Interview mit Dr. H.-J. Nienhoff - QS QS will Branchenlösung und keine Marktspaltung

Ist Tierwohl unteilbar oder doch ein Anknüpfungspunkt für Wettbewerbsdifferenzierung? Im Interview dazu der QS-Chef Dr. Hermann-Josef Nienhoff.

Donnerstag, 15. November 2012 - Fleisch
Artikelbild QS will Branchenlösung und keine Marktspaltung
Bildquelle: QS

QS ist ein Beispiel für erfolgreiche Branchenkommunikation. Jetzt sollen sich die Bonner branchenweit um das Thema Tierwohl kümmern.

Herr Dr. Nienhoff, kann das gelingen?
Wir stehen für eine erfolgreiche gemeinsame Qualitätssicherung in der Lebensmittelkette. Beim Thema Tierwohl sind die Interessen innerhalb der Wertschöpfungsketten Fleisch – angefangen bei den Tierhaltern bis hin zu den Einzelhändlern – vielschichtig, die angestrebten Ziele werden unterschiedlich angesetzt. Aber alle betonen: Tierschutz sei nicht teilbar. Ein Mehr an Tierwohl – über das gesetzliche Maß hinaus – kann nur gelingen, wenn alle mitmachen vom Landwirt bis zur Ladentheke. Und eins ist auch klar: Ein Mehr an Tierwohl ist unweigerlich mit höheren Kosten für die Tierhalter verbunden. Die muss der Handel und letztlich der Verbraucher honorieren.

Wie lautet Ihr Auftrag? Und in wessen Auftrag agieren Sie?
Zu den Initiatoren und Unterstützern der Initiative zum Tierwohl bei Schweinefleisch sind die führenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, die Marktführer der Fleischwirtschaft sowie wichtige Interessensvertretungen der Schweineproduzenten und der Fleischwirtschaft. Also praktisch die ganze Branche. QS hat die Aufgabe die Gespräche der Wirtschaftsbeteiligten zu koordinieren. Einen gleichlautenden Auftrag erfüllen wir parallel für die Geflügelwirtschaft.

Westfleisch hat die Aktion Tierwohl, Tönnies und Westfleisch sind Beter Leven-zertifiziert, Wiesenhof forciert sein Privathof-Konzept, die Coop Kiel mit Vion und dem Tierschutzbund ein eigenes Siegel. Was halten Sie von alledem?
Das sind Ansätze. Es werden Lösungen für bestimmte Marktsegmente angeboten. Branchenlösungen sehen anders aus. Die Verbraucher werden an der Ladentheke über den Erfolg entscheiden.

Ist der Markt nicht längst gespalten?
Nein, der Markt lebt von diversen Initiativen und Ideen. Beim Thema Tierwohl ist eine breite Branchenlösung sinnvoll, ohne jedoch Einzelinitiativen auszubremsen.

Kann Tierwohl überhaupt der Profilierung einzelner Unternehmen dienen?
Da bin ich skeptisch. Tierwohl ist nicht teilbar.

Wozu braucht man QS jetzt noch?
QS ist das Qualitätssicherungssystem für die Produktion und Vermarktung frischer Lebensmittel. Dazu erarbeiten wir in Abstimmung mit der Wirtschaft Leitfäden – mit klaren, praktikablen und messbaren Kriterien. Beim Thema Tierwohl ist das nicht anders. Heute schon bezieht sich eine Vielzahl von QS-Kriterien auf den Bereich Tierschutz. Allein 20 von insgesamt 57 Kriterien in der Schweinehaltung erstrecken sich auf diesen Bereich.

Wird von Ihnen Unmögliches verlangt?
Unmöglich ist nichts. Nur: Zum Tierwohl alle Beteiligten an den Tisch zu bekommen und gemeinsam um Lösungen zu ringen, ist eine neue Herausforderung. Aber Aussitzen und Abwarten dient niemandem. Dazu steht zu viel auf dem Spiel.

Macht Ihnen Ihr Job derzeit noch Spaß?
Ja. Ich kann gerade auf zehn erfolgreiche Jahre QS blicken und freue mich auf die nächsten Herausforderungen. Für mich gibt es nur diesen einen Job!

Hinzu kommt die „grüne Seite", also die Bauernschaft. Was sagen die zu alledem? Was erwarten die von QS?
Wir haben hier in Deutschland die weitest gehenden gesetzlichen Ansprüche. Ein Mehr an Tierwohl – über das gesetzliche Maß hinaus – kann nur auf Freiwilligkeit beruhen. Die aktive Teilnahme muss sich lohnen und die Mehraufwendungen müssen ausgeglichen werden. Tierhalter sind die wahren Tierwohlexperten. Nicht nur ihr wirtschaftlicher Erfolg hängt davon ab, ob es den Tieren gut geht. Daran wird es nicht scheitern.

Thema Antibiotika-Monitoring: Sehen Sie die Branche in Deutschland auf einem guten Weg? Was bleibt zu tun? Was fordern Sie?
Mit dem Antiobiotikamonitoring bei QS hat die Branche ein deutliches Signal gesetzt. Seit April 2012 sammeln wir Daten über die Antibiotikaverschreibungen in der Geflügelbranche und seit September 2012 auch bei Schweinehaltern. Die Registrierung der Tierhalter schreitet voran. Und immer mehr Tierärzte verpflichten sich, ihre Antibiotikaverschreibungen in der Antibiotikadatenbank einzugeben. Wir werden den Weg konsequent weitergehen und eine umfassende Registrierung erreichen. Mit ersten aussagekräftigen Ergebnissen über den Antibiotikaeinsatz rechnen wir Anfang 2013 und dann werden Schritt für Schritt Verbesserungsmaßnahmen einsetzen.

Thema Änderung Arzneimittelgesetz: Sie sehen Unzulänglichkeiten und Defizite. Inwiefern?
Mit der Novelle des Arzneimittelgesetztes wird die Möglichkeit geschaffen, eine staatliche Antibiotikadatenbank ins Leben zu rufen. Es wird hier aber wohl nur eine Ermächtigung für die Länder zur Einrichtung einer solchen Datenbank geben. Ob es eine solche geben wird, kann ich heute nicht erkennen. Aber wenn doch, wollen wir gerne damit kooperieren, um Doppelaufwand zu verhindern. Tatsache ist: Mit den von uns erfassten Daten können wir nicht nur die Therapiehäufigkeit bestimmen – wie es das Gesetz vorsieht – wir werden auch ein Benchmarking durchführen, anhand dessen jeder Tierhalter selber sehen kann, wie er im Vergleich zu seinen Berufskollegen abschneidet. Wer überdurchschnittlich Antibiotika einsetzt, wird Maßnahmen ergreifen müssen.

Auf was muss sich die Branche einstellen?
Die Rohstoffpreise steigen weltweit und daraus resultierend werden auch die Preise für Lebensmittel steigen. Die zunehmende Weltbevölkerung möchte ernährt werden, und es gibt an bestimmten Stellen Wettbewerb mit den Energiemärkten.

Bild: Dr. Hermann Josef Nienhoff will QS ausbauen.

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