Was war der Anlass des erneuten Treffens der beiden Fachklassen?
Es ging um den Austausch entlang der Lebensmittel-Wertschöpfung. Im letzten Jahr stand beim Austausch die Landwirtschaft im Fokus, diesmal erhielten die Teilnehmer nun Einblicke in Bereiche des Lebensmittelhandels. Unser Projekt ist auf einen langfristigen Dialog ausgerichtet, nur so kann es gelingen, Verständnis füreinander zu entwickeln.
Wie wichtig ist so ein Austausch?
Der Austausch ist von besonderer Relevanz, da gerade in der derzeit aufgeheizten Marktlage die Kommunikation unter den Marktpartner ausschlaggebend für ein gutes und faires Miteinander ist. Und immerhin 52 Prozent aller Unternehmen der Fleischwirtschaft (Branchenecho Fleisch) sind aktuell auf der Suche nach Allianzen mit Unternehmen aus dem vor- und nachgelagerten Bereich.
Welche Vorteile bietet die Kooperation?
Die Schüler erhalten Einblicke in die anderen Zweige der Lebensmittel-Wertschöpfungskette und es können sich hier durchaus interessante Aspekte eröffnen. Das Thema „Regionalität“ spielt anscheinend noch vor dem „Preis“ und der „Haltungsform“ eine große Rolle. Das Wissen um die Interessen der Vermarktungspartner kann durchaus einen einzelbetrieblichen Vorteil bieten.
Gab oder gibt es auch einen Austausch außerhalb der Treffen?
Die Fachschulen stehen während des gesamten Jahres zwecks Planung des Projekttreffens online bzw. digital im Austausch. Das Präsenztreffen im Mai ist sozusagen der Höhepunkt des Projektes.
Was wurde diskutiert? Welche Fragen bzw. Themen wurden behandelt?
Der Schwerpunkt der Gespräche war die aktuelle Lage aller Beteiligten in der Wertschöpfungskette Fleisch. Hierzu wurden mehrere Referenten aus den Bereichen des LEHs und der Landwirtschaft eingeladen. Bei einem abschließenden Gespräch wurde deutlich, dass durch den gemeinsamen Austausch Verständnis für beide Seiten entwickelt wurde und nur durch eine Beteiligung aller Akteure in der Wertschöpfungskette ein Fortschritt erzielt werden kann. Dabei wurde auch deutlich, dass bei einem Teil der Lebensmitteleinzelhändler bereits ein Umdenkungsprozess stattgefunden hat und die Produktion der in Deutschland hergestellten Lebensmittel hier bereits eine zunehmende Wertschätzung erfährt.
Zudem wurde am ersten Tag mit dem Pötterhof ein tierwohlorientierter Schweinehaltungsbetrieb besichtigt. Des Weiteren wurde am zweiten Tag der Rewe Richrath in Köln besucht, dieser legt sehr viel Wert auf Regionalität und verkauft im Frischfleischbereich ausschließlich das Schweinefleisch, welches in einem Schweinemastbetrieb aus der direkten Umgebung produziert wird. Am dritten Tag stand mit einer Besichtigung der Lidl-Filiale in Neuwied-Niederbieber sowie des Lidl-Zentrallagers in Koblenz der Lebensmitteldiscount im Blickfeld. Dabei wurde den Schüler die Effizienz eines Discounters sowie die verschiedenen Organisationsabläufe nähergebracht.
Welche Vorteile sehen Sie durch die Zusammenarbeit?
Die Schüler sollen Einblicke entlang der gesamten Wertschöpfungskette bekommen. Hierbei sollen Bereiche zu Wort kommen und einbezogen werden. Die Fachschüler lernen die Denk- und Arbeitsweise des Lebensmittelhandels kennen und können dieses Wissen in die eigene, strategische Betriebsentwicklungsplanung einfließen lassen. Der offene Dialog im geschützten Umfeld der beiden Fachschulen ermöglicht im wahrsten Sinne des Wortes „den Blick über den Tellerrand“!
Welchen Nutzwert können die Schüler aus der Diskussion ziehen?
Die Schüler sollen einen anderen Blickwinkel erhalten und somit für das Verständnis entlang der Wertschöpfungskette gestärkt werden. Zudem wurde die zukünftige Ausrichtung der Lebensmittelproduktion erörtert. Heutzutage ändern sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rasant. War gestern noch „Tierwohl“ der wichtigste Punkt auf der Agenda, scheinen es heute „Regionalität“ und vorrangig der Preis zu sein. Die aktuelle Situation an den Fleischmärkten und der Verbrauchsrückgang stellt die Landwirte vor weitreichenden einzelbetrieblichen Entscheidungen.
Welchen Anspruch haben Sie an die Treffen?
Die Treffen sollen eine Plattform für angeregte Diskussion zwischen Landwirtschaft, Verarbeitungsbranche und Lebensmitteleinzelhandel zu gewährleisten und somit zur zukünftigen Ausrichtung der Lebensmittelproduktion beizutragen. Wir diskutieren auf einem fachlich hohen Niveau und bereiten unsere Treffen intensiv vor. Der persönliche Dialog ist das Wichtigste. Erst muss es auf der Beziehungsebene funktionieren, bevor man sein Gegenüber mit Sachargumenten erreichen kann. Zentrallager-Blockaden oder „Bauern-Bashing“ helfen langfristig nicht wirklich weiter, man muss miteinander sprechen, wenn man die Chance dazu bekommt. Und daraus kann sich langfristig Verständnis und Vertrauen füreinander entwickeln.
Was haben die Schüler beider Schulen bei den Treffen gelernt?
Es lohnt sich „über den Tellerrand“ zu schauen und die Position der anderen Teilnehmer der Wertschöpfungskette anzuhören. Die Aufgaben, einen landwirtschaftlichen Betrieb in die Zukunft zu führen, wachsen. Sie beschränken sich heute nicht mehr nur darauf, ein guter Milchviehhalter, Schweine- oder Bullenmäster zu sein. Heute spielen aufgrund der verschiedenen gesellschaftlichen Anforderungen weitere Aspekte wie z.B. die Regionalität, CO2-Fußabdruck und der Klimawandel eine Rolle. Diese Forderungen werden vom Lebensmittelhandel aufgegriffen und als Landwirt wird man sich mit diesen Wünschen auseinandersetzten, wenn man nicht am Markt vorbei produzieren will. Heute spielen die Bereiche Marketing, Vermarktung und eine bedarfs- bzw. marktgerechte Produktion eine viel größere Rolle als vor zwanzig oder dreißig Jahren.
Wie geht es weiter?
Es wird ein weiteres Treffen im kommenden Jahr geben. Nachdem beim ersten Treffen die Landwirtschaft fokussiert wurde und beim aktuellen Treffen Einblicke in den Lebensmitteleinzelhandel gewährt wurden, so wird beim nächsten Treffen die Verarbeitungsbranche verstärkt beleuchtet. Der Dialog geht weiter und wir gehen immer weiter in die Tiefe bzw. beleuchten neue Aspekte der Erzeugung und des Handels.