzigartige Art, ihn zu servieren: als Aperol Spritz.


Wie hat sich die Marke in den darauffolgenden Jahren entwickelt, insbesondere als vergleichbare Drinks wie Hugo die Bars erobert und Ihnen Konkurrenz gemacht haben?
Während Aperol in anderen Ländern schnell aber stetig gewachsen ist, ist die Marke in Deutschland buchstäblich explodiert. Nach Jahren des geduldigen Aufbaus der Marke boomte sie plötzlich über Nacht. Im Nachhinein lässt sich sagen, dass dieser Erfolg Aperol nicht nur gut getan hat. Ich sage hier im Nachhinein, da es sehr schwer ist, eine Marke mit solch einem Momentum zu bremsen. Wir hatten plötzlich eine sehr große Konsumentengruppe, die zwar Aperol getrunken hat, aber noch nicht aus langfristig gewachsenen Fans der Marke bestand. Diese Entwicklung machte Aperol verwundbar gegenüber Mitbewerbern, und Hugo war definitiv der größte Profiteur. Interessanterweise hat außer den Holunderblütenproduzenten aber nicht wirklich jemand von Hugo profitiert. Denn Hugo war keine Marke, die emotional aufgeladen wurde, und die Konsumenten haben darum schnell das Interesse an dem Getränk verloren. Das zeigt auch der Blick auf die Nielsen-Werte von Hugo-Getränken in den letzten Jahren, kein schönes Bild! Aperol hat aus dieser Erfahrung gelernt: Die Marke ist nun solide positioniert und verzeichnet seit Jahren Zuwächse im zweistelligen Bereich.

Als Aperol groß wurde, wurde noch selbst gemischt. Heute steht meist Ready-to-Drink in allen möglichen Gebinden und Vertriebskanälen im Fokus. Wie reagieren Sie darauf?
Das Schöne bei Aperol Spritz ist, dass der Drink in der Zubereitung denkbar einfach ist: Viel Eis in ein Weinglas geben, 1 Teil Prosecco, 1 Teil Aperol, mit einem Spritzer Soda auffüllen und einer Orangenscheibe garnieren. Der Drink ist simpel, sieht aber einzigartig und toll aus. Wir glauben, dass das Mischen von Aperol als Erlebnis mit Freunden zu Hause oder durch einen Bartender in der Bar eine ganz andere Qualität hat, als einfach eine fertig gemischte Flasche oder Dose zu öffnen. Nichts schlägt einen frisch zubereiteten Aperol Spritz mit einer Scheibe Orange, weshalb unser Schwerpunkt immer auf dem Ritual der frischen Zubereitung von Aperol Spritz und dem Genussmoment liegen wird.

Jetzt kommt ein neuer TV-Spot. Wie hoch waren die Investitionen, und wen wollen Sie mit dem Spot erreichen?
Die Kampagne wird mit einem gehobenen Media-Budget für eine TV- und Social-Aussteuerung umgesetzt. Die strategische Ausrichtung und unsere Zielgruppe haben sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Unsere Kampagne rund um den TV-Spot richtet sich an eine breit gefächerte Zielgruppe, wobei besonders die Gruppe der Millennials einen deutlichen Zuwachs verzeichnet. Der Spot soll all jenen gefallen, die sich in der italienischen Leichtigkeit wiedererkennen. Mit der frischen Ausrichtung bestätigt Aperol Spritz seinen zeitlosen Anspruch als Italiens Cocktail Nr. 1.

Bitte umschreiben Sie kurz Ihre Philosophie in Punkto Kommunikationskanäle und Marketing.
Unsere Bewegtbild-Kampagne wird zusätzlich zu TV auch in verschiedenen Cuts auf den Social-Media-Kanälen Facebook und Instagram sowie Instagram-Storys gespielt. Die entstandenen Visuals werden zur Etablierung der neuen Bildsprache insbesondere auf Instagram zum Einsatz kommen. Wir legen also gesteigerten Weg darauf, unsere Inhalte plattformübergreifend einzusetzen.

Für das Erschließen neuer Zielgruppen – besonders für Millennials – ist es mittlerweile unabdingbar, mit Content Creators oder auch namhaften Influencern zu arbeiten. Aperol kann dabei mittlerweile auf eine langjährige erfolgreiche Partnerschaft mit diversen Influencern aus dem Lifestyle- und Food-Bereich zurückblicken. Das Interesse an Neukooperationen mit der Marke ist ebenfalls sehr hoch, sodass wir mit Macro- und Micro-Influencern schöne Kampagnen umsetzen. Für das moderne Markenerleben auf unseren Social-Media-Kanälen sind Kooperationen mit Influencern daher ein absolutes Muss. Die Kooperationen verlaufen partnerschaftlich, und im Ergebnis sehen wir eine sehr hohe Relevanz innerhalb unserer Community, was uns besonders freut.

Schon gewusst?

Aperol, ein Destillat aus Rhabarber, Chinarinde, Gelbem Enzian, Bitterorange und Kräutern, ist das Zugpferd für Campari in Deutschland. Hier hat der Aperitif 4 Volumenprozent mehr Alkohol. Grund ist die Pfandverordnung: Getränke ab 15 Volumenprozent können ohne Pfand verkauft werden.

Außerdem ist es für uns wichtig, die Live-Experience von Aperol nicht zu vernachlässigen. Aus diesem Grund wird Aperol in diesem Sommer mit unseren Aperol-Trucks deutschlandweit auf ausgewählten Festivals, Beach-Events und Straßenfesten unterwegs sein. Hier werden wir auch mit reichweitenstarken Influencern kooperieren.

Sind auch Aktionen oder Themenwelten auf der Fläche geplant? Welche Unterstützung können die Händler erwarten, um die Marke auch auf der Fläche darzustellen?
Aperol ist auch auf den Handelsflächen unsere Nummer 1 und Speerspitze im Rahmen von einer Vielzahl von Zweitplatzierungen rund um die Themenwelt „Mercato Italiano“, mit welchen wir gegenwärtig unsere Flächen bespielen. Zudem erhöhen wir die Awareness für die Marke dieses Jahr in ausgewählten Märkten durch ein neu entwickeltes Permanent-Display, welches einerseits dem Nachhaltigkeitsgedanken entspricht (hochwertige Materialien, lange Standzeit) und dabei gleichzeitig auf sehr hochwertige Weise den Premium-Charakter der Marke unterstreicht.

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